Rede von Dr. Eisenhart von Loeper bei der 174. Montagsdemo

Rede von Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt, Aktionsbündnis gegen S21, auf der 174. Montagsdemo am 3.6.2013

Liebe mit-bewegende Freundinnen und Freunde,

wir alle, am meisten vielleicht wir Juristen, hätten uns im Verfahren gegen den Hausabriss unseres Freundes in der Sängerstraße ein befreiendes Machtwort des Bundesverfassungsgerichts gewünscht. Leider haben wir im April Steine statt Brot bekommen. Denn es ist nichts entschieden zu den Kernfragen der Mischfinanzierung, zum Kapazitätsabbau, zur Enteignung. Wenn nun diesen Monat das Regierungspräsidium den Besitz des Hauses der Bahn zuweist, womit wir zu rechnen haben, werden wir dagegen den Rechtsweg erneut mit aller Energie ausschöpfen – zum Verwaltungsgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht.

In der Hauptsache spreche ich hier zu Euch von unserer Strafanzeige gegen die Bahnchefs Rüdiger Grube, Volker Kefer und gegen 17 Aufsichtsräte. Wir sagen: Die Bahnchefs haben schon 2009 bei Stuttgart 21 betrügerisch 900 Millionen Euro Kostensteigerungen verschleiert und der diesjährige Aufsichtsratsbeschluss vom 5. März zum Weiterbau von Stuttgart 21 ist nichtig, er beruht auf strafbarer Untreue.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt. Ein Hohn! Aber wir haben intensiv gearbeitet und legen morgen die Beschwerde beim Generalstaatsanwalt ein.

Ich nenne dazu einige Gründe:

  • Zuerst zur Kostenverschleierung von 900 Millionen Euro von 2009: Sie ist jetzt durch ein bahn-eigenes Beweisdokument nachgewiesen, das aber von der Staatsanwaltschaft nicht registriert worden ist. Schon deshalb muss deren Verfügung aufgehoben und neu ermittelt werden.
  • Bahnchef Grube hat nach seinem Amtsantritt im Mai 2009 den ihm direkt unterstellten Projektleiter Hany Azer beauftragt, den veralteten Kostenstand des Projekts zu aktualisieren. Das Untersuchungsergebnis seiner besten Leute: damals schon Kosten von 4,9 Milliarden Euro. Das kann nicht länger weggemogelt werden.
  • Es hätte offen gelegt werden müssen. Wurde es aber nicht. Weil es ein politisches Erdbeben und das wahrscheinliche Ende von S21 bedeutet hätte. Der Kostendeckel war gesprengt und es gab bis Ende 2009 das vertragliche Kündigungsrecht. Also hat man die Kosten um fast eine Milliarde Euro herunter getrickst. Eine Fehlkalkulation nennt es heute die Bahn, als wenn sie damals einfach zu blöd gewesen wäre. Und die Staatsanwaltschaft? Sie hält dieses Täuschungsmanöver gerade mal für fahrlässig.

Wir sagen: da haben Straftäter die Öffentlichkeit nach „allen Regeln der Kunst“ verschaukelt. Das war Schwindel, das war Betrug!

Und der Aufsichtsratsbeschluss vom 5. März?

  • Die Staatsanwaltschaft nennt es „nicht unüblich“, dass die deutsche Kanzlerin und ihre Koalition aus wahlpolitischen Gründen massiv Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Bahn. Wenn aber das Recht durch die Macht so gebeugt wird, wie bei Machiavelli und bei Berlusconi, dann ist das ein rechtsstaatlicher Sündenfall par excellence!
  • Außerdem: Wie Ihr wisst, beruht der Weiterbau-Beschluss der Bahn-Gremien allein auf der Behauptung, der Ausstieg sei noch unwirtschaftlicher und koste zwei Milliarden – ganze 77 Millionen Euro mehr als der Weiterbau. Sämtliche gegenteiligen umfangreichen Tatsachenhinweise der Strafanzeige hat der Staatsanwalt pflichtwidrig übergangen, das sei „unternehmerisches Ermessen“.
  • Allein 548 Millionen Euro soll der Ausfall von Planungs- und Bauaufträgen kosten. Das wären 30% des gesamten Restauftrags. Die Vertragsgestaltung soll so verrückt, so unprofessionell sein, dass die vorzeitige Beendigung von Aufträgen ohne Gegenleistung 548 Millionen Euro kosten soll? Das wäre ein Armutszeugnis für die Bahn ohnegleichen. Das wäre der Hammer, denn üblich in der Juristerei sind allenfalls 5 Prozent Schadensersatz bei der Kündigung von Werkverträgen.

Liebe Freundinnen und Freunde, wie geht es weiter?

Was wir derzeit in Sachen Stuttgart 21 von der deutschen Justiz erleben, erschüttert bei vielen den Glauben in den Rechtsstaat. Die Justiz ist auf einem Auge blind, drückt sich bisher vor Fakten und Details, scheut die Auseinandersetzung mit den Mächtigen.

Klar ist: Die Welt ist überall – gerade ganz dramatisch in Istanbul – im Wandel und wir sind dabei als Demokratiebewegung, auch wenn die Wege steil und steinig sind.

Wir haben schon nach der unsäglichen Volksabstimmung zu neuer Stärke gefunden. Und wir lassen uns auch nach dem unsäglichen Weiterbau-Beschluss des Aufsichtsrats nicht einschüchtern: Denn wir verteidigen das Grundgesetz gegen die Unterspülung durch die Mächtigen und das Gemeinwohl gegen Größenwahn und Profitinteressen.

Unsere Freunde sind die Wahrheit und die Fakten. Unsere Stärken sind unsere Kreativität und immer wieder unsere Entschlossenheit und unser Durchhaltewillen!
Heute schon und morgen erst recht.

Oben Bleiben.

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9 Antworten zu Rede von Dr. Eisenhart von Loeper bei der 174. Montagsdemo

  1. Leselotte sagt:

    Kleiner Hinweis:
    in der Überschrift ist im Namen ein Buchstabendreher.

  2. Leselotte sagt:

    Ganz vielen Dank.

  3. Pingback: 174. Montagsdemo – her yer Taksim, her yer direnis | SchaeferWeltWeit.de

  4. Maik sagt:

    Herr von Loeper macht uns schon lange Hoffnungen auf den juristischen Erfolg, dabei wissen wir, dass die Justiz insbesondere bei Großprojekten der weisungspflichtig ist. Die Justiz wird nie gegen seine Arbeitgeber in der Regierung und der Politik entscheiden. Das macht eben das System aus. Wie man gegen das ungerechte System Erdogans vorgeht sehen wir gegenwärtig in der Türkei. Wenn ein Großprojekt zurückgenommen wird aufgrund der Unnachgiebigkeit der Protestlers in der Türkei, geht der Protest gegen Erdogans Partei und sein System vor. Systemische Ungerechtigkeiten werden nicht von den Weisungspflichtigen Juristenen eingegangen, sondern von empörten Demonstranden, siehe Türkei.

  5. Norbert Rupp sagt:

    Sorry, aber der Kommentar von Jakob ist schlicht falsch. Der Begriff des Verletzten wird heute relativ weit ausgelegt, weil der Schutz des Legalitätsprinzips innerhalb des gesetzlichen Rahmens des § 172 umfassend sein soll. (s. Kleinkneckt/Meyer, Stopp-Kommentar) Betroffenheit nur als Bürger und Steuerzahler reicht hier zwar alleine nicht, aber im Falle S21 ist die Betroffenheit Stuttgarter Bürger durch eine mindestens 10 Jahre dauernde Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, Gefährdung von Mineralquelle, Häuser und anderen lokalen Rechtsgütern, Natur usw. massiv gegeben; das gilt ebenfalls für die hier sehr intensiven und langfristigen Lärm- und Umweltbelästigungen, von der Einschränkung von Eigentumsrechten schon einmal ganz zu schweigen. Auch die Gefährdung der künftigen Funktion des viel zu kleinen Bahnknotens gehört hierher. Kurz-, mittel- und langfristig angelegte Kosten-Nutzen-Erwägungen ergeben hier für Stuttgarter Bürger und ihre entsprechenden Interessenvertretungen eindeutig den rechtlichen Status von „Verletzten“ in Bezug auf das Projekt S 21, und zwar unabhängig von individuellen politische und wirtschaftlichen Interessenlagen.

  6. Norbert Rupp sagt:

    Sorry, aber der Kommentar von Jakob ist schlicht falsch. Der Begriff des Verletzten wird heute relativ weit ausgelegt, weil der Schutz des Legalitätsprinzips innerhalb des gesetzlichen Rahmens des § 172 umfassend sein soll. (s. Kleinknecht/Meyer, StPO-Kommentar) Betroffenheit nur als Bürger und Steuerzahler reicht hier zwar alleine nicht, aber im Falle S21 ist die Betroffenheit Stuttgarter Bürger durch eine mindestens 10 Jahre dauernde Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, Gefährdung von Mineralquelle, Häuser und anderen lokalen Rechtsgütern, Natur usw. massiv gegeben; das gilt ebenfalls für die hier sehr intensiven und langfristigen Lärm- und Umweltbelästigungen, von der Einschränkung von Eigentumsrechten schon einmal ganz zu schweigen. Auch die Gefährdung der künftigen Funktion des viel zu kleinen Bahnknotens gehört hierher. Kurz-, mittel- und langfristig angelegte Kosten-Nutzen-Erwägungen ergeben hier für Stuttgarter Bürger und ihre entsprechenden Interessenvertretungen eindeutig den rechtlichen Status von „Verletzten“ in Bezug auf das Projekt S 21, und zwar unabhängig von individuellen politische und wirtschaftlichen Interessenlagen.

  7. Gerd Jungmann sagt:

    Wir alle sollten froh sein, kompetente Juristen und Fachleute zu haben, die uns
    in dem Kampf gegen dieses irrsinnige Bahn-
    projekt zu unterstützen.Auch wenn die Staats-
    anwaltschaft richtungsweisend handeln sollte,
    darf sie noch lange nicht Untreu und Betrug
    der Aufsichtsräte ignorieren!! Oder sind wir schon in einer Bananenrepublik gelandet , wo eine Bundeskanzlerin aus Un-
    wissenheit oder Willkur nach Ihrem Willen
    entscheidet ????
    Dieses ganze Projekt S21 wird der Bundesrepublik noch zum Präzidenzfall werden
    für politische Lüge oder Wahrheit !!!!!
    Wir BLEIBEN OBEN und Basta !!!!

    • Jakob sagt:

      Gerd Jungmann: Welche KOMPETENTEN Fachleute meinen Sie denn?
      Mir jedenfalls ist keiner bekannt.

      Die „Juristen zu Stuttgart 21“ haben ja nun bisher noch nie richtig gelegen und bisher sämtliche angestrengten Prozesse verloren.
      „Untreu(e) und Betrug der Aufsichtsräte“ liegt ganz offensichtlich NICHT vor, Ihr Geplapper von einer Bananenrepublik ist leider nur dummes Geschwätz.

      Basta

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