Das Recht auf Recht: Recht haben – aber auch Recht bekommen?

Rede von Jürgen Klaffke, Kaktus-Initiative in der IHK Stuttgart, auf der 498. Montagsdemo am 20.1.2020

Liebe Unverzagte,

die Ihr in Sachen Kopfbahnhof Recht habt und doch (noch) nicht Recht bekommt – was Euch aber nicht daran hindert, mutig und entschlossen den Finger in diese große Wunde der Stadt Stuttgart zu legen. Für eine bessere Stadt, für eine lebenswertere Stadt!

Eigentlich müssten wir schon längst Recht bekommen mit unserer Forderung nach Umstieg 21! Werner Sauerborn hat in seinem letzten Rundbrief wieder in exzellenter Weise auf die zahlreichen Gründe für den Umstieg 21 hingewiesen.

Aber mit dem Recht bekommen ist es so eine Sache: Fakten werden in schon unverschämter Weise von den Befürwortern ignoriert oder geleugnet, Klagen gegen die Macher von S21 werden von den Gerichten gar nicht angenommen oder niedergeschlagen. Obwohl die Faktenlage eindeutig ist. Sogar der Bundesrechnungshof findet bislang nicht so richtig Gehör.

Da taucht schon die Frage auf, wer regiert eigentlich unser Land? Aber jetzt bitte nicht verzagen! Meine 95jährige Mutter pflegt in solchen Situationen zwar immer zu sagen: „Geld regiert die Welt, das war schon immer so und das wird auch so bleiben.“ Und wenn ich dann widerspreche, sagt sie: „Meinst Du?“ Das zeigt, dass sie das eigentlich nicht so sehen möchte.

Ja, ich meine!

Denn es ist unser Optimismus für unsere Sache, unser ständiges Eintreten für Transparenz, das unseren Gegnern Probleme bereitet und letztendlich ihren Durchmarsch verhindert. Und das wissen sie auch. Und es sind unsere Gegner. Ein Herr Scheuer ist nicht ein Verkehrsminister, der unsere Interessen vertritt, auch ein Herr Pofalla zählt zu dieser Gruppe hochrangiger Wahrheitsjongleure! Übrigens, ich habe das Gefühl, Markus Söder – der aus Bayern – meinte, als er über Veränderungen in der Ministerriege der GroKo sprach, auch den neben ihm stehenden Scheuer.

Denn das kennen wir ja aus der Welt des Kapitals und der großen Politik: wer heute gelobt wird, dem Freundlichkeit entgegenschlägt, muss befürchten, morgen schon nicht mehr dabei sein zu dürfen! Ihre Furcht – unsere Hoffnung!

Und wie fühlt sich dann ein grüner Verkehrsminister in Baden-Württemberg – und vor allen Dingen, was denkt er sich, er, der einem hochrangigem Mitarbeiter die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion zum Deutschlandtakt und S21 genehmigt und dann von der DB zurückgepfiffen wird. Natürlich freundlich und wohlfein begründet, aber in der Sache eindeutig: der Minister zieht seine Zusage zurück. Ja, die Freundlichkeit der DB: wie war das noch; heute noch gelobt, doch morgen schon...

Also, es bleibt spannend und wir sollten unseren guten Mut und Optimismus nicht verlieren, denn es besteht immer die Chance, nicht nur Recht zu haben, sondern auch Recht zu bekommen. Was bei Stuttgart 21 den Umstieg 21 bedeutet!

Dennoch: Es bleibt die Frage nach dem Grund für dieses Handeln des Kapitals und ihrer Vertreter in der Politik. Und ihr ständiges Bestreben, anderen das Recht auf das Recht zu verweigern. Denn es geht ja nicht nur um das Recht bei Gerichten, sondern auch um die grundlegenden Rechte – die z.B. im Grundgesetz verankert sind – wie das Recht auf Meinungsfreiheit.

Und bei der Beantwortung dieser Frage ist uns mal wieder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts behilflich: Die IHK Region Stuttgart. Deren Hauptgeschäftsführer gern erklärt, er sei nur Diener des Ehrenamts, und deren Präsidentin angetreten ist, Brücken zu schlagen und auf alle Gruppierungen zuzugehen.

Und die Realität?

Am 26. November 2019 hatten wir in einer kleinen Aktion vor der IHK in der Jägerstraße 30 mit Unterstützung eines Beamers auf die Mittelverschwendung der IHK aufmerksam gemacht. Unter anderem mit einem an die IHK projiziertem Spruch: „Ehrbare Kaufleute oder Rechtsbrecher – Sie haben die Wahl.“ Und den Begriff „Rechtsbrecher“ hatten wir bewusst gewählt. Denn im Präsidium der IHK sitzen Vertreter von Firmen, die in den letzten Jahren über zwei Milliarden Euro an Strafen und Vergleichszahlungen gezahlt haben für illegale Preisabsprachen, Kartellverstöße und ähnliches (u.a. Bosch, Eberspächer, Daimler).

Der IHK gefiel das gar nicht – nicht das mit dem Treiben der Konzerne. Natürlich störte sie sich daran, dass die Kaktus-Initiative diese Vorgänge benannte und dann noch so treffend!

Nun hätte sie uns anschreiben können, um ihren Unwillen zu bekunden. Denn immerhin sind die Mitglieder der Kaktus-Initiative gleichberechtigte Vertreter in der IHK-Vollversammlung wie die Vertreter der Industrie. Aber nein: sie ließ über eine Hamburger Anwaltskanzlei an ein Mitglied der Kaktus-Initiative mit Datum vom 6. Dezember eine strafbewehrte Unterlassungserklärung schicken. Und das deshalb, weil dieses Mitglied als Mitverantwortlicher unserer Facebook-Seite ein Foto mit eben diesem Spruch veröffentlicht hatte: Streitwert 60.000,00 Euro. Damit landet das Verfahren bei Nichterklärung vor dem Landgericht. Dort ist Anwaltszwang.

Unser Mitglied hat natürlich nicht unterschrieben. Und so folgte mit Datum vom 13. Dezember ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Antrag an das Landgericht mit sofortigem Erlass ohne mündliche Verhandlung. Jetziger Gegenstandswert 20.000,00 Euro, bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von höchstens 250.000,00 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Und das alles für die Veröffentlichung eines Fotos, das mittlerweile u.a. auch in den Stuttgarter Zeitungen veröffentlicht wurde.

Verantwortlich für diesen Vorgang ist Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart. Und der mit diesem Verhalten nahtlos anknüpft an seinen Vorgänger. Was haben wir bei seiner Wahl, die wir nicht gewollt hatten, gesagt: Herr Schmalzl muss seinen Worten Taten folgen lassen. Und nichts Neues kam. Alter Wein, wenn auch in neuen Schläuchen.

Und finanziert wird das Ganze mit den Zwangsbeiträgen aller Mitglieder. So finanziert letztendlich das beklagte Mitglied der Kaktus-Initiative mit seinen IHK-Zwangsbeiträgen die Klage gegen ihn selbst mit. Reichlich absurd!

Stand der Dinge: Das Landgericht Stuttgart folgte dem Antrag der Hamburger Kanzlei erstmal nicht und setzte eine mündliche Verhandlung an. Diese findet kommenden Donnerstag, den 23.1.2020 um 9:00 Uhr im Sitzungssaal 155 des Landgerichts in der Urbanstraße 20 statt. Ihr seid herzlich eingeladen!

Und unsere Chancen? Sie werden gut eingeschätzt. Zwar ist es immer schwierig, bei Gericht etwas vorherzusagen, aber Juristen sagen, mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung kommt die IHK nicht durch. Also alles gut? Nicht wirklich. Denn es bleibt die Frage: Warum geht die IHK den Klageweg? Warum sucht sie nicht das Gespräch, wenn sie es denn für nötig hält? Wir haben da einen Verdacht: Dieses Jahr werden die Vertreter der IHK-Vollversammlung neu gewählt. Und da gilt es offensichtlich für die Führung der IHK, die Kaktus-Initiative mit ihren jetzt 34 Sitzen zu schwächen und auf jeden Fall eine weitere Stärkung zu verhindern – koste es, was es wolle. (Es sind ja eh nur Zwangsmitgliedsbeiträge.)

Was, wenn es der IHK gar nicht darum geht, dieses Verfahren zu gewinnen, sondern es benutzt, um ein Signal auszusenden: Liebe Kaktus-Initiative, wenn ihr nicht aufhört mit eurem Transparenzgedöns, dann kommt es euch teuer zu stehen. Denn selbst, wenn vor dem Landgericht ein Verfahren gewonnen wird, kann das sehr teuer werden, denn erstattet werden nur die festgesetzten Verfahrensgebühren. Alles andere bleibt eigenes finanzielles Risiko.

Und so eine Klage macht auch nicht immer guten Eindruck auf (potentielle) Kunden. Also nicht nur ein finanzielles Risiko, sondern auch ein unternehmerisches.

Was also, wenn diese Klage als Drohung zu verstehen ist, als einen Angriff auf die unternehmerische Existenz? Wenn sie denn rein juristisch fragwürdig zu sein scheint. Eine berechtigte Frage? Drohung statt Diskussion? Existenzängste schüren? Einschüchterungsversuche?

Alles Fragen, die aber Sinn machen und die naheliegen, wenn wir uns die Vorgehensweise der DB, einzelner Konzerne im allgemeinen und bei S21 im Besonderen und der IHK Region Stuttgart in diesem Verfahren anschauen. Und das wäre dann die Bedrohung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und das Recht sich zu wehren.

Also was tun?

Nehmen wir diese Fragen ernst und ziehen die richtige Konsequenz: klug weitermachen! Besonnen handeln, nicht einschüchtern lassen und deutlich machen: Was ihr auch vorhabt, wir hinterfragen es, wir machen es öffentlich, wir schaffen Transparenz. Die Fragen zeigen auf, wie sehr sie getroffen sind und wie ernst sie uns nehmen.

Und eines ist auch klar: für unsere Rechte müssen wir eintreten, andere haben daran kein Interesse.

Also machen wir weiter und bleiben oben. Denn da ist die beste Übersicht!

Vielen Dank!

 

Ein kleiner Nachtrag:

Die Gemeinnützigkeit vieler Organisationen ist gerade in Gefahr. Geregelt wird die Gemeinnützigkeit in § 52 der Abgabenordnung (AO). 25 Tätigkeitsbereiche sind abschließend aufgezählt.

Frage: Wieso fallen die Förderung von Brauchtum, Heimatkunde, Reservistenbetreuung, Hundesport unter die Gemeinnützigkeit, aber die Förderung von Klimaschutz, Menschen- und Bürgerrechten nicht? Und hat das irgendwie auch mit unseren Fragen zu S21 und das Recht auf Recht zu tun?

Es wird immer wichtiger, oben zu bleiben!

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