Solidarität mit den Aktivist*innen im Dannenröder Wald

Rede von Eberhard Linckh, Robin Wood Stuttgart, auf der 540. Montagsdemo am 30.11.2020

Vor 7 Wochen stand hier neben mir einer der jungen Stuttgarter Aktivisten – einer von vielen, die im Dannenröder Wald Tag und Nacht mit einer Dauerbesetzung für unser aller Zukunft kämpfen.

Damals war seine Einschätzung noch optimistisch; er glaubte, die Besetzung sei nur schwer räumbar und er hoffte, dass durch den zivilen Ungehorsam die verantwortlichen Politiker zur Einsicht kämen.

Inzwischen gab es massive Polizeieinsätze: Wasserwerfer, schweres Gerät und Elektroschocker! Und das bei einem Einsatz bis in 25 Meter Höhe! Weite Teile wurden auf diese Weise geräumt, gerodet und anschließend ganz schnell geschottert.

Viele Menschen wurden verletzt – einige schwer. Zwei junge Frauen, darunter eine aus Stuttgart, erlitten schwere Wirbelsäulenverletzungen. Diese Verletzungen wurden durch die unverantwortlichen Aktionen der Polizei verursacht. Unzählige Videos zeigen die Gewalt gegen die, die sich für unser aller Zukunft so engagiert einsetzen. Glücklicherweise gab es keine tödlichen Unfälle.

Es ist unvorstellbar:

  • Bäume wurden in unmittelbarer Nähe von Menschen gefällt.
  • Menschen wurden an den Füßen von den Bäumen gezerrt und fielen metertief nach unten.
  • Sicherungsseile wurden gekappt und die Menschen stürzten ab.
  • Ein Baum wurde so gefällt, dass er auf eine Traverse fiel, an der ein Mensch hing. Glücklicherweise riss das Seil nicht, aber er wurde durch die Luft gewirbelt.

Am 28.11. wird in der Frankfurter Rundschau gefragt: „Und wie geht es weiter mit den jungen Leuten in Dannenrod? Im Idealfall werden sie klimaengagierte Wissenschaftler*innen, Anwälte, Politiker*innen. Das Schlimmste, was passieren kann, wäre, dass sie sich vom Staat abwendeten, in die innere Emigration gingen oder sich gar radikalisierten.“

Das sagt die Frankfurter Rundschau. In einem muss ich widersprechen: ich fürchte keine Radikalisierung im wörtlichen Sinn – denn „radikal“ bedeutet: „an die Wurzel gehend“. Wir müssen doch an der Wurzel der drohenden Klimakatastrophe ansetzen. Radikal, d.h. von Grund auf das System ändern, das ist dringend notwendig: „System change, not climate change!“

Vor einem Kampf um eine radikale Herangehensweise muss nicht gewarnt werden, im Gegenteil! Die Aktivist*innen brauchen „Ermutigung“, bei Wolf Biermann klang diese vor 50 Jahren so:

Du lass Dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit
Du, lass dich nicht erschrecken
In dieser Schreckenszeit
Das woll'n sie doch bezwecken
Dass wir die Waffen strecken
Schon vor dem großen Streit
Du, lass dich nicht verbrauchen
Gebrauche deine Zeit
Du kannst nicht untertauchen
Du brauchst uns und wir brauchen
Grad deine Heiterkeit

Ich fühle mich erinnert an unsere Situation hier in Stuttgart, an unseren Optimismus bis zu den Baummassakern, an unsere Kraft, an unser Durchhaltevermögen, das bis heute ungebrochen anhält. Auch gibt es Parallelen zu der Sinnlosigkeit der Projekte, die vor Jahrzehnten geplant wurden und jetzt völlig aus der Zeit gefallen sind. Und es gibt Parallelen zur Gewalt des Staates.

Die jungen Aktivist*innen waren noch nicht einmal auf der Welt, als der Bau der Autobahn vor 40 Jahren beschlossen wurde. Aber sie werden den Umweltfrevel von heute ausbaden müssen.

Von den hunderttausend Menschen, die hier in Stuttgart gegen S21 auf den Straßen waren, haben inzwischen viele aufgegeben und sich enttäuscht zurückgezogen. Wir nicht! Wir sind hier und stehen in voller Solidarität zu den Aktivist*innen im Dannenröder Wald!

Zum Schluss lese ich noch einen kleinen Ausschnitt aus einem aktuellen Text von Lea Doobe. Der ganze Beitrag kann auf der Webseite von Robin Wood nachgelesen werden.

Ich bin in großer Sorge um meine Freundinnen und Freunde im Wald.

In ihrer Vermummung und mit Gesichtsbemalung mögen sie anonym und hart aussehen. Nach außen geben sie sich kämpferisch. Sie arbeiten mit sachlichen Argumenten und eiserner Aktionsbereitschaft. Doch ich kenne einige von denen, die da oben in den Bäumen sitzen. Und natürlich geht es ihnen nicht gut.

Sie empfinden Unverständnis über eine Rechtsprechung, die ihre Belange übergeht. Frustration bei dem Gefühl, dass unsere Welt, unsere Zukunft, immer und immer wieder ausverkauft wird. Wut und Entsetzen, über die Härte und Gewalt, mit der der Staat gegen sie vorgeht. Sie empfinden Angst, sich immer wieder unter Gefährdung ihres eigenen Lebens von den Bäumen pflücken zu lassen. Und sie weinen – um jeden einzelnen Baum mehr als um sich selbst.“

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter hier auf dem Platz: Danke, dass Ihr nicht aufgebt! Liebe Mitstreiter*innen im Dannenröder Wald: Danke, dass IHR nicht aufgebt!

Die Montagsdemo gegen Deutschlands dümmstes Großprojekt grüßt euch solidarisch und voller Bewunderung! Oben Bleiben!

Robin Wood: https://www.robinwood.de/blog/dem-danni-so-nah

https://www.robinwood.de/pressemitteilungen/a49-protest-baumbesetzung-vor-parteizentrale-der-hessischen-gr%C3%BCnen

Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/rhein-main/danneroeder-wald-danneenroeder-forst-polizei-demonstranten-eskalation-rodungspause-jetzt-90114905.html

Rede von Eberhard Linckh als pdf-Datei

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