Die Stadtbahn fährt ins Chaos – ein Bericht der „SeniorInnen gegen S21“

Für unsere Stadtbahn!Seit drei Wochen haben es sich die SeniorInnen gegen S21 zur Aufgabe gemacht, jeden Dienstag nach ihrem Treffen gemeinsam am Hauptbahnhof an der U-Bahn-Haltestelle die Informations-Flyer „Die Stadtbahn fährt ins Chaos“ an SSB-Kunden zu verteilen. Hier ihr Bericht:

„Bei unserer ersten Verteilaktion wurden wir schon nach kurzer Zeit vom Bahn-Aufsichtspersonal angesprochen und es wurde uns strikt verboten, die Flyer zu verteilen. Auch die herbeigerufenen Polizisten machten sich die Sache des SSB-Aufsichtspersonals zueigen, forderten die sofortige Einstellung dieser Verteilungsaktion, machten Ausweiskontrolle und nahmen ein Mitglied unserer Gruppe fest und brachten es in die Hahnemannstraße, um ihm dann dort einen Platzverweis zu erteilen. Dem Hinweis auf das Fraport-Urteil wurde keine Beachtung geschenkt, sondern explizit auf das Hausrecht der SSB hingewiesen.

Aufregung_bei_der_Verteilaktion

Aufgrund dieses Vorkommens beschlossen wir, künftig bei den Aktionen beieinander zu bleiben und das Verteilen zu beobachten, um im Notfall gleich präsent und vor allem auch Zeugen bei irgendwelchen dubiosen Maßnahmen seitens der Polizei oder des SSB-Aufsichtspersonals zu sein. Gesagt und getan: Gemeinsam starteten wir also ein zweites Mal nach unserem dienstäglichen Treffen unsere Aktion an der U-Bahn-Haltestelle am Hauptbahnhof. Erfreulicherweise interessierten sich wiederum sehr viele Fahrgäste für den Flyer, stellen Fragen zur beabsichtigten Verschlechterung bzw. dem Wegfall der Haltestelle „Staatsgalerie“, aber es dauerte nicht lange, bis eine männliche SSB-Aufsichtsperson auftauchte und uns strikt die Verteilung der Flyer verbot mit dem Hinweis, sonst sofort die Polizei zu rufen.

Das war uns natürlich gerade recht, da wir annahmen, dass auch die Polizisten bzw. ihre Vorgesetzten inzwischen die Rechtslage zur Kenntnis genommen und entsprechende Anweisungen gegeben hatten (auch hatte Günther, einer unserer „Mitsen“, zwischenzeitlich ein dementsprechendes Schreiben an die Polizeibehörde gesandt). Aber genau das Gegenteil passsierte jetzt: Auf den Hinweis des Fraport-Urteils antwortete die Polizistin drohend: „Sie wollen mich wohl belehren?“ und weiter: „Dieser Mist, interessiert mich nicht!“. Sie zogen das Flyer-Material ein, wollten sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen. Da wir aber immer wieder auf das Urteil hinwiesen und einfach nicht locker ließen, nahm die Polizistin dann doch Kontakt mit ihrem Vorgesetzten auf, um dann zu verkünden, dass das Verteilen doch erlaubt sei und wir erhielten unsere Flyer wieder.

Polizeikontrolle_der_SeniorInnen

Die ganze Aktion hatte für großen Wirbel am Bahnsteig gesorgt. Viele SSB-Kund(inn)en verfolgten kopfschüttelnd die Haltung der Polizei und die der Aufsichtsperson. Eine Dame kam sogar auf uns zu und erbat sich einen kleinen Stapel der Flyer, damit sie diese bei ihren Kolleg(inn)en verteilen könnte; außerdem sei sie sofort bereit, als Zeugin aufzutreten, falls dies notwendig werden sollte.

Als wir dann in der darauffolgenden Woche das dritte Mal die Flyeraktion starteten und das anscheinend unbelehrbare Aufsichtspersonal wieder die Polizei holen wollte, geschah ein kleines Wunder: Die Polizei belehrte diesmal das Aufsichtspersonal über die Sachlage und kleinlaut wurde vom SSB-Personal konstatiert, dies nunmehr mit der Rechtsabteilung der SSB abklären zu wollen.

Auch nach Ostern wollen die SeniorInnen gegen S21 mit ihrer Aktion weitermachen. „Das große Interesse der SSB-Kunden hat uns zum Weitermachen Mut gemacht und uns in unseren Vorhaben bestärkt“, meinten die Mitsen. Glückwunsch und weiter so! kann man da nur sagen und hoffen, dass noch mehr S21-Gegner beim Verteilen helfen werden. Diese Aktion ist übrigens nicht die einzige Aktion der Gruppe der SeniorInnen gegen S21: Jeden Freitag wird im Rathaus gegen die einseitige Information bei der S21-Ausstellung im Rathaus-Foyer protestiert.

Blog der SeniorInnen gegen S21: Der Ältestenrat

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14 Antworten zu Die Stadtbahn fährt ins Chaos – ein Bericht der „SeniorInnen gegen S21“

  1. Renate Rüter sagt:

    Liebe MitSen,

    Ihr seid so unglaublich gut!!!!! Meine große Hochachtung, Bewunderung und Anerkennung habt Ihr.

    Liebe Grüße von der Ex-MitSen Renate

  2. Krimi sagt:

    Supergroßeklasse!!! Danke für Mut und Durchhalten.

    • beate würtele sagt:

      Auch ich habe so großen Respekt und Bewunderung für Euer Durchhaltevermögen,Euren Mut und Ideen, die Ihr laufend umsetzt.
      Was wäre der Einsatz für den Kopfbahnhof, für Demokratie …ohne Euch lebenserfahrene Senior/innen ?
      Herzlichen Dank , Beate

  3. Heike sagt:

    Klasse! Danke Euch!
    Habt Ihr Lust auch noch beim Unterschriftensammeln für die beiden BBs zu helfen? Die Ing22 haben dafür einen Stand angemeldet, jeden Samstag von 8 – 14 Uhr auf dem Marktplatz (Ecke Schulstraße/Hirschstraße) und suchen noch Mitmacher.

  4. Andi sagt:

    Danke für Euren Mut und Euer tolles Engagement, bitte macht weiter so!
    An diesen Vorfällen kann man deutlich erkennen welche Strategie die Verantwortlichen fahren. Wider besseren Wissens werden anständige Menschen beim legalen verteilen von Flyern erst einmal angepöbelt und eingeschüchtert, mit der Hoffnung, das legale verteilen zu unterbinden, weil es den Verantwortlichen ein Dorn im Auge ist! Anstatt all Ihr Personal – egal ob SSB oder Polizei – darauf hinzuweisen das verteilen von Flyern zuzulassen! Das ist eines Rechtsstaates unwürdig!

  5. Petra B. sagt:

    Spontane Gedanken: „Ist nicht wahr!“ (gefährliche Ignoranz des SSB-Personals) und: „Ihr seid zum Niederknien!“ (Aktionen der Senior(inn)en am Bahnhof und im Rathaus.)In einem Gerichtsprozess sagte ein LKW-Fahrer:“ Da standen alte Leute mit Rucksäcken am Bautor“. Ja, genau so sind sie: Einfach supertoll! Sie sind da, wo gerade in Stuttgart die (Trauer)Musik spielt. Danke!

  6. Wolf gegen S21 -Parkschützer sagt:

    Sehr gut – und große Anerkennung für Mut und Durchhaltevermögen. Eure Erfahrungen müssen breit bekannt gemacht werden. Vor allem in Schulen und Universitäten (Sozialkunde, Juristerei). Ist es nicht erschütternd, wie undemokratisch gegen uns vorgegangen wird: Einschüchterung und Kriminalisierung, obwohl wir sogar erstaunlicherweise juristisch im Recht sind. Oben bleiben und nicht aufgeben – immer weiter machen. Gemeinsam werden wir es schaffen und einestages einen schönen Kopfbahnhof einweihen.

  7. Jens Niemeyer sagt:

    Ich ziehe den Hut!!! Das ist vorbildliche Zivilcourage!!

  8. thomas A sagt:

    Kleiner Erfolg – gewaltige Symbolik. Danke im Namen des Grundgesetzes, der Demokratie, des Rechtstaates, dessen höchstem Gericht… Gerne würde ich die Tagesformulierung des Staatsschutzes lesen…wer wurde wie von wem beschützt. Gab es noch Kommentare von der Polizei über das Durchsetzen einer falschen Rechtsposition zum Nachteil der S21-Gegner beim ersten Mal ?

  9. Nina sagt:

    So kennen wir unsere „Alten“:-)
    Danke für die Aktion und dem Beharren auf das Recht.Diese Situationen erinnern mich immer an den Spruch:
    „Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht“.
    (Kurt Tucholsky)

    Was ich Schlimm finde,ist die Aussage der Polizistin: „Sie wollen mich wohl belehren?“ und weiter: „Dieser Mist, interessiert mich nicht!“.
    Aha-ein Bundesverfassungsgerichtsurteil ist also Mist,der nicht interessiert? Seltsame Auffassung für Ordnungshüter.
    Erleben wir hier leider laufend,dass Bundesverfassungsgerichtsurteile nicht interessieren-aber uns dafür umso mehr!
    Das ist übrigens u.a. auch Thema bei der kommenden Demo: Schon mal vormerken:
    17.Mai in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht. Treffpunkt ab 11:00 vor dem Bahnhof Karlsruhe.
    Redner u.a. Dieter Reicherter, Elke Steven vom Grundrechtekomitee und Jürgen Roth, Schriftsteller und Journalist.
    Flyer mit näheren Informationen kommt noch:-)

  10. M.G.-B. sagt:

    Ach ist das super! Solche Eigentore von SSB u. Polizei – dazu noch vor der Kulisse der Fahrgäste! Bravo!!! Ich freue mich mit u. über euch! Das macht uns allen neuen Mut. OBEN BLEIBEN!

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