Termin: Verhandlung von Wolfgang Sternstein am Landgericht

Die Verhandlung von und mit Wolfgang Sternstein am Landgericht Stuttgart beginnt am 22. Juni 2015,
9 Uhr, Saal 3, EG des Landgerichts Stuttgart, Olgastr. 2 , 70182 Stuttgart
Dazu schreibt er:
In erster Instanz wurde ich wegen 7 Blockaden zu 1.400 € Geldstrafe verurteilt (40 Tagessätze)
Mein Anwalt ist Eisenhart von Loeper.
Ich halte die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Nötigungsparagrafen, soweit sie die sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung betrifft, für widersprüchlich, inkonsistent, verfassungswidrig und geradezu absurd. Ich werde versuchen, die Kammer zu einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht zu bewegen, um diese Rechtsfrage zu klären.
 
Zunächst ein kurzer Rückblick auf die Geschichte dieser Rechtsprechung:
Im Jahr 1969 hat der der BGH geurteilt, dass ein Sitzprotest gegen die Erhöhung der Straßenbahnfahrpreise in Köln die Tatbestandsmerkmale Gewalt (der Fahrzeugführer wird durch psychischen Zwang zum Anhalten veranlasst) und der Verwerflichkeit erfüllt (weil die Gewaltanwendung zugleich die Verwerflichkeit einschließt). Die Täter seien daher wegen Nötigung zu verurteilen. Nach dieser Rechtsprechung wurden Tausende Bürgerinnen und Bürger, die aus Protest gegen die "Nachrüstung" die Zufahrtsstraße zum Atomwaffenlager Mutlangen blockierten, wegen Nötigung verurteilt.
 
Gegen diese Verurteilungen regte sich Widerstand, der in Form von Verfassungsbeschwerden vor das Bundesverfassungsgericht getragen wurde. Vier Beschwerden wurden bei Stimmengleichheit vom 1. Senat abgelehnt. Bei der fünften Beschwerde änderte sich das, weil Jutta Limbach in den Senat gewählt worden war. Das Bundesverfassungsgericht entschied 1995 mit einem Stimmenverhältnis von 5:3, dass  Blockaden vor Raketenstandorten aus Protest gegen die Nachrüstung keine Straftat nach § 240 StGB seien, weil die Tatbestandsmerkmale des Nötigungsparagrafen nicht erfüllt seien.
Daraufhin mussten sämtliche Strafverfahren in dieser Sache revidiert werden. Die Geldstrafen wurden erstattet und die Verfahrenskosten von der Staatskasse übernommen. Ich habe von dieser Revision damals auch profitiert, denn ich erhielt Haftentschädigung, da ich meine Strafen "abgesessen" hatte.
Es scheint, als hätte sich der Bundesgerichtshof mit diesem Beschluss nicht abfinden können. Er hat daher als Kompromissangebot an das Bundesverfassungsgericht die sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung erfunden, die eine Kombination aus der Rechtsprechung der beiden Höchstgerichte darstellt: Wird ein Fahrzeuglenker von Blockiererinnen an der Einfahrt in die Baustelle gehindert, so wird er nicht genötigt (Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Werden jedoch nachfolgende Fahrzeuglenker in der Kolonne durch Blockierer an der Einfahrt gehindert, so werden sie genötigt, weil die Blockierer das Fahrzeug des ersten Fahrzeuglenkers dazu benutzen, die nachfolgenden Fahrzeuglenker mit verwerflicher Gewaltanwendung am Fortkommen zu hindern.
Das ist in meinen Augen eine kabarettreife Nummer, aber es ist geltende Rechtsprechung, denn das Bundesverfassungsgericht scheint bei einer erneuten Beschwerde diese Rechtsprechung abgesegnet zu haben. (Ich kenne den Beschluss noch nicht, werde mir aber sobald wie möglich den Text besorgen.) Ich habe für diese absurde Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine Erklärung: Obwohl das Bundesverfassungsgericht in der Hierarchie der Gerichte eindeutig über dem Bundesgerichtshof steht (wenn es um Verfassungsfragen geht), hat es die "Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs offenbar anerkannt nach der Devise: Eine juristische Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Sollte die Kammer meinen Antrag auf eine Richtervorlage ablehnen, müsste ich sie eigentlich bitten, mich zu verurteilen, damit ich den Instanzenweg weitergehen kann. Ob ich das wirklich tun will, ist freilich noch offen, da das mit erheblichem Aufwand an Zeit und eventuell auch an Geld verbunden wäre.  
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2 Antworten zu Termin: Verhandlung von Wolfgang Sternstein am Landgericht

  1. thomas a sagt:

    In der Regel wurde nur das Autofahren, jedoch nicht das weiterkommen verhindert. Es gab am ehemaligen ZOBbereich einen Nebeneingang. An der Blockadestelle waren mehrfach kfz geparkt.
    Der zusatzliche fussweg war kleiner als der laengere Weg jetzt auf die Bahnsteige.

  2. K. Neumann sagt:

    Das ist er springende Punkt
    „Ich werde versuchen, die Kammer zu einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht zu bewegen, um diese Rechtsfrage zu klären.“

    Die werden sich aus der widersprüchlichen Rechtssprechung raussuchen, was ihnen beliebt bzw. was sie für die eigene Karriere für opportun halten. Es ist aussichtslos. Während die RichterInnen für ihr festes monatliches Salär in Ruhe ihren Hintern im Sessel platt drücken und alles aussitzen können wegen ihrer richterlichen Unabhängigkeit, können die in allen Dingen den Bürger durch den aufgezwungenen Marsch durch die Gerichtsinstanzen und Streitwerterecht einfach „erledigen“. Ein Verweis wie hier auf höhere Rechtsnormen und auch eine aktuell höhere Rechtssprechung und gar Widersprüchen in dieser wie hier bleibt erfolglos. Ich habe das gerade in meiner Sache „Haushaltsabgabe“ durch die Amtsrichterin Vogel des Amtsgerichts Esslingen erfahren müssen, die mit einer mir um die Ohren geschlagenen Litanei aus den Paragraphen der ZPO das Argument des Tübinger Landgerichtsurteils vom Januar des Jahres in der Sache einfach weggewischt hat, was sie natürlich darf aber unredlich ist.

    Man kann auch auf diese Weise unwerte Existenzen vernichten, nicht wahr, oder dabei helfen. Daher bitte immer die Namen unserer unabhängigen Richter in die Öffentlichkeit ziehen samt ihren Urteilen, so dass man einen Überblick bekommen kann, wer was wie und wie die Sache für einen selber ausgehen wird, wenn man mit diesen Leuten einmal zu tun bekommt. Wir haben keine andere Möglichkeit der Gegenwehr als den objektiv beschreibenden Pranger im Netz. Denn heute gilt mehr als je zuvor: „res publica res populi“ in Anlehnung an Schachtschneiders ideale Sicht der Dinge, wie sie in einer Demokratie und auch deren Rechtssprechung eigentlich liegen sollten und vor allem bei uns könnten, sofern ein Rest von menschlicher Bildung und Charakter in der theutschen Rechtspflege vorhanden wären.

    Ich halte es im Übrigen inzwischen für einen der schwersten Geburtsfehler des Rechtsstaates, dass wir Staatsanwaltschaften haben, die weisungsgebunden arbeiten, dafür aber nicht vom Bürger als Korrektur belangt werden können, wenn eine offene Straftat in Form einer passiven oder aktiven Mithilfe zu einer Straftat bei dieser vorliegt, indem man mit vielen Mitteln die Verfolgung einer Straftat niederschlagen kann. 1. Und 2. dass Richter, die offen gegen geltende Rechtsnormen verstossen und damit auch politisch bewusst arbeiten und Partei nehmen, nicht vom Volk abgewählt werden können. Diese für eine Demokratie unheilsame Verwaltungskombination von Strafverfolgung und Rechtssprechung für die Rechtspflege müsste für die Wahrung des sozialen Friedens abgeschafft werden, wird die Politik aber nicht freiwillig aus der Hand geben.

    Fazit: Es gibt durchaus Richter, die solche Dinge wie den geschilderten Fall hier sofort nach Karlsruhe durchreichen würden. Aber solches ist in Stuttgart nicht zu erwarten. Man arbeitet in Stuttgart den Kläger zermürbend effizient. Siehe Ausführungen oben.

    Es ist einfach nichts zu machen ausser im Moment die bösen Dinge zu transzendieren.

    Vielleicht ist es so, wie einige böse Zungen sagen: es kommen Dinge auf uns zu, die nur die überleben werden, die Schutz haben oder sehr gesund sind. Der real existierende Rechtsschutz dieses Staates für seine Bürger kann dabei wohl mit „Schutz“ nicht gemeint sein.

    Das ist allerdings wie eine Vertröstung auf ein besseres Jenseits, dass man sich unter den heutigen Umständen nur noch herbei sehnen kann.

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