Die Mühen der Ebenen in der lokalen Verkehrspolitik

Rede von Ebbe Kögel, Kernen21, auf der 542. Montagsdemo am 14.12.2020

Hinweis: Das Original dieser Rede ist in Schwäbisch. Dies ist die Übertragung ins Hochdeutsche. Es gilt das gesprochene Wort.

Ich habe schon zwei Mal bei der Montagsdemo geredet. Im August 2012 und im November 2013, also vor acht und vor sieben Jahren. Das ist lange her. Wenn ich euch so angucke, seid ihr ganz schön älter geworden. Und ich natürlich auch.

Bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme, will ich kurz zurückblenden auf meine damaligen Reden. Es ging es um Polizei und Staatsanwaltschaft.

Ihr erinnert euch wahrscheinlich noch an den 1980 erschienenen Film „Blues Brothers“, in dem gezeigt wird, wie die Brüder John und Elwood Blues durch Chicago und halb Amerika von der Polizei gejagt werden. Der Schlusspunkt ist ein Konzert, bei dem Elwood vor dem Lied „Everybody needs somebody to love“ die im Saal Anwesenden, darunter zahlreiche ihn verfolgende Polizisten, mit den Worten begrüßt: „We would especially like to welcome all the representatives of the Illinois’ law enforcement community”. Also die Begrüßung der „Gemeinschaft, die das Gesetz durchsetzen soll”. Das habe ich damals bei meiner Rede auch gemacht und Polizei, Verfassungsschutz und Spitzel begrüßt.

Ich begrüßte auch unseren Mann mit Hütle, unseren Freund von der Staatsanwaltschaft. Er genießt jetzt seine Pension, der Herr Oberstaatsanwalt. Beim Schreiben ist mir sogar sein Vorname nicht mehr eingefallen. Der Herr Häußler meint ja immer noch, wie er im SWR-Bericht zum 10. Jahrestag vom „Schwarzen Donnerstag“ gesagt hat, dass er damals alles richtig gemacht habe. Vielleicht guckt er gelegentlich noch hier vorbei, aus alter Verbundenheit.

Jetzt werden wir nicht mal mehr beobachtet. Niemand mehr da von der „law enforcement community“. Wo ich letzte Woche zur Demo gekommen bin, habe ich euch nicht gleich gefunden. Am Karlsplatz fragte ich ein paar herumstehende Polizisten. Einer sagte freundlich: „Ach, die 541., die sind auf dem Marktplatz“. So weit ist es gekommen.

Bei meinen Reden damals ging es noch um systematische Taschenkontrollen, um das (verbotene) Filmen unserer Kundgebungen, um bewaffnete Zivilpolizisten bei unseren Kundgebungen – alles Geschichte. Es ging um die zahlreichen Strafverfahren (und Geld- und Gefängnisstrafen) unserer Leute. Es wäre mal interessant nachzuforschen, ob immer noch Verfahren laufen. Interessant wäre auch, herauszufinden, ob damals bei den Auseinandersetzungen um das Grundwassermanagement „Agents Provocateurs“, also bezahlte Provokateure der Polizei eingesetzt wurden. Was ich nach wie vor glaube.

Und es ging vor acht Jahren um eine Generalamnestie für alle Aktiven, die Strafverfahren am Hals hatten. Ähnlich der Generalamnestie, die nach den 1968er Demonstrationen erlassen wurde. Hier haben wir auch Verhandlungen mit den Grünen im Landtag und in der Regierung geführt. Leider für die Katz, ihrem Streben nach Macht und Einfluss haben sie alles untergeordnet, die Grünen. Namenskennzeichnung für Polizisten? Pfeifådeggl!

Zur Rechtfertigung für ihr Nichtstun schieben sie es dann immer auf ihre jeweiligen Koalitionspartner.

2020/21 ist ja die Zeit der zehnjährigen Jahrestage: Schwarzer Donnerstag, Schlichtung und dann Volksabstimmung. Alle drei Ereignisse haben der Bewegung letzten Endes ihren großen Schwung genommen und die Leute von der Straße geholt.

Für die Prügelorgie im Schlossgarten konnten wir nichts. Aber die Zustimmung zu Schlichtung und Volksabstimmung waren große Fehler der Bewegung. Und haben mir zumindest eine weitere Erkenntnis gebracht: wir dürfen nie VertreterInnen von politischen Parteien für uns verhandeln lassen.

Und wir müssen sagen, dass die Prügel und Wasserwerferattacken von unserem „Freund“ Mappus ebenfalls „funktioniert“ haben. Gut, ihn hat es das Amt gekostet. Dafür haben wir jetzt einen ex-Genossen einer maoistischen K-Gruppe (des KBW) als Minischderpräsident, der das Geschäft seines Vorgängers zur Freude von Herrenknecht & Co. mit einem anderen „K“ fortsetzt, dem „K“atholischen. „Zerschd bäddå ond nôô d’Leit ååliågå“.

Wobei, in diesem Zusammenhang, mir der Ausdruck „Lügenpack“ nie gefallen hat. Luågåbeidl ist schöner. Und genauso treffend. Oder, wie einer meiner Onkel bei solchen Gelegenheiten immer gesagt hat: „I will joo nedd saagå, dass kloogå isch, abr glaubå kåå mr‘s schiir nedd“.

Im Frühjahr 2021 gibt es unsere Gruppe K21 Kernen seit 10 Jahren. Wir sind personell geschrumpft, aber immer noch aktiv, bei Mahnwache, Moderation und gelegentlichen Redebeiträgen. Und wir machen viel zur lokalen Verkehrspolitik. Darüber will ich jetzt reden. Unsere Gruppe heißt ja offiziell „Verein zur Förderung eines zukunftsfähigen öffentlichen Personennahverkehrs“.

Zuerst mal ist der Busverkehr zu nennen. Da haben wir einiges erreicht: z.B. die Einführung des Expressbus X20 von Waiblingen nach Esslingen. Die Einführung einer Buslinie von Stetten nach Endersbach zur S-Bahn. Und zahlreiche Haltestellen sind inzwischen mit Hochbord ausgestattet.

All diese Erfolge und Maßnahmen führten zu einer tatsächlichen ständigen Zunahme der Fahrgastzahlen. Dies ist nun durch Corona extrem gefährdet, da zum Teil nur noch 20% der vorherigen Fahrgäste fahren. Hier wissen wir überhaupt nicht, wie es weitergeht. Wir haben ja im Busverkehr die ungute Entwicklung mit der von den Marktradikalen in der EU verordneten Eigenwirtschaftlichkeit der Buslinien – ohne öffentliche Zuschüsse. Ich nehme an, dass deshalb im nächsten Jahr einige Busfirmen bankrott gehen werden.

Wenn wir wirklich Vorrang für den ÖPNV wollen, dann brauchen wir radikalere Maßnahmen: zum Beispiel Einschränkung des Individualverkehrs, Abschaffung von Parkplätzen in Wohngebieten – der kostenlose Parkplatz auf der Straße vor dem Haus, wie es die Leute bei uns in den Wohngebieten gewohnt sind, kostet die Kommune (beim Bau dieser Straße) zwischen 10.000 und 20.000 Euro.
Wenn Bus und Auto gleichzeitig in einer (engen) Straße fahren, muss der Autoverkehr mit einer Ampel gesperrt werden, bis der Bus durch ist. Sonst wird das nicht funktionieren. Der ÖPNV muss schneller, billiger und bequemer als das Auto.

Ich muss gestehen, dass ich heute mit dem Auto zur Demo gekommen bin. Es hatte pressiert. In 20 Minuten bin ich mit dem Auto von Stetten bis zum Parkhaus Schillerplatz gefahren. Mit dem ÖPNV bräuchte ich mindestens die doppelte Zeit. Warum? Es gibt keine Staus mehr, wegen Corona (und Homeoffice) sind weniger Autos auf den Straßen. Wenn hier nicht gegengesteuert wird, wird der Umstieg nicht gelingen.

Ein weiterer Aktionspunkt sind unsere S-Bahn-Stationen Rommelshausen und Stetten-Beinstein, von der S2 nach Schorndorf. Die liegen beide in einer Kurve, was beim Einstieg zu einem Spalt von bis zu 30 cm Breite führt. Und durch die neuen 430er-S-Bahnen ergibt sich zusätzlich eine Einstiegshöhe zwischen 20 bis 30 cm über der Bahnsteigkante. Eine gefährliche, teilweise sogar unüberwindliche Hürde für Rollstühle, Kinderwägen, Rollatoren und Menschen mit schwerem Gepäck. Beim Fahrer vorne gibt es zwar eine Rampe zum Reinfahren in die S-Bahn, aber das Anlegen und Wiedereinpacken durch den Fahrer dauert fast 5 Minuten.

Hier tut sich jetzt was. In Rommelshausen soll der Bahnsteig um 20 cm erhöht werden. 2023 soll es fertig sein. Achtung: nach Bahnkalender! Die zählen anders wie wir. Die ursprüngliche Zusage war – nach jahrelangen Kämpfen und Aktivitäten – eine Fertigstellung fürs Jahr 2021.

Aber selbst wenn das stimmt, tut sich noch nichts auf allen anderen nicht barrierefreien Bahnhöfen bzw. ihren Bahnsteigen. Insgesamt 34 im VVS-Gebiet. Und fünf auf der Rems-Strecke. Dort sollten – wohlgemerkt schon 2010 von uns vorgeschlagen – für die 2019 durchgeführte Remstalgartenschau sogenannte „Wohlfühlbahnhöfe“ entstehen. Getan hat sich – nichts. Das war allerdings auch der Untätigkeit der beteiligten Kommunen geschuldet. Außer einem Aufzug in Stetten-Beinstein, wo die DB gerade baut – mit mehrjähriger Verspätung.

Im Remstal – mit sehr vielen Industriebetrieben – wurden schon vor Jahrzehnten alle Industriegleise abgebaut. Nicht rentabel, so die Bahn. Alle Güterbahnhöfe wurden stillgelegt oder abgerissen.
In Waiblingen wird gerade der Bahnhofsbereich neu geplant, ohne an einen Güterbahnhof zu denken. Entsprechende Vorschläge von uns, bei der Neuplanung einen Güterbahnhof vorzusehen, liefen ins Leere. Obwohl die neue Chefin von DB Cargo, Frau Nikutta, mehr Güter auf die Bahn bringen will. Aber wie soll das gehen?

Ein besonderer Schwabenstreich dort: Direkt neben dem Bahnhof in Waiblingen befindet sich eines der größten Briefverteilzentren der Post in der BRD – ohne Bahnanschluss! Entsprechende Pläne hatte die DB damals abgelehnt.

Ein letzter Punkt ist die Barrierefreiheit. Hier sind wir auch schon 10 Jahre am Kämpfen. Zum Beispiel, dass an allen Überwegen Nullabsenkungen gemacht werden. Nicht nur für unsere zahlreichen RollstuhlfahrerInnen – wir sind Sitz einer der größten Behinderteneinrichtungen in Deutschland, der Diakonie Stetten – sondern auch für Rollatoren, Kinderwägen usw. In jahrelanger mühseliger Kleinarbeit konnten wir unser Bauamt überzeugen, überall auf Null zu gehen. Wirklich auf Null. Aber sobald wir nicht aufpassen, fallen sie wieder in den alten Trott zurück und denken nicht mehr dran.

Es müsste so sein wie in Fellbach, wo es eine Stabsstelle für Barrierefreiheit gibt. Die wird bei allen Planungen in der Stadt vom Bauamt vorher gefragt. Davon sind wir noch ein Stück weg.

Aber wir sind auf dem Weg dazu. Wir müssen bei diesen Aktivitäten vor Ort wirklich in Dimensionen von Jahrzehnten denken. Die Mühen der Ebenen halt.

Zum Schluss noch – weil ja bald wieder Wahlen sind – ein Gedicht von Josef Eberle alias Sebastian Blau, Antifaschist und in der Nachkriegszeit Herausgeber der Stuttgarter Zeitung, dem früheren Flaggschiff einer liberalen Zeitungslandschaft.

 

Dsomm Wahldaag

Se liaget, dass d’Balgå sich biaget, versprechet vom Hemmel ra s’Blôô
se schmiared dr Rotz omm dr Baggå ond hoissed de andre Schlawaggå
se seied de oandsiche, môô…
Wen wähld mr no jeds dôô?
I geb dr en Rôôt: weil älle Bewerber am gleichå Tromm dsiaget
nôô wählsch hald en Gottsnååmå de selle, môô d’Balgå sich et so arg biaget

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