Reden der 110. Montagsdemo: Parkschützer und Hans Heydemann

Hier präsentieren wir Ihnen die beiden Reden der heutigen 110. Montagsdemo hintereinander, einfach auf "weiterlesen" klicken, dann erscheinen die Reden mit Links zum jeweiligen Beginn.

Übersicht:
1) Rede der Parkschützer, vorgetragen von Moderator Robin Bauer
2) Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann


Rede der Parkschützer bei der 110. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 am 6.2.2012 am Südflügel, Hbf Stuttgart, vorgetragen von Moderator Robin Bauer
In der Politik geht es nicht um Wahrheit oder Lüge. Sagt unser Ministerpräsident Kretschmann. Um was geht es dann? Um Macht? Um das Wohl des Volkes? Kretschmanns Antwort lautet: Es geht um Alternativen. Blutleerer geht es kaum noch.

Aber wie entscheidet man sich zwischen Alternativen? Kretschmann ist ja nicht nur Katholik, er ist auch Ethiklehrer, er hat da eine feste Richtschur, der Verfassungspatriot, geradezu ein Gottesurteil: „die Mehrheit hat sich ‚letztlich‘ entschieden.“ Wahrheit und Lüge? Spielten da keine Rolle. Die Bürger wussten oder hätten wissen können, sagt Kretschmann.

Die Bürger hätten doch wissen können, dass ausgerechnet Drexler nach der Volksabstimmung mit einer Neuplanung auf den Fildern kommt und den Kostendeckel erhöhen will. Was, die Bürger wussten nicht, dass die Bahn im siebten Änderungsantrag zum Grundwassermanagement bei der inzwischen dreifachen Grundwasserentnahmemenge ist?

Kretschmanns Versprechen, die Kosten zu klären, bevor Stadt und Land durch den Abriss des Südflügels und die Zerstörung des Schlossgartens in Geiselhaft genommen werden - die Bürger hätten doch wissen können, dass dieses Versprechen nichts wert ist.

„Jeder der eins und eins zusammenzählen kann“ lässt uns Grube jetzt plötzlich in der Stuttgarter Zeitung wissen, erwarte nicht, dass das Projekt 2019 fertig werde. Also weiß auch jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, dass das ganze Projekt deutlich teurer wird?

Wenn 3,2 Millionen Kubikmeter Grundwassserentnahme, für jeden, der eins und eins zusammenzählen kann, 9 Millionen bedeutet, und 2019 selbstverständlich 2025 und wenn 4,5 Milliarden Euro Kosten sicher für mindestens 7 Milliarden stehen und wenn bestgeplant bedeutet, wir haben keinen Plan, dann versteht man auch, dass das alles nichts mit Wahrheit und Lüge zu tun hat.

Denn es gilt nicht, was gesagt und versprochen wird. Es gilt, was man „hätte wissen können“ und was man sich wie eins und eins zusammenzählen kann. Deshalb macht man sich auch lächerlich, wie selbst ein Grüner Stadtrat findet, wenn man einem Politiker nach der Wahl vorwirft, er hätte vor der Wahl gelogen.

Und deshalb haben auch Bahn und Politik keine Schwierigkeiten, sich zu verstehen. Die Landesregierung sagt: „Der Kostendeckel gilt“. Die Bahn weiß ja, dass er nicht zu halten ist. Und versteht also vollkommen richtig: selbstverständlich nur solange, bis er überschritten ist.

Die Bahn und die Landesregierung versprechen nach der Schlichtung Stuttgart 21 plus 1:1 umzusetzen. Da aber jeder weiß, der eins und eins zusammenzählen kann, dass das nicht ohne erhebliche Mehrkosten geht, die keiner zahlen will, erwartet keiner, dass es geschieht.

Wirklich keiner? Zu sehr daran gewöhnt alles versprechen und nichts halten zu müssen, hat sich die Bahn nach der Schlichtung vielleicht doch zu weit aus dem Fenster gelehnt. Teilnehmer der Schlichtung haben beim Eisenbahnbundesamt einen weiteren Antrag eingereicht, die Arbeiten im Schlossgarten sofort zu stoppen.

Begründung: Mit ihrem uneingeschränkten Bekenntnis dazu, die Geißlerschen Forderungen für S21 plus umzusetzen, ist die Bahn eine rechtlich wirksame Selbstverpflichtung gegenüber ihren Gesprächspartnern in der Schlichtung eingegangen. Und genau das wird jetzt vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeklagt, falls das Eisenbahnbundesamt das unnötige und dem Schlichterspruch zuwiderlaufende Fakten schaffen im Schlossgarten nicht stoppt. Wir werden sehen, ob Wahrheit und Lüge vor Gericht noch etwas bedeuten, wenn diese Begriffe schon in der Politik keinen Wert mehr haben.

Und sie, Herr Kretschmann? Haben sie sich wirklich schon für die Alternative „Nichts tun“ entscheiden? Sie wissen, Herr Kretschmann, oder sie müssten wissen, dass die Bahn bis weit über den Oktober 2012 hinaus keine merklichen Baufortschritte im Mittleren Schlossgarten machen wird. Deshalb fordern wir sie auf: Verhindern sie die Fällung der Parkbäume. Sorgen sie dafür, dass die Bahn erst mal ihr Planungs- und Genehmigungschaos nicht nur beim Grundwassermanagement behebt und für Transparenz sorgt.


Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann bei der 110. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 am 6.2.2012 am Südflügel, Hbf Stuttgart

Liebe Freunde und Mitstreiter für den Erhalt des Kopfbahnhof!

Vergangenen Montag und Dienstag fand die Erörterung über den Änderungsantrag der Bahn zum Fildertunnel statt. Merkwürdig nur, daß zur gleichen Zeit mit dem Abriß des Südflügels begonnen wurde. Diejenigen, die sich dem tapfer entgegengestellt haben, konnten also nicht bei der Erörterung dabei sein – und die, die sich der Expertenrunde der Bahn gestellt haben, um dieses Irrsinnsvorhaben abzuweisen, fehlten bei der Verteidigung des Südflügels gegen den ersten Baggerbiß! Doch das war sicherlich nur ein rein zufälliges Zusammentreffen – ohne jeden bösen Hintergedanken! Oder etwa nicht?

Die Erörterung war für die Bahn ein eher lästiges Schauspiel, daß sie mit unglaublicher Selbstüberheblichkeit gegenüber uns Bürgern an jedem Punkt aufs Neue abzuwürgen versucht hat. Man läßt die Leute reden, hält sich gewissermaßen die Ohren zu – und macht ohnehin so weiter, wie man es für richtig hält!

Ich war fassungslos, wie kaltschnäuzig die Vertreter der Bahn rundheraus abstritten, die Bahn habe seinerzeit beim ersten Erörterungsverfahren im Herbst 2002 zugesagt, mit dem Bau erst dann zu beginnen, wenn alle Abschnitte rechtskräftig planfestgestellt seien, so wie es ja auch der damalige Vorstand der Bahn öffentlich verkündet hatte. Und als man den Herren von der Bahn dann den Ausschnitt aus dem Wortprotokoll mit dieser Zusage des damaligen Bahnvertreters vorlegte, hieß es eben, dieser sei falsch verstanden worden!

Als beim TOP „Wasser“ unser Experte Roland Morlock auf den gerichtlich verfügten Baustop beim GWM hinwies, blockte die Bahn sogleich ab mit dem Hinweis, dies gehöre nicht zum PFA 1.2 „Fildertunnel“, das sei nicht Gegenstand dieser Erörterung! Doch Roland Morlock ließ nicht locker und konnte der Bahn und ihren Gutachtern nachweisen, daß deren der S-21-Planung zugrundeliegendes Grundwassermodell fehlerhaft ist und nicht schlüssige Ergebnisse liefert. Antwort des Gutachters der Bahn: „Genau werden wir das erst wissen, wenn wir gebaut haben“! Die Bahn gesteht damit ein, doch nicht so genau zu wissen, was sich tun wird, wenn gebaut wird!

Als aber ein besorgter Hausbesitzer aus dem Kernerviertel nachfragte, was denn mit seinem am Hang stehenden Haus geschehen könne, wenn der Grundwasserspiegel wie für S-21 vorgesehen abgesenkt wird, ob gar der Hang ins Rutschen geraten könne, wurde ihm von diesem Gutachter versichert: „Seien Sie unbesorgt! Ihrem Haus wird schon nichts passieren!“

Daraufhin habe ich an die vor 100 Jahren untergegangene TITANIC erinnert. Von der hieß es ja auch, die sei unsinkbar. 6 Tage nach dem Auslaufen rammte sie einen Eisberg, wurde auf ganzer Länge aufgeschlitzt und versank mit mehr als 1.700 Menschen in der Tiefe! Das Gerede von der Sicherheit kennen wir ja auch von der Atomkraft, die so todsicher ist, daß nur alle 10.000 Jahre mit einem Kernschmelz-Unfall zu rechnen ist. Inzwischen hatten wir jedoch schon mindestens vier davon – in nur gut 30 Jahren. Wie schnell doch die Zeit vergeht!

Der Gipfel der Unverfrorenheit war jedoch die Antwort der Bahn auf die Fragen zur Sicherheit und zum Brandschutz. Ich habe den Videofilm über den schweren ICE-Brand 2001 in Offenbach und weitere Bilder von Zugbränden gezeigt – u.a. über die Brandkatastrophen von Kaprun in 2000 mit 155 Toten und 2003 von Daegou/Korea mit 197 Toten – und vorgerechnet, daß die Flucht bei einem Brand im Fildertunnel mit den viel zu schmalen Fluchtstegen durch die 500 m entfernten Rettungsstollen in die benachbarte Tunnelröhre hinein mindestens 22 Minuten nach Regelwerk, tatsächlich bei Einbeziehung des Panikverhaltens aber wohl 34 Minuten dauern werde, die Verrauchung des Tunnelabschnittes aber nur 11 Minuten, mit dem Ergebnis, daß kaum einer lebend davon kommen dürfte. Die Leute werden auf dreierlei Art zu Tode kommen: die ersten würden in der Panik überrannt und zu Tode getrampelt – siehe Love-Parade Duisburg 2010, die meisten aber von der sich sehr rasch ausbreitenden Rauch- und Qualmwolke eingeholt und elendiglich darin ersticken. Und die, die es trotz allem noch in die benachbarte Tunnelröhre als einem angeblich sicheren Bereich schaffen sollten, würden womöglich durch einen dann noch hindurchrasenden Zug zermalmt, weil von der Bahn in all der Aufregung versäumt wurde, rechtzeitig den Zugverkehr in der Nachbarröhre zu stoppen. Was schiefgehen kann, geht im Zweifel auch schief! Beispiele dafür gibt es gerade auch bei der Bahn zuhauf. Und schließlich mein Hinweis, daß das Befüllen der Löschwasserleitungen an die zwei Stunden dauern werde und der Löschwasservorratsbehälter dann leer sei, so daß kein Wasser zum Löschen mehr übrig bleibt, was übrigens auch von der Stuttgarter Feuerwehr in ihrer Stellungnahme zum Planfeststellungsantrag beanstandet worden ist.

Doch was sagt die Bahn dazu? Sie gesteht zwar ein, daß ein solches Ereignis niemand ausschließen kann. Aber sie lehnt es mit aller Entschiedenheit ab, über dieses fragwürdige Flucht- und Rettungskonzept überhaupt auch nur zu reden. Das sei alles planfestgestellt und werde auch so umgesetzt – Punkt! Auf Nachfrage räumte der Bahnvertreter ein, daß für den Tunnel keine Räumungs- und auch keine Verrauchungs-Untersuchung gemacht worden ist, denn „Wir bauen nach Regelwerk und halten internationale Standards ein; abweichende Festlegungen kämen da überhaupt nicht in Frage!
Also will die Bahn Tunnels bauen, deren Herstellkosten zwar wirtschaftlich optimiert sind, die aber im Zweifelsfall Todesfallen sein werden. Sie nimmt damit wissentlich Todesopfer billigend in Kauf. Das ist ein Skandal, das ist ein Verbrechen gegen die Menschenrechte! Das werden wir der Bahn so nicht durchgehen lassen!

Deshalb: Oben bleiben!

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