Umstieg21 bleibt die Lösung!

Rede von Dr. Werner Sauerborn und Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, auf der 651. Montagsdemo am 6.3.2023

Es ist bei S21 wie beim Klima: wir verstehen oft nicht, warum die Menschen sich genervt abwenden, warum sie das alles so stoisch ertragen. Hier die Risiken der weiteren Erderhitzung und da das ganze Bahnchaos, das ja bei uns mit S21 erst so richtig losging, die Wanderwege zu den Gleisen, die sie täglich laufen müssen, die drohende Abkoppelung der Gäubahn usw.!?

Das eine sind die sunk costs: Das viele Geld soll umsonst verbaut sein? Ja, ist es! Und je früher man das einsieht, umso geringer die verlorenen Kosten.

Das andere ist die Angst vorm Schwarzen Loch. Was, wenn das Projekt gestoppt wird? Bricht dann erst recht das Chaos los? NEIN, dann kommt Umstieg21!

Umstieg21 ist der Plan B und gleichzeitig Rückenwind dafür, sich endlich von dem längst gescheiterten Plan A zu verabschieden.

Und das gerade jetzt, wo wir sehen, wie das Projekt immer mehr ins Stolpern gerät und all die Probleme und Widersprüche auftreten, vor denen wir schon immer gewarnt haben: das Scheitern der Mischverkehrstrasse auf den Fildern oder Winnie Hermanns treppenwitziger Vorschlag eines zusätzlichen unterirdischen Kopfbahnhofs, überhaupt das ganze Stuttgart 21 Zwo – all das sind Vorboten des Scheiterns!

Deshalb wollen wir Euch heute, wo wir diese Leinwand auf der Demobühne haben, unser gutes Argument ‚Umstieg21‘ zur Rückenstärkung nochmal in Erinnerung rufen.

„Wir“, das Umstiegsteam, das sind neben Hans-Jörg und mir natürlich Norbert, der sich noch etwas erholen muss, um bald wieder mitmischen zu können, und aus der Ferne auch mein Sohn Theo und eigentlich auch der verstorbene Peter Dübbers, der in der Anfangsphase unserer Arbeit mit ganzem Herzen und viel Sachkenntnis dabei war.

Eine starke Bürgerbewegung muss immer in der Lage sein zu sagen, wie es anders und besser geht. Das war schon der Grundgedanke des ersten K21-Konzepts von 2006. Dann als sie schon am Bauen und Zerstören waren, kam die erste Fassung des Umstiegskonzepts 2016. Und schließlich die aktuelle Fassung von 2021, die Gültigkeit behalten wird, egal wie weit sie mit ihrem Unsinn kommen.

Was wir wollen, ist Umnutzung. Also nicht zurück auf Null, wie uns die Proler immer unterstellen, weil das natürlich unendlich teuer wäre, lange dauern und viele ökologische Schäden anrichten würde, sondern das Beste aus der aktuellen Situation machen.

Wir konnten zeigen, dass ein klimaverträglicher, ja klimadienlicher Umstieg möglich ist,

  • der den leistungsfähigen Kopfbahnhof erhält und ausbaut, und damit einen Beitrag zur Mobilitätswende leistet,
  • der den Schlossgarten wiederherstellt,
  • und der die Stadt von einem Großteil des oberirdischen Güterverkehrs befreit.

Vielen Dank an Werner für die Erläuterung der Vorgehensweise beim Erarbeiten der Umstiegs­konzepte. Er hat auch gleich die Schwerpunkte für die heutige Rede genannt, denn selbst eine nur annähernd vollständige Erläuterung von 50 Seiten Umstieg21 ist hier nicht möglich. Aber wir wollen durchaus zur (erneuten) Lektüre der Broschüre motivieren.

Zentraler Punkt des Konzepts ist der Erhalt und Ausbau des oberirdischen Kopfbahnhofs mit seinen 16 Gleisen. Dies ermöglicht in Stuttgart weiterhin einen Fern- und Regionalverkehr ohne lange Tunnel. Die Probleme beim Brandschutz der S21-Tunnel werden doch immer deutlicher und ihre menschenverachtende Ignoranz durch die politisch und bahntechnisch Verantwortlichen ist empörend. Wie diese Tunnel alternativ genutzt werden können, das wird auch im Film von Klaus Gietinger gut beschrieben. Deshalb will ich dazu erst am Ende unserer Rede einige Erläuterungen geben.

Die immer neue und höhere Wogen schlagenden Auseinandersetzungen um die Gäubahn sind mit dem Erhalt unseres Kopfbahnhofs sofort gelöst. Die wichtige Verbindung des europäischen Eisenbahnnetzes (TEN) zwischen Zürich und Stuttgart und die Anbindung der südlichen Landesteile an die Landeshauptstadt werden nicht für mehr als ein Jahrzehnt oder auch für immer unterbrochen, sondern die einmalig schöne Panoramastrecke stellt dauerhaft und leistungsstark die Verbindung bis zum Hauptbahnhof her. Es braucht keinen eingleisigen Nordhalt und unsere S-Bahn muss auch nicht bis nach Horb oder gar bis Singen fahren. Ebenso kann der klimaschädliche Bau des längsten Eisenbahntunnels Deutschlands zwischen Böblingen und dem Flughafen entfallen.

Wenn die Tunnelfraktionen im Stuttgarter Gemeinderat mit dem grünen Baubürgermeister Pätzold und im Verband Region Stuttgart immer wieder die angeblichen Chancen von S21 für den Städtebau zelebrieren, dann ist das unehrlich. Beide Gremien sind im Lenkungskreis vertreten und konnten seit vielen Jahren die Fehlplanungen für die Gäubahn verfolgen. Sie haben aber nichts dagegen unternommen, sondern eine gescheiterte Planung nach der anderen akzeptiert – Steffen Siegel hat uns ja oft genug informiert, was dort oben auf den Fildern für ein Murks abläuft.

Zur Gäubahn wurde im Film ja auch Verkehrsminister Hermann interviewt. Dabei kann ich sein Auftreten nur als „ein Häufchen Unglück“ bezeichnen. Sein Verstecken hinter der Volksabstimmung und die angeblich kritisch-konstruktive Begleitung von S21 sind halt auch nicht ehrlich. Seine Überzeugungen gegen S21 musste er den Koalitionen der Grünen mit SPD bzw. CDU opfern. Aber er hat es getan und ist damit verantwortlich.

Mit dem Kopfbahnhof würde bei Umstieg21 auch ein Teil des heutigen Abstellbahnhofs erhalten bleiben. Der frei werdende Teil soll nicht für Immobilienspekulationen und eine klimaschädliche Bebauung der Kaltluftschneise Stuttgarts sondern zur Erweiterung des Schlossgartens genutzt werden. So „stiefmütterlich“ wie die Gäubahn wird ja auch der Abstellbahnhof bei S21 behandelt. Die Abstellung in Untertürkheim und die Bereitstellung der Züge erfordert kilometerlange Zugfahrten (nicht nur Rangierfahrten).

Außerdem soll die Anbindung des Abstellbahnhofs nach Bad Cannstatt zunächst (oder für immer?) nur über ein Bestandsgleis mit niveaugleicher Kreuzung beider Richtungsgleise der Güterumgehungsstrecke („Schusterbahn“) erfolgen. Die genehmigte Planung für 1.6 sieht eigentlich den Neubau einer zweigleisigen und kreuzungsfreien Verbindung vor, aber die Projektgesellschaft will diese nicht bauen. Mit diesem Thema werden wir uns noch an das EBA wenden.

Mit dem Erhalt des Kopfbahnhofs kann auch der durch S21 zerstörte Schlossgarten wiederhergestellt werden. Auch in diesem Bereich ist es möglich und sinnvoll, die Baugrube einer neuen Nutzung zuzuführen. In respektvollem Abstand zum wiederaufgebauten Südflügel können drei Kelchstützen im oberen Teil wieder freigestellt werden – also ohne Verbindung und kreisförmig zurückgebaut.

Unter dem Rand einer solchen Kelchstütze kann ein von Glasflächen eingefasster Pavillon entstehen, der gastronomisch, zur Touristen-Information oder für andere Zwecke genutzt werden könnte. Ein solcher Pavillon ist auch als Empfangs-Vorraum und attraktiver Zugang zur dauerhaften Ausstellung der spektakulären Modellbahn-Anlage von Wolfgang Frey nutzbar. Die Ausstellungsräume selbst würden sich unter der etwa in halber Höhe der Kelchstütze liegenden Geländeebene befinden. Bei der Konzepterarbeitung stand diese Anlage noch in Herrenberg. Den größten Teil des Weges bis zum Hauptbahnhof Stuttgart hat sie nun bereits zurückgelegt.

Die Verwandlung einer Kelchstütze in einen „Wasserkelch“, von dessen oberem Rand ein veränderlicher Wasservorhang herabströmt, wäre sicher besonders spektakulär. Das Innere des Wasservorhangs sollte begehbar bleiben und dort beispielsweise über das Stuttgarter Mineralwasser informiert werden. Die im Sommer in der Innenstadt meist stark aufgeheizte Luft würde befeuchtet und gekühlt werden.

Hinter den drei einzelnen Kelchstützen könnte der Bahnhofstrog mit vier verbundenen Kelchstützen komplett als Halle erhalten bleiben und als Ersatz für den ehemaligen Landespavillon dienen. Zum Park hin kann das Gelände als flacher Hügel gestaltet werden. Für die Nutzung dieser „Unter-vier-Augen-Halle“ in zentraler Lage gibt es viele Ideen. Einige davon werden in der Broschüre Umstieg21 dargestellt.

Im Gegensatz zu S21 ist mit Umstieg21 auch eine Lösung für den Wasserabfluss aus der Innenstadt bei einem extremen Starkregen gegeben. Bis zum Bau von S21 stellte der fast ebene mittlere Schlossgarten auf einer Höhe von etwa 239,7 Meter NN mit einer Breite von etwa 100 Metern keinerlei Hindernis dar.

Bei S21 soll die Bahnhofshalle mit dem Zugang Staatsgalerie durch einen unterirdischen Gang mit Geländeüberdeckung verbunden werden. Der Tiefpunkt liegt dann etwa 1,60 Meter höher. Das führt zu einem entsprechenden Rückstau, der sich durch das V-förmig modellierte Gelände bei Extremregen noch deutlich erhöht. Der Abfluss von 100m³/Sekunde würde nicht wie im alten Schlossgarten weniger als 0,5 Meter anstauen, sondern mehr als 3 Meter über dem früheren Gelände.

Bei unserem Konzept Umstieg21 kann zwischen der Halle und dem bisherigen Geländeanstieg zur Staatsgalerie das Gelände auf der bisherigen Höhe des Schlossgartens so modelliert werden, dass ein etwa 40 Meter breiter Abfluss ohne V-förmige Verengung entsteht. Gegenüber S21 ist für den Abfluss von 100m³/Sekunde der Rückstau etwa 2,5 Meter niedriger und liegt damit nur wenig über der früheren Situation.

Nun aber noch einige Sätze zur unterirdischen Güterlogistik in der Bahnhofsgrube und den für S21 gebauten Tunneln. Dieser Ansatz wird im Film von Klaus Gietinger kurz dargestellt, in der Broschüre Umstieg21 finden sich dazu wesentlich genauere Erläuterungen.

Es geht mit Umstieg21 nicht etwa um eine Alternative, den Hauptbahnhof mit herkömmlichen Güterwagen anzufahren. Nein, weltweit wird an Lösungen zur Ver- und Entsorgung der Innenstädte gearbeitet und es gibt verschiedene Ansätze, bei denen der Gütertransport zwischen Peripherie und Stadtzentrum im Untergrund erfolgt. Wir haben „Smart City Loop“ als Logistiksystem mit dem vollautomatischen Transport von Europaletten für die Stuttgarter Gegebenheiten untersucht – mit einem externen Gutachten und innovativen Lösungen.

Als besonders aufwändig werden bei allen Projekten (z.B. in Hamburg) die Suche nach geeigneten Umschlagplätzen und der Bau der Tunnel beschrieben. In Stuttgart gibt es durch S21 aber bereits die riesige Baugrube des Halbtiefschrägbahnhofs, die ausreichend Platz für einen sogenannten City-Hub, also einen Verteilknoten für den zentralen Güterumschlag in die Innenstadt, bietet. Dafür wäre der wieder errichtete Nordflügel besonders geeignet. Unterirdisch ist ausreichend Platz für die kurzzeitige Zwischenlagerung von Paletten vorhanden.

Als Verbindung zur Peripherie ist durch S21 eine ganze Tunnelspinne z.B. zum Flughafen mit der A8 und nach Untertürkheim vorhanden und kann gut genutzt werden. In Untertürkheim bietet es sich an, den alten Güterbahnhof nicht als Abstellbahnhof für S21 zu nutzen, sondern als Güter­verteil­zentrum (GVZ) zur Anbindung des umweltfreundlichen Schienentransports an das unterirdische Logistiksystem.

Am Flughafen, also an der A8 und in unmittelbarer Nähe zum Südportal des Fildertunnels liegt ein sehr geeigneter Standort für ein Güter­verteil­zentrum, das den LKW-Güterverkehr mit dem Logistiksystem verbindet. Um den Flächenverbrauch auf den hoch belasteten Fildern gering zu halten, schlagen wir vor, dieses GVZ über der Autobahn aufzuständern.

Eine Röhre des Logistiksystems „Smart City Loop“ mit Zweirichtungsbetrieb benötigt nur einen Durchmesser von 4 Metern und kann bis zu 1,5 Mio. Paletten pro Richtung im Jahr transportieren. In den S21-Doppeltunneln ist damit noch viel Platz vorhanden für einen Ausbau des Logistiksystems, aber auch für vielfältige weitere Nutzungen, z.B. für Versorgungsleitungen und Lagermöglichkeiten. Auch dazu verweise ich auf die Broschüre.

Mit einem solchen unterirdischen Logistiksystem kann Stuttgart weltweit Aufmerksamkeit erreichen. Es würde dazu beitragen, dass für die Eisenbahn und uns alle gilt:

Oben bleiben!

Rede von Werner Sauerborn und Hans-Jörg Jäkel als pdf-Datei

Bilder zum Umstieg

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Eine Antwort zu Umstieg21 bleibt die Lösung!

  1. Horst Ruch sagt:

    …weltweit Aufmerksamkeit erreichen? Hier scheint das „Ego“ von Umstieg 21 doch einwenig abstrus. Das Bonatz-Scholer Gebäude ist schon (immerhin) Städtebauliche Kulisse geblieben. Die Gleiszuführung zum Tunnelbahnhof fast fertig. Ab jetzt gilt: bitte realistisch bleiben. Was fehlt, ist die Einsicht der Stadtverwaltung (!samt Planungsamt!) auf Ex-OB Schusters Konzerthalle auf dem genehmigten!! PFA 1.1/1.2 Nördliches Bahnhofsgebäude, endgültig ad Akta zu legen.Die zu erneuerden, sowie zusätzliche Gleise über die Gäubahn beizubehalten bzw. anzudocken. Diese oberirdischen 4-6 Gleise könnten falls notwendig bzw. Klimatologisch /städtebaulich verträglich. mühelos überbaut werden. z.B. das Rathaus der Landeshauptstadt platzt aus allen Nähten.

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