Murk-S21 und die Auswirkungen am Beispiel der Gäu- und Rems-Bahn

Rede von Andreas Kleber, Gründungmitglied von 'Bürgerbahn statt Börsenbahn‘, Mitglied bei Pro Bahn e.V., Mitglied der Fahrplankonferenzen der IHK Stuttgart und Ulm, auf der 614. Montagsdemo am 30.5.2022

Liebe Freunde einer gut funktionierenden Eisenbahn,

geht es Euch nicht so wie mir, dass wir immer wieder über die Neuigkeiten erstaunt sind, wenn wir erfahren, was alles noch getan werden muss, damit der Murk-S21-Bahnhof funktionieren kann?

Die Kapazität reicht nicht aus – also nochmals drei zusätzliche Kopfbahnhofgleise unter die Erde. Ist diesen „Experten-Planern“ nicht bewusst, dass wir ja selbst im teils demolierten Hauptbahnhof 16 Gleise haben und dieser gut funktioniert beziehungsweise funktionieren könnte? Selbst als S-Bahn-Ersatz, wenn mal unten wieder was schief läuft? Alleine, weil man noch immer nicht weiß, wie man die Gäubahn einbinden kann?

Und als der Weisheit letzter Schluss, kam man mit einem Tunnelschuss – dem ca. 14 km langen sogenannten Bilger-/Pfaffensteig-Tunnel! Benannt nach einem ehemaligen Verkehrsstaatssekretär aus dem Ländle, der wie fast alle Murk-S21 Befürworter vom Eisenbahnbetrieb nicht die geringste Ahnung hat.

Wie Sie sich vielleicht erinnern, habe ich am 18.11.2019 über die Gäubahn referiert. Und auch im SWR-Film von Hermann Abmayr „Die Gäubahn – das Ende einer Magistrale“ darüber berichtet. Sie dürfte sich inzwischen zu einem Sargnagel von Murk-S21 entwickeln, was wir auch der Filderinitiative zu verdanken haben.

Angefangen von der „Einführung“ in unser Flughäfele 26 Meter unter der Erde, dann eine teils gemeinsame Linienführung mit einer S-Bahn-Trasse der S2 und S3, die im 15-Minuten-Takt verkehren sollen, frage (nicht nur) ich, ob bei denen, die auf eine solche Idee kommen, noch alle Bahnhofsuhren richtig ticken?

Nur, weil man die einmalig schöne Panoramastrecke mit einem idealen Zulauf in den Kopfbahnhof zugunsten von Immobilieninteressen schließen will? Vor einer jahrelangen Unterbrechung der Gäubahn war im Vorfeld nie die Rede! Ist man sich denn überhaupt so sicher, wo denn der Endpunkt der Gäubahn sein soll? In Stgt-Vaihingen, am Nordbahnhof oder kommt noch was anderes in Betracht? Sieht das nicht alles nach Rat- und Konzeptlosigkeit aus?

Könnte die Gäubahn, einst kürzeste Magistrale Zürich – Stuttgart – Berlin uns helfen, das ganze Projekt Murk-S21 zum Scheitern zu bringen? Den „Luftballon“ Murk-S21 mit immer weiteren Zusatzprojekten aufzublasen, bis er endlich platzt?

2015 kam Bahnchef Dr. Rüdiger Grube auf Einladung des Bundestagsfraktionsvorsitzenden der CDU Volker Kauder nach Tuttlingen. Der – selbsternannte – ehrbare Kaufmann Dr. Grube versprach, dass bis 2022 die Zweigleisigkeit der Gäubahn zwischen Horb und Tuttlingen auf einer Länge von 71 km wieder hergestellt wird – u.a. wegen der Bedeutung der Gäubahn im Hinblick auf Stuttgart 21. Vor kurzer Zeit fuhr ich auf der Gäubahn, konnte aber davon nichts feststellen, oder hab ich nicht richtig geschaut?

Aber es folgte schon ein Spatenstich zum zweigleisigen Ausbau der Gäubahn mit Verkehrsstaatssekretär Bilger, Minister Wolf, Vertreter des Landesverkehrsministeriums, Landrat, OB von Horb, etc. –halt alles Honoratioren, die zum „Festa“ dazu gehören. Und das für einen 6,8 km langen Abschnitt zwischen Horb und Neckarhausen.

Wenngleich die Gäubahn derzeit das beste Regionalverkehr-Angebot hat, hat sie ihre Bedeutung als europäische Magistrale schon verloren. Mein Vorschlag zur Fahrplankonferenz der IHK Stuttgart, doch ab Stuttgart Hbf um ca. 6:15/20 Uhr den 9:00 Uhr Knoten in Zürich zu erreichen, fand kaum Beachtung. Man könnte damit schon 11:44 Uhr Genf, 11:30 Uhr Lugano, ca. 12:30 Uhr Mailand und nachmittags Venedig mit einmal umsteigen in Zürich erreichen!

Mit einer Sprinter-Tagesrandverbindung z.B. mit dem SBB-Giruno (RAB 501 der SBB), der auch bis/von Mailand oder Genf verlängert werden könnte, könnte man dies fahrplantechnisch bewerkstelligen! Auch mit einem DB 411/415 nach/von Zürich, wie es schon einmal der Fall war.

Das sich damit die Deutsche Bahn nicht an den Vertrag von Lugano vom 6.9.1996 hält, die Gäubahn im Hinblick auf die Alpentransversale NET auszubauen, ist doch ein Armutszeugnis.

Und mit dem Bilger-Tunnel entsteht ein neuer Flaschenhals südlich von Neckarhausen wegen der eingleisigen Streckenführung bis Tuttlingen. Weder die Planung noch die Finanzierung dafür ist gesichert, würde dies nicht mehrere Jahre in Anspruch nehmen?

Ähnlich wie bei meiner Heimatstrecke, der Remsbahn: Die Remsbahn hat – das muss man gestehen – einen gut ausgebauten Regional- und S-Bahnverkehr. Abgesehen von gelegentlich auftretenden Infrastrukturmängeln wie Signal- und Weichenstörungen, läuft er derzeit relativ gut.

Aber es reichen z.B. fünf Minuten der S2, die Filderstadt 7:18 Uhr, den Hbf 7:50 Uhr verlässt, mit Ankunft 8:25 Uhr in Schorndorf, um den ganzen Fahrplan bis Crailsheim durcheinander zu bringen: u.a. ein MEX 13 bis Waiblingen – und noch schlimmer den IC 2063 nach Nürnberg, der dadurch in Schorndorf bis zu 5 - 7 Minuten Verspätung hat. Und wer diesen Zug, wie ich, öfters benutzt, weiß, wie knapp die Anschlüsse in Aalen an den IRE nach Ulm und in Crailsheim an den RE der Westfrankenbahn nach Aschaffenburg sind, die ja nur 2-stündlich verkehren. Und wenn in Nürnberg Hbf dann der Aufzug defekt ist – na, dann könnte es auch mit dem ICE 1706 nach Berlin, dem IC 23 nach Wien sowie den vereinten RE 30/33 nach Hof beziehungsweise Eger knapp werden…Wobei die letztgenannten RE gute Anschlüsse nach Zwickau – Dresden beziehungsweise über Eger an das Fernzugnetz der tschechischen Bahn über Pilsen nach Prag und Karlsbad haben.

Schließlich war auch die Remsbahn einst eine internationale Magistrale und eine bedeutende Strecke für den Ost-West-Fernverkehr. Für zwei Jahre (1983-1985) fuhr sogar der Flügelzug des renommierten TEE 16/17 Rheingold Amsterdam – München ab Stuttgart über die Remsbahn.

Noch Anfang der 90er Jahre gab es z.B.:

  • eine Tages- sowie Nachtverbindung (diese bis 2006) Stuttgart – Prag
  • durchgehende D-Züge wie Hof – Strasbourg und Bayreuth – Zürich – Mailand
  • durchgehende Verbindungen Stuttgart – Nürnberg – Berlin, Stuttgart – Hof – Leipzig
  • ab 1991 für einige Jahre eine IR-Verbindung Karlsruhe – Görlitz, sowie Gera – Zwickau – Hof –Stuttgart – Karlsruhe
  • Eilzugverbindungen Stuttgart – Aalen – Donauwörth – München, wo man z.B. von Schorndorf schneller und billiger in München war als über Stuttgart – Ulm.

Diese Züge waren teilweise in den Taktverkehr eingebunden; jetzt enden sie – mit einer Ausnahme des IC Saaletal Karlsruhe – Nürnberg – Saalfeld – Leipzig – in Nürnberg.

Dringend nötig wäre ein 3-gleisiger Ausbau des Abschnitts Waiblingen – Schorndorf, wenn man schon von einer S-Bahn-Verlängerung nach Plüderhausen spricht.

Dieser mein Gedanke, den Ernst Delle bei einer Veranstaltung vor der letzten Landtagswahl vorgeschlagen hat, schien die anwesenden Kandidaten rat- und sprachlos zu machen. Ich konnte daran nicht teilnehmen: eine Signalstörung an der Donautalbahn machte meinen Anschluss in Ulm zunichte und der RE eine Stunde später hatte einen technischen Defekt…

Nicht nur von mir kam vor ca. 10 Jahren auch ein anderer Vorschlag: Nach dem Beispiel von Köln/Köln-Deutz in Stuttgart westlich vom Haltepunkt Nürnberger Straße, wo die Strecke die Schusterbahn überquert, einen Turmbahnhof als Entlastungsbahnhof zum Stuttgarter Hauptbahnhof zu errichten. Dadurch könnte die Zugkapazität erheblich gesteigert werden, zumal diese Strecke auch als Entlastungsstrecke für den Fernverkehr früher schon mehr Bedeutung hatte.

Wäre das nicht auch die Gelegenheit, die Rems- und Murrbahn an den zusätzlichen Fern- und schnellen Regionalverkehr in der Nord-Südrichtung anzuschließen? Außer von Dr. Hermann Scheer und Peter Conradi habe ich von niemand eine fundierte Antwort erhalten. Warum wollten die meisten diese Chance für das gesamte Umfeld östlich von Stuttgart nicht wahrnehmen? Weil sie zu sehr auf Murk-S21 fixiert waren beziehungsweise noch sind?.

Ich wies auch darauf hin, dass die mit Triebköpfen angetriebenen Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE 1 und der Doppelstock-TGV der Region Est (cl.43) im Gegensatz zu den an Einzelachsen angetriebenen ICE 3 und 4 der DB, die 16,5 %o Steigung im Keller-Murks-Bahnhof ja gar nicht bewältigen können. Man könnte sie ja von der Abzweigung Kornwestheim – Untertürkheim einsetzen! Mit einem Halt in – nennen wir es: Stuttgart-Bad Cannstatt Ost – könnte man doch für die ganze Region östlich von Stuttgart eine hervorragende Schienenanbindung schaffen!

Einer der damaligen MdB für das Remstal meinte, meine Überlegungen wären realitätsfremd, weil sie ja Murk-S21 zu Fall bringen könnten und damit dem zukünftigen Bahnknoten Stuttgart schaden! Ob das – als Bahnfreund – in meinem Interesse sein könnte?

Und da frage ich Euch alle: Was fällt den Verantwortlichen noch alles ein, um dieses unsinnige Teufelsprojekt immer weiter hinauszuschieben?

Inzwischen heißt es ja „Bahnprojekt Stuttgart – Ulm“, wo wir am nächsten Dezember schon gespannt sein dürfen, was alles auf uns zukommt: Machen Sie ab nächsten Fahrplanwechsel im Dezember eine Fahrt von einer Station der Remsbahn oder S-Bahn nach Lindau mit Übergang auf ein Bodenseeschiff nach Bregenz, Rorschach oder einem Ziel Ihrer Wahl! Und vergleichen Sie das mit den Fahrplänen und Ihren eigenen Erfahrungen vergangener Jahre…

Heute scheint bei der DB folgendes Motto zu gelten:

Die Pünktlichkeit ist eine Zier
Doch wir, wir fahren auch ohne ihr

Die Zeiten, als bei Egon Hopfenzitz – Euch allen ja gut bekannt, der 16 Jahre lang den Stuttgarter Hauptbahnhof erfolgreich geleitet hatte, jede Verspätung von mehr als fünf Minuten unverzüglich gemeldet werden musste, sind vorbei! Heute sind Verspätungen von über fünf Minuten in Stuttgart an der Tagesordnung…

War das nicht noch Eisenbahn, wie wir sie wünschen?

Nur mit einem Kopfbahnhof in Stuttgart ist dies möglich! Den wollen wir doch stets behalten, und da hilft uns nur eines:

OBEN BLEIBEN!

Rede von Andreas Kleber als pdf-Datei

 

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