Prozessbericht über die Verhandlung gegen Ernest Petek

Am 28.1.2013 fand am Amtsgericht ein Prozess gegen Ernest Petek statt. Die Anklage lautete auf gemeinschaftliche Nötigung in vier Fällen. Ernest Petek ist langjähriger und regelmäßiger Teilnehmer der Montagsdemonstrationen und der Dienstagversammlungen am Bauzaun. Erst kürzlich wurde er mit einem dreimonatigen Aufenthaltsverbot für den Bereich der Zufahrt zur Baustelle belegt, obwohl er nur sein im Grundgesetz verankertes Recht auf Meinungsäußerung wahrgenommen hatte.

Die Anklage bezieht sich auf vier Sitzblockadeaktionen gegen den Abriss des Nordflügels im August/September 2010. Diese wurden von späteren Ermittlungen abgetrennt. Ernest, der aus der Arbeiter-/Gewerkschaftsbewegung kommt, erläuterte die Beweggründe seines Handelns: „Ich habe auch in meinem Berufsleben nie die Gosch gehalten, entsprechend auch keine Karriere gemacht, bin ein einfacher Mensch und mache das aus meiner Lebenserfahrung. Ich verstehe auch nicht, warum alles, was links ist, in Stuttgart so verteufelt wird."
Manchmal seien seine Vorschläge und Einwände abgelehnt, dann aber doch berücksichtigt und realisiert worden. Es lohne sich, hartnäckig zu sein und Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Tiefbahnhof, so führte er aus, sei nur im Interesse einer kleinen Politiker- und Managerkaste, viele davon Ex-Daimler-Leute, weiter betrieben worden.

Die Bahn, die das Projekt wegen fehlenden verkehrlichen Nutzens und fehlender Wirtschaftlichkeit bereits 1999 beendet hatte, hätte aus eigenen Stücken die weitere Planung nicht fortgesetzt. Der Abriss des Nordflügels wäre damals neben den politischen Gründen wie fehlender Brandschutz, Rückbau von Verkehrsinfrastruktur, Luftverpestung durch LW-Verkehr beim Bau von S21 und entstehendes Verkehrschaos, entstehende Schäden an Gebäuden durch den sich aufblähenden Anhydrid, Gefährdung des Mineralwassers, und ausufernde Kosten auch juristisch nicht in Ordnung gewesen, weil die Dübbers-Urheberrechtsklage noch anhängig war.

Die Nichtberücksichtigung des Artikels 20a des Grundgesetzes – Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – käme einer Verwahrlosung der Rechtsdeutung gleich. Der Macht müsse hier Grenzen gesetzt werden. Beim Aufmarsch der Polizei hätte es für ihn nur eine Möglichkeit gegeben, nämlich den Protest deutlich zu machen: Hinsetzen. Ansonsten wäre man ja ganz schnell einfach abgedrängt worden. Neben dem politischen Protest sei es auch darum gegangen, die zahlreichen Passanten auf das Unrecht aufmerksam machen und sie zum Mitmachen zu bewegen. Darüber, wie das Gericht die Handlungen bewerte, mache er sich keine Illusionen: „Momentan bin ich noch unbescholtener Bürger – heute Abend wohl nicht mehr.". Zum Tatnachweis waren fünf Lkw-Fahrer geladen. Einer, der einen Wohncontainer geladen hatte, sagte aus, die Polizei habe ihn wieder weggeschickt und aufgefordert, später wiederzukommen.

Die Staatsanwaltschaft schickte eine junge, recht unmotivierte und wenig engagiert wirkende Vertreterin. Diese hat dann referiert, die Aktionen gegen den Nordflügel-Abriss wären keine Versammlungen, sondern nur Verhinderungsblockaden und eine rechtliche Prüfung auf Versammlungscharakter damit unnötig. Holger Isabell Jänicke, der Rechtsbeistand des Angeklagten, stellte die Brokdorf- und Mutlangen-Verfassungsgerichtsurteile dagegen. Diese zeigen eindeutig auf, dass das Demonstrationsrecht als höheres Rechtsgut nicht einfach negiert werden darf. Das Mutlangen-Urteil hätte ausdrücklich das Stoppen von Fahrzeugen, auch in Form von Sitzblockaden, als demonstrative Handlung gewürdigt. Es läge in der Natur der Sache, dass Demonstrationen Behinderungen verursachen können, diese seien aber im Sinne des Rechts der Mitwirkung der Menschen im Versammlungsrecht abgedeckt. Herr Jänicke hatte in Mutlangen blockiert, ist verurteilt und auch im Gefängnis gewesen – und hat dann Haftentschädigung bekommen, weil das Urteil aufgehoben wurde.

Richterin Burkhard lehnte einen Beweisantrag der Verteidigung auf Ladung der für die Blockadeauflösung zuständigen Polizeiführer ab, mit dem bewiesen werden sollte, dass die Versammlungen nicht ordnungsgemäß aufgelöst wurden. Begründung: Es waren ja keine Versammlungen, sondern Verhinderungsblockaden.
Am Ende des Schlussworts des Angeklagten kam es noch zu einem musikalischen Statement, als er das Lied „He ho, leistet Widerstand – gegen das Milliardengrab im Land“ anstimmte und die anwesenden Zuhörer/-innen mit einstimmten. Das Urteil entsprach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft: 20 Tagessätze à 30.-Euro.

Das klingt wenig, ist aber vor dem Hintergrund der gegen Ernest noch ausstehenden Verfahren zu sehen. Die Richterin sagte in ihrer Urteilsbegründung, sie nähme doch einen Versammlungscharakter an, wegen der Regelmäßigkeit und der Intensität der Aktion entscheide sie aber auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Einspruch erhoben, so dass es im Landgericht zu einer neuen Verhandlung kommen wird.

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