Schluss mit Atom! Energiewende jetzt – weltweit!

Rede von Dr. Jörg Schmid, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), auf der 651. Montagsdemo am 6.3.2023

Liebe FreundInnen einer vernünftigen Verkehrspolitik,
Liebe BefürworterInnen eines modernen Kopfbahnhofs,

zwölf Jahre sind jetzt seit dem großen Erdbeben in Japan und der darauffolgenden Kernschmelze von drei Atomreaktoren in Fukushima vergangen. Die Situation vor Ort an den havarierten Reaktoren bleibt weiter ernst.

Mittels einer Spezial-Sonde konnte im Mai 2022 bestätigt werden, was wir alle befürchtet haben: Das Betonfundament von Reaktor 1 hat sich durch die Kernschmelze aufgelöst. Jedes weitere größere Erdbeben kann damit potentiell zu einem Einsturz der Reaktorruine führen – mit der Konsequenz einer erneuten Verstrahlung. Und wir wissen nicht, wie die Betonsockel in den anderen zwei betroffenen Reaktoren aussieht.

Die geschmolzenen Brennelemente müssen weiter ununterbrochen gekühlt werden, um eine erneute nukleare Kettenreaktion zu verhindern. Über die Jahre sind so ca. 1,3 Millionen Tonnen an verstrahltem Kühlwasser angefallen und gespeichert worden. Durch eine unterirdische, ca. 1 km lange Tunnelröhre wird das radioaktive Wasser jetzt in den Pazifik eingeleitet.

Vor der Verklappung des Kühlwassers werden zwar einzelne radioaktive Stoffe herausgefiltert – dies ist aber technisch nur unzureichend möglich. Um die Grenzwerte dennoch zu erreichen, wird jetzt – und das ist der perfide Trick daran – vor der Einleitung Meerwasser hinzugemischt und so die Menge einfach um das 100-fache verdünnt. Die Anzahl der radioaktiven Stoffe, die trotzdem im Meeressediment landen werden, bleibt aber die gleiche – ob verdünnt oder nicht!

Die damalige radioaktive Wolke im März 2011 regnete zu 80% über dem Pazifik ab – gottseidank für die Menschen in Japan. Aber durch den 3-fachen Super-Gau kam es zur bisher größten radioaktiven Verschmutzung der Meere aller Zeiten – und mit der Verklappung nimmt diese weiter zu.

Die regionalen Fischer protestieren gegen diese Meeresverschmutzung, die Anrainerstaaten protestieren, der UN-Meeres-Ausschuss hat protestiert, aber Japan zeigt sich unbeeindruckt. Europa duckt sich in dieser Frage weg, weil wir über Jahrzehnte, bis heute übrigens, den Müll aus den WAAs in England und Frankreich genauso im Atlantik verklappt haben.

Fukushima ist weit entfernt von jeglicher Normalität. Die gesundheitlichen Gefahren für die Bevölkerung dauern an. Der Schilddrüsenkrebs bei Kindern ist normalerweise sehr selten – bei einer radioaktiven Verstrahlung ist diese Krebsform der erste sichtbare Marker von Folge-Erkrankungen. Wenn wir unabhängige Daten zu den offiziell veröffentlichten hinzunehmen, dann sind zwischen 2011 und März 2022 allein 198 Kinder erkrankt, erwartet hätten wir nur ca. 16 erkrankte Kinder. Aber die japanische Regierung verleugnet weiterhin den Zusammenhang zwischen Erkrankung und Verstrahlung – wider ärztlichem Wissen.

Bis 2020 hat man versucht, die Evakuierungszonen nach und nach zu dekontaminieren – dies mit großem technischen und menschlichen Aufwand, aber insgesamt konnten nur ca. 15% der betroffenen Fläche dekontaminiert werden. Und so wird die Radioaktivität mit jedem Wind, mit jedem Regenguss, erneut in den Dörfern verteilt. Und überall gelten noch immer die Notverordnungen, die eine 20-fach erhöhte Radioaktivität gegenüber internationalen Standards erlauben.

Tschernobyl und Fukushima mahnen uns, die nicht zu verantwortenden Gefahren der Atomenergie nicht zu vergessen – auch und gerade in der jetzigen Klimadebatte!

Am 15. April soll nun endlich der Atomreaktor in Neckarwestheim abgeschaltet werden – wir zählen die Tage bis dahin und hoffen, dass die Korrosion der Dampferzeuger, also deren Verrostung, nicht noch in letzter Minute zu einem Spannungsriss führt – mit allen dann möglichen Konsequenzen für die Bevölkerung.

Dass jetzt endlich abgeschaltet wird, ist technisch bedingt, die Brennelemente sind abgebrannt, und es gibt momentan keinen Nachschub. Aber es ist auch ein Erfolg unseres jahrzehntelangen Widerstands.

Damit der Reaktor in Neckarwestheim, aber auch die im Emsland und in Landshut, dauerhaft abgeschaltet bleiben, müssen wir im Alarmzustand sein – denn es ist noch nicht vorbei. Die Atomlobby wird darauf drängen, die Abschaltung der AKWs rückgängig zu machen.

Deshalb kommt sowohl zur Fukushima-Demo am kommenden Samstag und auch am 15. April zur Abschaltkundgebung nach Neckarwestheim – wir müssen den Atomausstieg unumkehrbar machen! Dazu brauchen wir die Solidarität eures S21-Widerstands und die der gesamten Klima-Bewegung.

Die Klimaerwärmung lässt uns wenig Zeit. Atomenergie ist keine Antwort auf die Klimakrise. Wir brauchen jetzt die Investitionen in Sonne und Wind und in eine ökologische Verkehrswende!

Daher: abschalten und oben bleiben!

Rede von Jörg Schmid als pdf-Datei

 

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