Offener Brief an Minister Hermann: Erhalt und leistungsfähige Einbindung der Gäubahn

Sehr geehrter Herr Minister Hermann,

kürzlich hat die Deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin für das Bauvorhaben Stuttgart-21 öffentlich bekanntgegeben, u.a. die Bauarbeiten für den PFA 1.5 „Feuerbacher Tunnel“ an das Bauunternehmen Baresel vergeben zu haben und in Kürze mit den Bauarbeiten dazu beginnen lassen will.

Vom „Erhalt und der leistungsfähigen Einbindung“ der Gäubahn in den geplanten Tiefbahnhof S-21 entsprechend der im „Schlichterspruch“ getroffenen Vereinbarung war dabei allerdings keine Rede. Weder hat die DB bisher irgendwelche Pläne dafür vorgelegt noch ist das dafür unabdingbar notwendige erneute Planfeststellungsverfahren eingeleitet, geschweige denn daß ein Planfeststellungsbeschluß dazu vorläge, was zwingende Voraussetzung ist für die Aufnahme der Ausführungsplanung sowie der Bauarbeiten!

Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Deutsche Bahn AG überhaupt nicht daran denkt, die im Schlichterspruch vereinbarten Festlegungen umzusetzen! Gleichwohl hat die Bahn dies mit anerkannt und unterschrieben, wie auch die S-21-Befürworter auf Seiten der CDU! Jetzt, eineinhalb Jahre danach, tut die Bahn so, als hätte es eine solche Vereinbarungen nie gegeben, und will alles genau so bauen lassen, wie es vor der Schlichtung beabsichtigt war – in der Erwartung, der Schlichterspruch sei inzwischen längst vergessen.

Das ist glatter Vertragsbruch! Das ist ein unerhörter Skandal! Das dürfen Sie als Verkehrsminister dieses Landes der Bahn nicht durchgehen lassen! Verträge sind einzuhalten. Diese Forderung ist auch durch das – ohnehin noch nicht rechtskräftige – Ergebnis jener fragwürdigen Volksabstimmung vom 27.11.2011 keineswegs aufgehoben!

Die Menschen in dieser Stadt erwarten von Ihnen als Verkehrsminister, daß Sie von der Deutschen Bahn AG die die bedingungslose Umsetzung dieser Vereinbarung einfordern – auch wenn dies eine weitere Verzögerung im gesamten Bauablauf zur Folge hat und erhebliche zusätzliche Baukosten verursacht! Wird damit der vertragliche Kostendeckel von 4,523 Milliarden Euro endgültig überschritten, muß dieses Vorhaben S-21 eben beendet werden! Dann wird endlich offensichtlich, daß S-21 undurchführbar ist.

Oder will man nun doch zugeben, daß die „Faktenschlichtung“ von Anfang an nur als billiges Schmierentheater gedacht war, um den Widerstand gegen dieses milliardenteure Irrsinnsvorhaben S-21 hinters Licht zu führen und nachher, wenn sich dieser verlaufen hat, grad so weiterzumachen wie vorher? Dann war zumindest diese Einschätzung falsch – nämlich daß der Widerstand gegen S-21 einschläft und sich verläuft. Wir werden weiterhin wachsam sein und die Finger in all´ die Wunden legen, die sich noch auftun.

Sowohl der jetztige Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der sein Amt nur den Stimmen des Widerstandes gegen S-21 verdankt, als auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer saßen bei eben dieser „Faktenschlichtung“ auf Seiten der Gegner gegen dieses S-21-Vorhaben an einem Tisch und haben daran mitgewirkt – um so weniger ist verständlich, warum diese jetzt der Bahn alles durchgehen lassen, anstatt sie beim Wort zu nehmen und die Einhaltung der vereinbarten Regeln in aller Deutlichkeit einzufordern. Anstatt eine wirkliche Überprüfung des verlogenen Streßtests vom letzen Sommer durchzusetzen, hört man jetzt, daß auch für die Landesregierung die Überschreitung des Kostendeckels kein Tabu mehr sein solle. Auch der sogenannte „Filder-Dialog“ soll offensichtlich nichts anderes werden als eine „Beruhigungspille für´s Volk“, um dann besser weitermachen zu können als bisher.

Mit freundlichen Grüßen
Hans Heydemann, Ingenieure22 für den Kopfbahnhof

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