Aktuelles zum Abstellbahnhof in Untertürkheim

Rede von Martin Glemser, Verein Lärmschutz Untertürkheim e.V., auf der 643. Montagsdemo am 9.1.2023

Liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, liebe kritisch Denkende,

ich darf Euch recht herzlich begrüßen im neuen Jahr 2023 und euch allen die besten Wünsche für ein gesundes Jahr zurufen.

2023 – das zweite Jahr nach der ursprünglichen Inbetriebnahme von Stuttgart 21.

2023 – das erste Jahr, in dem auf einem kleinen Stückchen der Strecke Paris – Bratislava ein fahrplanmäßiger Bahnverkehr stattfindet – mit den wenigen Wägelchen, die über die nötige Elektronik verfügen. Vorausgesetzt, die Lokführer können diese auch bedienen.

2023 – das Jahr, in dem bekannt wird, dass die ursprünglich geplanten vier Milliarden Bausumme verbraucht sind – verbraucht für die wenigen Kilometer von Wendlingen bis Ulm. Nicht für einen neuen Hauptbahnhof, nicht für 50 km Bohrlöcher rund um unseren schönen Stuttgarter Talkessel – verbraucht für 10 Minuten Zeitersparnis auf dem Weg von Paris nach Bratislava.

2023 – ein Schicksalsjahr für die Einwohner in Untertürkheim, in der früher idyllischen Gartenstadt Luginsland, auf dem Rotenberg und wahrscheinlich auch in Wangen.

Doch zunächst: Ich bin Martin Glemser, Bezirksbeirat und kritischer Bürger in und aus Untertürkheim. Seit 2010, als die Bahn erstmals ein Planfeststellungsverfahren für den „Wartungs- und Abstellbahnhof Untertürkheim“ vorgelegt hat, habe ich mich mit diesem Thema beschäftigt; habe mich durch die allgemeinen Beschreibungen und besonders durch die vorgelegten Lärmgutachten gelesen. Nachdem die Bahn irgendwann die ursprünglichen Pläne beerdigt und auf Eis gelegt hatte, erschien  2019 die erneute Auflage einer überarbeiteten Planfeststellung.

Was bringt mich nun heute hier auf die Bühne, um zu Euch zu sprechen?

In einem Erörterungsverfahren, durchgeführt vom Regierungspräsidium Stuttgart, wurden von den Projektgegnern viele Punkte angesprochen, die in den Vorlagen unlogisch und somit kritisch zu bewerten sind. Hier ist besonders hervorzuheben, dass sich die Bahn durch freie Auslegung von Rechenvorschriften und bestehenden Gerichtsurteilen zum Lärmschutz, um jeglichen aktiven Lärmschutz oder mögliche Einschränkungen des 24-Stundenbetriebs von Montag bis Sonntag drücken möchte!

Sämtliche unserer Kritikpunkte wurden im Übrigen ebenso von den studierten Mitarbeitern der Fachämter der Stadt Stuttgart gleichfalls erkannt und vorgetragen!

Lange Zeit hat sich das Regierungspräsidium Stuttgart gegönnt, um in einem Abschlussbericht ausführlich alle vorgebrachten Einwände zu erörtern um dann auf über 200 Seiten zum Ergebnis zu kommen, das wäre alles nicht so schlimm. So war die Steilvorlage für das Eisenbahnbundesamt entstanden, welches dann als Genehmigungsbehörde die unvollständigen und unrichtigen Vorlagen der Bahn unverändert übernehmen und eine Plangenehmigung ohne jegliche Modifikationen oder Einschränkungen erteilen konnte.

Was bedeutet dies für uns in den oberen Neckarvororten?

Diese Plangenehmigung bedeutet, dass die Bahn an 7 Tagen über 24 Stunden hier vor unseren Schlafzimmern:

  • Eine Innenreinigungsanlage betreiben kann, in der an zwei Gleisen Züge abgestellt und gereinigt werden. Die Unfallverhütungsvorschriften schreiben vor, dass durch Akustiksignale (=Warnpiepser) die Beschäftigten bei der Ein- und Ausfahrt der Züge zu warnen sind.

Geplant: 2 Züge je Gleis, die ganze Nacht, 4 Vorgänge pro Stunde – den Kirchen ist oftmals der Viertelstundenschlag in den Nachtstunden verboten – wir in Untertürkheim bekommen das wieder!

  • Es bedeutet weiterhin den Betrieb einer Außenreinigungsanlage (=Waschstraße), in der die ganze Nacht hindurch Züge durch die Waschstraße gezogen werden.

Die Waschstraße ist 100 Meter lang; laut Lärmgutachten sind die hier behandelten Züge aber 200 oder 400 Meter lang. In der ersten Planauslage im Jahr 2010 bedeutete dies, dass die stromlosen Züge durch die Anlage gezogen werden, was den Beschäftigten (wir erinnern uns an unbedingt einzuhaltende Unfallverhütungsvorschriften) durch optische und akustische Warnsignale anzuzeigen ist. Im nunmehr genehmigten Lärmgutachten wurde dies praktischerweise verschwiegen. Das Regierungspräsidium übernimmt die Vorgabe des Rechtsanwaltes der Bahn, die Reinigung erfolge ausschließlich bei geschlossenen Toren!

  • Es bedeutet auch: 120 dB Signalhornproben (=die Warntröte der Lok): Gemäß Betriebsvorschrift der Bahn muss ein Zug, der abgestellt gewesen war, vor Fahrtantritt die Betriebsfähigkeit wieder herstellen und prüfen: hierzu gehört auch das Signalhorn der Lok – üblicherweise 120 Dezibel die ganze Nacht, nach dem Motto: „Bürger, schläfst Du noch??“

Was tun mit diesem Ergebnis?

Die klageberechtigten Naturschutzverbände, der Landesnaturschutzverband, der BUND und andere haben es wegen des möglicherweise hohen Kostenrisikos abgelehnt, gegen die ergangene Plangenehmigung des Eisenbahnbundesamts zu klagen. Die Stadt Stuttgart, deren Mitarbeiter zu den selben Einschätzungen kommen wie wir, dabei aber die Folgen für Untertürkheim noch dramatischer einschätzen, weigert sich, im Namen ihrer Einwohner etwas zu unternehmen.

Vor Ort hat sich ein direkt betroffener Anwohner gefunden, der somit klageberechtigt ist. Wir haben einen Verein gegründet, um ihn organisatorisch und finanziell bei seiner Klage zum Wohle der Einwohner zu unterstützen. Die Klage ist eingereicht, die Bahn baut unverdrossen – wegen sofortiger Vollziehbarkeit der Genehmigung – und wir hoffen, dass wir vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg noch im Jahr 2023 einen Verhandlungstermin in dieser Angelegenheit erhalten.

2023 – ein Schicksalsjahr für Untertürkheim!

Deswegen sind wir heute nochmals hier, um auch Sie zu bitten, uns zu unterstützen:

  • einerseits jetzt hier durch Unterzeichnen unserer Unterschriftenaktion,
  • andererseits durch das Verfolgen unserer Aktivitäten auf unserer Homepage: www.laermschutz-ut.de,
  • gerne dürfen Sie uns auch finanziellen Beistand geben oder Mitglied werden; alle nötigen Informationen ebenfalls auf der Homepage.

Für heute danke ich für Eure Aufmerksamkeit, wir sind anschließend im Publikum unterwegs und bitten um Unterzeichnung der Petition.

Herzlichen Dank und: Oben bleiben!

Rede von Martin Glemser als pdf-Datei

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