Rede der Parkschützer bei der 109. Montagsdemo

Rede der Parkschützer bei der 109. Montagsdemo, vorgetragen von Christoph Reinstadler am 30.1.2012:

Schämen Sie sich, Herr Minister Schmid!

Sie, Herr Finanzminister, haben den Gestattungsvertrag für den Kahlschlag unseres Schlossgartens quasi als Blankoscheck unterschrieben. Das ist eine Veruntreuung öffentlichen Eigentums, für die Sie sich schämen sollten. Oder würden Sie auch so mir nichts dir nichts zustimmen, dass in Ihrem Garten einfach mal auf Verdacht alle Bäume abgeholzt werden?

Wenn Sie der Bahn gestatten, unseren Schlossgarten abzuholzen, den Garten, den König Wilhelm uns Bürgern schenkte, dann wäre es mindestens angebracht, die Bahn zu einer angemessene Gegenleistung zu verpflichten. Doch was bekommen wir für unseren Schlossgarten? Einen bunten Werbeprospekt der Bahn und ein höhnisches Grinsen von Bahnchef Grube!
Mehr kann die Bahn nicht liefern: Bauen kann die Bahn nicht, dafür fehlt die Planfeststellung, dafür fehlt das Grundwassermanagement, dafür fehlen die Auftragnehmer. Auf solch ein Wahnsinnsprojekt wollen sich die Baufirma nicht einlassen – und Recht haben sie.

Also verlegt sich die Bahn aufs Zerstören: Gut funktionierende, bewährte Infrastruktur muss ebenso dran glauben wie bedrohte Tiere und Jahrhunderte alte Bäume. Und weil die Bahn schon mal dabei ist, wird auch das Holz gleich noch geschreddert. Herr Schmid, haben Sie die Bahn eigentlich einmal gefragt, warum sie so dringend Bäume fällen will? Warum der Südflügel jetzt so schnell abgerissen werden soll? Haben Sie nachgefragt, warum die Bahn mit dem Bau des Technikgebäudes bis heute nicht begonnen hat, obwohl gerade dafür schon vor weit über einem Jahr der Nordflügel abgerissen wurde und die Bäume beseitigt wurden? In Ihrem Amtseid haben Sie geschworen, den Nutzen des Volkes zu mehren. Sie sollten sich dafür interessieren, welcher Nutzen denn entsteht, wenn die Bahn ohne Sinn und Verstand Bäume fällt statt endlich die fehlenden Planungsunterlagen einzureichen.

Herr Schmid, haben Sie, bevor Sie diesen Gestattungsvertrag unterschrieben haben, einmal bei Ihrem Kabinettskollegen Untersteller nachgefragt, ob denn die Fragen und Ungereimtheiten in Sachen Artenschutz geklärt sind? Oder wollten Sie lieber nicht hören, dass die Bahn kein Recht hat, Bäume zu fällen, weil die Bahn es schlicht nicht für nötig befand, sich an Regeln und Gesetze zu halten, die geforderten Gutachten und Ausgleichspläne vorzulegen?

Hat der für die Wasserbehörde verantwortliche Umweltminister Ihnen gesagt, dass die Bahn mit ihren unterirdisch schlechten Wassermodellen sämtliche wasserrechtlichen Genehmigungen für den Bau des Tunnelbahnhofs verwirkt hat? Oder wollten Sie, Herr Schmid, lieber nicht wissen, dass die Bahn keine Chance hat, das viele Wasser in und unter unserem Schlossgarten in den Griff zu bekommen, selbst wenn sie ein Vielfaches der genehmigten Wassermenge abpumpt? Vielleicht wollen Sie das alles nicht so genau wissen, denn ohne funktionierendes Grundwassermanagement kann der Tunnelbahnhof nicht gebaut werden. Die Ihnen unterstellte Denkmalschutzbehörde hätte schon längst einschreiten müssen, denn für einen Bahnhof, der nicht gebaut werden kann, darf der denkmalgeschützte Südflügel nicht abgerissen werden!

Herr Finanzminister, haben Sie zwischen den vielen blind geleisteten Unterschriften vielleicht einmal Zeit gefunden, die Bahn zu fragen, was der Tunnelbahnhof denn nun kosten soll? Oder haben Sie Angst vor der Kostenwahrheit? Ist es Ihnen lieber, die Bahn verheimlicht, was das Mammutprojekt tatsächlich kosten wird? Hat die Bahn etwa unterschrieben, dass sie die Mehrkosten übernimmt, so wie Ministerpräsident Kretschmann es fordert?

Halten Sie es für geschickt, zu unterschreiben, bevor die Konditionen des Vertrags verhandelt werden? So dumm würden wohl selbst Sie sich nicht anstellen, wenn Sie die Rechnung mit Ihrem eigenen Geld begleichen müssten.

Herr Schmid, Sie wissen so gut wie wir alle, dass das Tunnelprojekt Stuttgart 21 zum vereinbarten Preis nicht zu haben ist. Sie wissen so gut wie wir alle, dass die Bahn nur zerstört und nichts baut, nichts bauen kann. Herr Schmid, Sie wissen so gut wie wir alle, dass mit jeder Unterschrift, die Sie leisten, das Land Baden-Württemberg erpressbarer wird und wehrloser gegenüber dem unverschämten Verhalten der Bahn. Herr Schmid, Sie wissen so gut wie wir alle, dass die Bahn aus purer Gier und zu Diensten einer machtbesessenen Kanzlerin rücksichtslos alles zerstört, egal ob gute Infrastruktur, wertvolle Kulturgüter oder Jahrhunderte alte Bäume – einzig, um die Interessen einiger Weniger gegenüber uns Stuererbürgern durchzusetzen.

Warum lassen Sie sich von der Bahn so am Nasenring durch die Manege führen?

Es ist noch nicht so sehr lange her, dass Sie in Ihrem Amtseid geschworen haben, den Nutzen des Volkes zu mehren, Schaden von ihm zu wenden und Ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Gewissenhafte Pflichterfüllung sieht anders aus, Herr Schmid. Deshalb: Schämen Sie sich!

Und, Herr Kretschmann, falls der Zaunpfahl noch nicht groß genug war: Ein Minister, der mit dem ihm anvertrauten Gut so fahrlässig und stümperhaft umgeht, ist untragbar!

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