Rede von Egon Hopfenzitz bei der 200. Montagsdemo

Rede von Egon Hopfenzitz, ehemaliger Bahnhofsvorsteher und Vertrauensperson des Bürgerbegehrens ‚Storno 21‘, auf der 200. Montagsdemo am 2.12.2013

Ihr lasst uns keine Wahl: Wir lassen nicht locker!

Wir feiern Jubiläum und Jubiläen sind meist etwas Schönes, etwas Feierliches, etwas zum Jubilieren.

Was feiern wir heute? Die 200. Demo vor dem Kopfbahnhof gegen

  • das unsinnige Immobilienprojekt Stuttgart 21
  • gegen den schmalbrüstigen Tiefbahnhof
  • gegen seine schiefen Bahnsteige
  • gegen den Abbruch des Nord- und Südflügels
  • gegen das Ausreißen unserer Parkbäume
  • gegen die blauen Rohre und das Grundwassermanagement
  • gegen die Gefährdung des Mineralwassers
  • gegen das unnötige Turmforum des Herrn Dietrich und gegen die Stadt, die dieses Projekt mit 400 000 € unterstützt.

 

Machen wir einen kurzen Ausflug zurück in die Geschichte unserer Demos, die ich mit einer Frage beginnen will: Wer von den hier Stehenden hat bislang an allen 200 Demos teilgenommen?

Keiner: Bravo! Ich stelle fest, hier gibt es kein Lügenpack!!

Ich selbst erinnere mich noch gerne an die ersten Demo-Anfänge vor dem Nordausgang unter den damals noch stehenden und heute ausgerissenen Bäumen.

Ab der 3. Demo im Jahr 2009 war ich dabei und es ging dort immer sehr familiär zu: Man kannte sich, man begrüßte sich, man freute sich und man hoffte, wie auch heute noch. Meine 1. Rede hielt ich auf einer wackeligen Holzkiste stehend mit dem Mikrofon in der Hand mit viel Begeisterung und mäßigem Beifall. Wir waren etwa 50 Personen und Gangolf Stocker – der treue Mitstreiter – war noch dabei.

Wir erlebten dort am 25. August 2010 den Abbruch des Nordflügels und wir waren am 3. Dezember am Südflügel, um den dortigen Abbruch zu verhindern.

Wir empörten uns 2010 beim sogenannten Prellbocklupf gegen die Diffamierung des Bonatzbaus durch hohe Herren aus Politik und Wirtschaft. So z.B.

  • Herr Oettinger, der den Kopfbahnhof einen Hüttenkruscht nannte
  • Herr Schuster: „Gleisgewurstel“
  • Herr Reisig von der SPD: „Schrotthaufen und Bonatzkiste“
  • Herr Grube, der seinen eigenen Bahnhof einen hässlichen Schandfleck nannte
  • Herr Drexler: „Gewürm aus Gleisen“
  • Herr Ingenhoven: „Hierher kommt meine Glaskathedrale“. Er hat wohl vergessen, dass in einer Kathedrale keine Züge fahren können
  • Herr Drexler war in Zürich und kam zurück mit der Aussage, dass in Zürich 6 Züge nebeneinander fahren könnten, in Stuttgart aber solche nur hintereinander und das bei 6 Einfahrgleisen in Stuttgart.

Keiner von denen kannte seinen Kopfbahnhof, der über insgesamt 65 Fahrstraßen verfügt, der neue Tiefbahnhof nur noch über 32, weniger als die Hälfte. Auch Herr Grube tönte – nachdem die Kosten auf 4,1 Mrd. € gestiegen waren – „er werde alles daransetzen, dass wir in diesem Rahmen bleiben“.

Demnach hat Herr Grube überhaupt nichts gemacht. Es ist aber jener Herr Grube, der heute die Sperrung von Bahnbrücken mangels Geldmittel ankündigt.

Dann tauchte das Wort vom ‚Herzinfarkt Europas‘ auf. Kein Wunder, dass dieser Infarkt droht, nachdem der Bahnhof der Landeshauptstadt nur noch 8 Gleise erhält, soviel wie in Cannstatt, Esslingen und 1 Gleis weniger als in Bietigheim, Plochingen, Aalen und Ulm.
Die CDU-geführte Regierung in Baden-Württemberg war von Anfang an gegen uns. Auf der Großdemo auf dem Schlossplatz vor der Wahl 2010 warben wir daher für die Abwahl von Ministerpräsident Mappus. Und wir hatten Erfolg: Zunächst bei der Abwahl von Herrn Mappus. Dann von OB Schuster. Und dann kam tatsächlich der grüne Herr Kretschmann mit unserer Hilfe ans Ruder und bald darauf hat ein Stuttgarter Bürger vor dem Neuen Schloss einen Schuh nach ihm geworfen. Meiner Meinung nach zurecht!

Wir demonstrierten im November 2011 für die Volksabstimmung, und die ging nach der von Herrn Kretschmann mit der SPD abgeschlossenen Koalitionsvereinbarung für uns verloren, weil sie falsche Baukosten und falsche Ausstiegskosten nannte und weil niemand darauf hinwies, dass mit unserem Konzept K21 der Fildertunnel und damit die Schnellfahrstrecke nach Ulm verbunden waren. Damit wären die meisten der heute erforderlichen 60 km Tunnel unter Stuttgart vermeidbar geworden, und Untertürkheim und Wangen und die Bewohner des Kernerviertels und des Killesbergs bräuchten keine Schäden an ihren Häusern befürchten und müssten sich nicht wegen lächerlichen Entschädigungskosten mit dem Regierungspräsidium herumschlagen
Zu dieser Volksabstimmung frage ich mich heute noch, warum die Bürger z.B. von Südbaden, vom Bodensee, vom Härtsfeld und vom Nordschwarzwald über den Finanzierungsvertrag und damit über Stuttgart 21 und den Stuttgart Hauptbahnhof abstimmen durften. Über den über eine Million teuren Nationalpark im Nordschwarzwald durfte ich jedoch nicht abstimmen. Wo bleibt hier die Gleichberechtigung der Landesbürger? Auch wir wollen dort mitentscheiden!

Ein positives Ergebnis unserer bislang 200 Demos sehe ich im angelaufenen 3. und 4. Bürgerbegehren gegen die Finanzierungs- und die Leistungslüge von S21. Diese Begehren sind absolut wichtig. Wir dürfen in dieser Sache nicht nachlassen, wir müssen dafür werben, mithelfen und Unterschriften sammeln, denn wir Stuttgarter wissen inzwischen allzu gut, wohin der Spruch führt: „Investoren bauen auf Betongold“.

Ich habe Sie nun im Galopp durch die Geschichte der Demos zu S21 geführt. Sicher ist für mich, dass wir weiter demonstrieren müssen und werden. Vielleicht auch wieder beim Nordausgang,  wo unsere Wurzeln liegen. Ihr lasst uns keine Wahl und wir lassen nicht locker. Wir geben nicht auf, wir demonstrieren weiter, denn wir wollen in Stuttgart nicht untergehen. Wir ballen die Faust, den Daumen nach oben, denn wir wollen obenbleiben!

Redetext als PDF-Datei

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