Pressemitteilung der Jugendoffensive gegen S21: Bezüglich der Vorwürfe des Polizeipräsidiums Stuttgart und von Innen- und Kultusminister/-in (update)

Die Jugendoffensive gegen Stuttgart 21 wehrt sich gegen die Vorwürfe des Polizeipräsidiums, sie mobilisiere Kinder und Jugendliche zu illegalen Blockaden und instrumentalisiere sie. Die Aktivisten der Jugendoffensive sind schockiert, dass Polizeipräsident Züfle Jugendlichen, die sich bewusst gegen die illegalen Baumaßnahmen am GWM stellen, ihr eigenes politisches Denken abspricht, obwohl Schüler/-innen tagtäglich mit dem Fehlen von finanziellen Mitteln an ihren Schulen konfrontiert sind und zusehen müssen, wie Milliarden leichtfertig und ohne wasserdichte Prüfung in einem utopischen Bauprojekt namens Stuttgart 21 versenkt werden.
Wenn Schüler/-innen und Jugendliche sich für Demokratie und Mitsprache und für sie wichtige Fragen der eigenen Zukunft sowie für mehr Geld für Bildung statt für einen Prestigebahnhof einsetzen, werden sie vom Staatsapparat eingeschüchtert, ihr Recht auf und ihre Fähigkeit zu eigenständigem Handeln wird ihnen abgesprochen, obwohl zum Beispiel das Wahlrecht ab 16 von vielen Seiten diskutiert und gewollt wird.
Ein Sprecher der Jugendoffensive erklärt: „Anstatt die repressive Maulkorbpolitik ihrer Vorgänger fortzusetzen, sollte sich die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer lieber um die eklatanten Probleme im Bildungsbereich kümmern und politisches Engagement der Schüler würdigen“. Stattdessen spricht sie – wie Innenminister Gall und das Polizeipräsidium – mit einer juristisch äußerst fragwürdigen Argumentation das Recht auf Versammlungsfreiheit ab.
Paragraf 8 des Grundgesetzes sichert jedem das Recht auf eine friedliche Versammlung zu, und die Jugendoffensive ruft ausdrücklich zu friedlichem und buntem Protest auf.
Auch der Vorwurf, die Jugendoffensive hätte Kinder zu Blockaden aufgefordert, stimmt nicht. Der Aufruf wendet sich ausdrücklich an Jugendliche (ab 16 Jahren) und an Erziehungsberechtigte.
Das Polizeipräsidium wirft der Jugendoffensive vor, zu Straftaten aufzurufen. Das stimmt nicht. Sitzblockaden sind laut einem Urteil des Verfassungsgerichtes von 1995 keine Nötigung, sondern befinden sich im Bereich der friedlichen Versammlung.
Besonders bestürzend ist die Tatsache, dass Minister und Medien Bezug auf die am 30.09.2010 von der Jugendoffensive angemeldete Schülerdemonstration nehmen, und das brutale Vorgehen der Polizei den Jugendlichen anhängen wollen, obwohl nachweislich von Seiten der Schüler sowie aller anderen Demonstranten keine Gewalt ausging.
Die Jugendoffensive wird sich von den Einschüchterungsversuchen nicht beeindrucken lassen und an der geplanten Blockade festhalten. Sie fordert alle Schüler und Jugendlichen und deren Eltern auf, sich ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht nehmen zu lassen.
Ein Sprecher der Jugendoffensive sagt: „ Wir appellieren an die Polizei, Schlagstöcke und Pfefferspray in der Dienststelle zu lassen. Es sollte Polizei und Politik klar sein, dass auch ihre Kinder an der Blockade teilnehmen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen könnten“.
Gerade in diesen Tagen ist Solidarität in der Bewegung notwendig, deshalb ruft die Jugendoffensive alle S21-Gegner auf, ihr den Rücken zu stärken und ein Zeichen gegen präventive Kriminalisierung von friedlichem Widerstand zu setzen.

Die Jugendoffensive freut sich über Solidaritätserklärungen (Organisationen u. Personen) an
jugendoffensive [at] yahoo.de
Diese werden dann auf der Homepage der Jugendoffensive veröffentlicht.

Update: Rechtsanwalt Udo Vetter hat einen interessanten Artikel dazu veröffentlicht. Darin heißt es u.a.

Offenbar ist der Stuttgarter Polizei auch nicht bekannt, dass Sitzblockaden durchaus ein legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung sein können. Das Bundesverfassungsgericht hat das im Jahr 1995 ausdrücklich festgestellt; es hat den Automatismus Blockade = strafbare Nötigung verworfen. Es kommt immer auf den Einzelfall an, nämlich auf die Intention der Blockierer, den Grad der Beeinträchtigung durch die Blockade und etwa die Bereitschaft, sich ohne Gegenwehr von Polizeikräften wegtragen zu lassen. Es ist zwar möglich, dass Teilnehmer der Sitzblockade sich wegen Nötigung strafbar machen. Es steht aber keineswegs fest.

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6 Antworten zu Pressemitteilung der Jugendoffensive gegen S21: Bezüglich der Vorwürfe des Polizeipräsidiums Stuttgart und von Innen- und Kultusminister/-in (update)

  1. K21Wolf sagt:

    Es ist unglaublich, was für ein Geist in Verwaltungs-, Regierungs- und Polizeibehörden herrscht. Entweder kommt dieser Geist aus dem Umfeld oder aus der Struktur solcher Ämter. Dieser Geist der Einschüchterung und vorbeugenden Kriminalisierung hat nichts mit Demokratie zu tun. Die Menschen in den Ämtern und Behörden sind Angestellte auf Zeit, die von uns bezahlt werden. Aber immer wieder wollen sie uns vorschreiben, was Demokratie ist. Irgendetwas stimmt hier nicht. Jeder hat das Recht seine Meinung frei zu äußern, auch und vor allem Kinder und Jugendliche. Denn die Jugend muss den Mist den wir verzapfen in der Zukunft ausbaden. Ich unterstütze die Jugendoffensive: mobilisiert hundertausende, wie in Nordafrika, in Griechenland und in Spanien und Italien. Wir unterstützen euch. Empört euch!

  2. Max sagt:

    Prima auch dieser Artikel im Lawblog:

    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/07/29/s21-die-manipulierten-jugend/

    Das Grundgesetz garantiert allen Deutschen Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Im Grundrecht steht nichts davon, dass es erst ab 18 Jahren gilt. Es gibt auch niemanden, der ernsthaft behauptet, Kinder und Jugendliche dürften nicht für ihre politischen Überzeugungen öffentlich eintreten. Es ist also schon eine ziemliche Irreführung, wenn der Polizeipräsident den möglichen Teilnehmern pauschal unterstellt, sie seien fremdgesteuert.

  3. Hans Hase sagt:

    RA Vetter sollte jedoch selbst am besten wissen das man bei Urteilen immer die gesamten Umstände beschreiben sollte und nicht nur paar zusammenhanglose Sätze aus einem sehr vielseitigen Urteil…

    Zum Glück arbeitet er ja ehrenamtlich für BAA oder nicht?

  4. Hans König sagt:

    Leider trägt RA Vetter entweder mit Halbwissen oder mit bewusst unvollständiger Ausführung zur Verdummung bei.

    Die die Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH, welche vom BverfG auch bestätigt wurde, sollte einem Anwalt schon bekannt sein.
    Sobald sich jedoch hinter dem ersten Fahrer weitere Fahrzeuge aufstauen, sieht der BGH darin eine mittelbare
    Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Danach reicht eine psychische Zwangswirkung auf den Tatmittler aus, um gegenüber den folgenden Fahrern eine Nötigung in mittelbarer Täterschaft anzunehmen. Die bloße Präsenz des ersten Fahrzeugs schafft ein unüberwindbares physisches Hindernis für die folgenden Fahrer. Die Gewaltanwendung des ersten Fahrzeugführers, der als Tatmittler handelt, wird dem Demonstranten zugerechnet. Folglich liegt in dem Gewaltbegriff der Zweite-Reihe-Rechtsprechung kein Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.

  5. H. C. Flemming sagt:

    In den Herzen
    der folgsamen Kinder
    nistet
    knisternd und
    raschelnd
    Die Rache

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