„Frühstück“ im Nordbahnhofviertel am Dienstag, 28. April 2015

Juristisch gesehen ist der Protest gegen „Stuttgart 21“, der sich jeden Dienstagmorgen am Bauzaun artikuliert, eine Versammlung lt. Artikel 8 des Grundgesetzes. Und so wird er auch von der Polizei bewertet. („Inzwischen“ – muss man hinzufügen, denn es war nicht immer so.) So sprach auch am Dienstag, 28. April, der polizeiliche Einsatzleiter von einer Versammlung, als er nämlich die „Versammlungsteilnehmer“ bat, ihren Versammlungsort vom Zebrastreifen weg auf den Gehweg zu verlegen.
Laut Aktionskonsens der Parkschützer ist die Polizei weder Kontrahent noch Gegner und schon gar nicht Feind, sondern dafür da, eine Versammlung zu schützen und gleichzeitig die Sicherheit aller Beteiligten zu garantieren.
Bei der sachlich geführten Diskussion auf dem blockierten Zebrastreifen am Dienstag hörten die Polizisten aufmerksam zu. Was hatte die Protestler gegen S21 auf die Straße gebracht? Diesmal war es das Nordbahnhofviertel, wo der Protest deutlich wurde, und zwar an der Otto-Umfrid-Straße neben der Martinskirche, gegenüber dem „Infoladen S21“, in dem „neutral und sachlich“ über das Bauvorhaben in Stuttgart-Nord informiert werden soll (geöffnet Mi-Nachmittag, So-Vormittag). Der Ort - alternativ zum Südflügel, wo ansonsten das „Frühstück am Bauzaun“ statt findet – war gut gewählt, denn entgegen den Vorgaben und Beteuerungen der DB AG, dass die Baustellen-LKWs die Logistikstraße benutzen, wurde den Demonstranten vor Augen geführt, wie „bereitwillig“ sich die Baufirmen an diese Bestimmung halten.

Und nicht nur das: Am Eingang der Otto-Umfrid-Straße steht das Verkehrsschild „Verbot für Fahrzeuge aller Art“, allerdings mit dem Zusatz „Anlieger frei“. Anlieger sind nicht nur Bürger, die dort wohnen, sondern alle Menschen, die ein „Anliegen“ haben. S21-Baufahrzeuge haben das Anliegen, die Baustelle zu bedienen. Jedoch gibt es für sie die Baulogistikstraße, um die Anwohner im Nordbahnhofviertel vor Lärm, Staub und Schmutz zu schützen und den durch S21 geplagten Menschen so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich zu bereiten. Dies wird ja auch gebetsmühlenartig von der DB AG, der Bürgerbeauftragten und dem Projektbeauftragten pressewirksam kommuniziert. Sprechblasen, leider. Die am Bürgerdialog interessierten S21-Protagonisten sollten sich einmal an einem Dienstagmorgen unter die Protestierenden begeben und mit ihnen zusammen den Baustellenverkehr beobachten, der munter durch die Otto-Umfrid-Straße rollt.

Als die Polizei nach einer halben Stunde Blockade erschien und nach der (s.o.) Diskussion auch feststellte, dass die LKWs die Logistikstraße zu befahren haben, wurde jeder einzelne LKW-Fahrer angesprochen und zum Wenden aufgefordert. Es war keiner dabei, der stehen blieb, weil er sich außerstande sah, einen anderen Weg einzuschlagen. Also ging es doch.

Es ist nicht das Anliegen der Demonstranten am Dienstagmorgen, Baustellenfahrzeugen die Einhaltung der Verkehrsregeln beizubringen, dafür ist die Polizei da (so sie denn willens ist und genug Personal hat). Es ist vielmehr das Ziel des Protests darauf hinzuweisen, dass Stuttgart 21 ein Projekt ist, das gegen Menschen und Natur gerichtet ist und deshalb gestoppt werden muss. Lärmreduzierung, Feinstaubmessungen (für was, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden), Verpflanzung von Bäumen (lt. Schlichterspruch sollten sogar Bäume verschoben werden), Reifenwaschanlegen an Baustellenausfahrten, LKW-Sonntagsfahrverbot in Wohngebieten, LKW-Piepsverbot, … alles Schönfärberei und Augenwischerei für eine Bevölkerung, von der man glaubt, dass sie sich mit dem neuen Bahnhof abgefunden hat. Als Trostpflaster werden nun Indoor-Shopping-Welten errichtet, damit man das Elend außerhalb nicht sieht.

Wer jedoch seinen Protest auf die Straße bringen und gegen die Stadt- und Naturzerstörung aufstehen will, der kann – nach der Kundgebung und dem Demozug an jedem Montagabend - sich an jedem Dienstagmorgen am „Frühstück am Bauzaun“ beteiligen und friedlich, aber bestimmt, seinen Protest vorbringen.

So wie es am 28. April geschah, als etwa 15 Demonstranten im Nordbahnhofviertel ein Zeichen gegen Baufahrzeuge und somit gegen S21 setzten.

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