Verschärfung des Polizeigesetzes in Baden-Württemberg

Rede von Alexander Kleiß, Politikwissenschaftler, Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen, auf der 498. Montagsdemo am 20.1.2020

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Passantinnen und Passanten,

wir alle erinnern uns noch gut an die traumatischen Bilder und Erlebnisse des Schwarzen Donnerstags vor gut zehn Jahren: an eine Polizei, die mit brutalsten Mitteln eine autoritäre Politik durchprügelte. Die Grünen traten zur Wahl 2011 mit dem Versprechen an, eine Kennzeichnungspflicht für die Polizei einzuführen – passiert ist seitdem nichts dergleichen. Stattdessen werden die Polizeigesetze in ganz Deutschland massiv verschärft. Diese bundesweiten Verschärfungen der Polizeigesetze sind auch Ausdruck einer zunehmenden Militarisierung der Polizei.

Auch in Baden-Württemberg, wo die angeblich ach so bürgerrechtsfreundlichen Grünen mit an der Regierung beteiligt sind, schreckt die Landesregierung schon lange nicht mehr davor zurück, militärische und auch nachrichtendienstliche Mittel gegen Zivilisten einzusetzen.

Schon bei der bereits in Kraft getretenen Verschärfung 2017 wurde die Militarisierung der Polizei massiv vorangetrieben: Das eindrücklichste Beispiel für die Militarisierung der Polizei ist die Ausstattung der Polizei mit Kriegswaffen. Das ist leider schon seit längerem traurige Wirklichkeit. Vor allem die SEKs greifen schon seit Jahren auf ein Waffenarsenal zurück, das dem einer militärischen Spezialeinheit gleicht. Mit der Verschärfung 2017 wurde es der Polizei nun sogar gestattet, Sprengstoff, Granaten und Granatwerfer auch gegen Personen einzusetzen.

Ich frage mich: Sind wir hier etwa in einem Kriegsgebiet? Auf welche bürgerkriegsähnlichen Zustände will sich die Landesregierung hier denn vorbereiten?

Auch die Einführung der sogenannten „intelligenten“ Videoüberwachung ist ein Beispiel für die Militarisierung der Polizei. Kameraaufnahmen sollen dabei in Echtzeit durch eine KI-(Künstliche Intelligenz)gestützte Software ausgewertet werden. Die Software soll Alarm schlagen, wenn sie Verhalten erkennt, das auf die Begehung einer Straftat hindeutet. Diese Software wird auch bereits eingesetzt.

Warum bedeutet auch diese „intelligente“ Videoüberwachung eine Militarisierung? Weil die Forschung auf diesem Gebiet extrem militarisiert ist. Militär und Rüstungskonzerne haben ein großes Interesse an solchen Technologien des maschinellen Sehens, weil eine große Nachfrage nach diesen Technologien für autonome oder teilautonome Drohnensysteme besteht.

Beauftragt mit der Entwicklung und Implementierung der intelligenten Videoüberwachung wurde das Fraunhofer IOSB, ein militärnahes Forschungsinstitut, das staatlich gefördert wird. Durch den flächendeckenden Einsatz der intelligenten Videoüberwachung in Baden-Württemberg kann die Überwachungs-KI weiter lernen und ihre Algorithmen perfektionieren. Davon profitiert auch das Militär.

Bei der intelligenten Videoüberwachung handelt es sich um eine militärische Technologie, mit der nun Zivilisten in Baden-Württemberg überwacht werden sollen! Wir sagen: Schluss damit!

Auch die 2017 erfolgte Einführung des Staatstrojaners zur Überwachung der laufenden Kommunikation stellt eine Militarisierung dar: In diesem Fall wird ein Vorgehen, das bisher nur Geheimdiensten oder militärischen Cyber-Kommandos vorbehalten war, zu unserer Überwachung durch die Polizei eingesetzt. Um den Staatstrojaner – nichts anderes als eine staatliche Schadsoftware – auf die betreffenden Geräte zu spielen, werden Sicherheitslücken benötigt. Die Polizei hat nun also ein Interesse daran, Softwareschwachstellen offen zu halten, anstatt sie zu schließen. Begründet wird das wie immer mit dem Stichwort „Sicherheit“.

Aber ich fühle mich nicht sicher, wenn ich Angst haben muss, dass der Staat mein Handy mit Schadsoftware angreift. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn Sicherheitslücken endlich geschlossen werden würden und der Staat kein Interesse mehr daran hätte, diese Sicherheitslücken offen zu halten.

Dass nun bei der jetzt anstehenden Verschärfung nur ein Teil der ursprünglich geplanten Angriffe auf unsere Freiheitsrechte umgesetzt werden wird, ist ein Erfolg der Protestbewegung: Statt einer Ausweitung der Schleierfahndung und Unendlichkeitshaft – wie ursprünglich geplant – wird das Polizeigesetz nun wohl nur in einem Punkt verschärft: Bodycams sollen künftig auch in Wohnungen eingesetzt werden. Dies ist ein klarer Affront gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung. Als Begründung muss mal wieder ein aktuelles Thema herhalten: häusliche Gewalt gegen Frauen. Dabei finden gewalttätige Übergriffe in Wohnungen wohl kaum in der Anwesenheit der Polizei statt – eine wirklich billige Ausrede!

Außerdem geht es uns nicht nur darum, die neuen Verschärfungen verhindern. Nein, wir fordern auch die Rücknahme der 2017 bereits umgesetzten Verschärfungen.

Wir wollen keine Polizei, die mit Kriegswaffen ausgerüstet ist! Wir wollen auch nicht durch intelligente Videoüberwachung oder den Staatstrojaner überwacht werden! Wir wollen gar nicht überwacht werden!

Stattdessen fordern wir unabhängige Ermittlungsstellen zur Aufklärung von Fehlverhalten durch die Polizei. Außerdem braucht es endlich eine Kennzeichnungspflicht für die Polizei, damit gewalttätige Polizisten überhaupt erst identifiziert werden können. Für die Grünen wäre es an der Zeit, dieses bereits seit neun Jahren nicht eingelöste Wahlversprechen einmal umzusetzen, anstatt die Verschärfungen des Polizeigesetzes mitzutragen.

Gegen die Militarisierung der Polizei!

Denn Freiheit stirbt mit Sicherheit!

Rede von Alexander Kleiß als pdf-Datei

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