Bauernprotest, Bahnpolitik, Baumfällungen: Gemeinsam die Politik vom Kopf auf die Füße stellen! 

Gekürzte Moderation von Tom Adler, Demoteam, auf der 691. Montagsdemo am 15.1.2024

Meine Damen und Herren, liebe Freund*innen,

ja, wir sind wieder da – für einen klimaschonenden Bahnverkehr, also gegen klimazerstörerischen Tunnelwahn, für den Erhalt des Kopfbahnhofs und die direkte Anbindung der Gäubahn, für die Umnutzung der Tunnelbauten – für Baustopp und Umstieg! Und für: wessen Stadt? Ja, für unsere Stadt!

Wie schön dass auch Sie wieder dabei sind, danke, dass Sie mit ihren Spenden immer wieder dazu beitragen, dass wir unseren Protest und unsere konstruktive Kritik auf dieser Bühne gut sichtbar und hörbar machen können!

Wir sind wieder da, und bei uns ist unser heutiger Redner Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der relevantesten Umweltschutzorganisation Deutschlands, der Deutschen Umwelthilfe – lieber Jürgen, schon jetzt einen großen Willkommensapplaus, danke, dass Du wieder zu uns sprechen wirst!

Jürgen Reschs hervorragendes Buch „Druck machen!“ haben wir drüben am Infostand zum Verspenden, es ist mit großem Gewinn zu lesen und Jürgen Resch signiert auch gerne!

Mit der DUH, Extinction Rebellion, NABU, BUND und Robin Wood stehen wir auch gegen allerhand unsinnige Baumfällungen in unserer Stadt, darüber informiert Sie jetzt Julia von Staden von Robin Wood Stuttgart!

In Stuttgart bahnt sich gerade eine neuer Irrsinn an.

Die Uni plant in Vaihingen auf dem Campus ein neues Forschungsgebäude für nachhaltiges Bauen. Für dieses Gebäude möchten sie ein kleines Waldstück mit alten Bäumen roden – obwohl in direkter Nähe ein alternativer Bauplatz wäre, nämlich ein Parkplatz. Dort hätte das Gebäude auch Platz. Sie wollen roden, trotz breitem Protest von ROBIN WOOD, Extinction Rebellion, BUND und NABU. Und das, obwohl die Uni dafür prämiert und gefeiert wurde, dass sie in ein paar Jahren nahezu autofrei sein wolle.

Ein Gespräch letzten Freitag zwischen den Umweltorganisationen und der Uni mit Vertretern des Wissenschaftsministerium war leider sehr enttäuschend. Die Uni zeigte keinerlei Bereitschaft, ihren Plan zu ändern, und will demnächst abholzen. Und wir zeigen keine Bereitschaft, das einfach zu akzeptieren!

Bitte schließt euch uns an und kommt zur Ortsbegehung am Samstag, 20.1. um 14:00 zum Pfaffenwaldring 27 – gegen die Abholzungen! Oben bleiben!

Dankeschön für diese Info, liebe Rowos, liebe Julia, haltet uns bitte auf dem Laufenden, damit wir auch gemeinsam zeigen können, dass wir das nicht akzeptieren!

Bauernproteste

Zugegeben: unsere Proteste sind nicht so martialisch wie die Trecker-Konvois der letzten 2 Wochen. Aber die Wut, die die Bauern auf die Straße treibt, ist verständlich: Die Regierung vergeigt erst den eigenen Haushalt. Dann greift sie in ihrer selber erzeugten Not den Bauern in die Kasse. Sie schont und begünstigt aber weiter und obszön die Reichsten der Gesellschaft. Die klimaschädlichsten Subventionen werden weiter nicht angetastet, und heute gibt Lindner auch noch bekannt, dass es das Klimageld als Ausgleich für höhere CO2-Bepreisung nicht geben soll.

Der eindrucksvolle Bauernprotest greift bisher aber die katastrophale Landwirtschaftspolitik der EU und sämtlicher Bundesregierungen gar nicht an, sondern beschränkt sich auf Kfz-Steuer und Dieselsubvention. Regierungs- und EU-Politik fördern aber Großbetriebe und zwingen immer mehr kleine zum Aufgeben. Sie ist verantwortlich für das Höfesterben.

Gegen die Marktmacht der großen Handels- und Lebensmittelkonzerne sind Bauern bis heute wehrlos – die diktieren die Preise. 1970 blieben von einem Euro, den wir für Lebensmittel bezahlt haben, noch rund 50 Cent beim Bauern. Heute nur noch 25 Cent – den Rest teilen sich Supermärkte und Lebensmittelindustrie.

Bauernpräsident Ruckwied stellt sich gern als Interessenvertreter einer Land-Idylle dar. Ist er aber nicht, sondern ein Agrarindustrieller und Lobbyist der industriellen Großlandwirtschaft. Die oberen 10 Prozent der subventionierten Betriebe greifen 50 Prozent aller Subventionen ab – und die unteren 50 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe müssen sich gerade mal 7 Prozent teilen. Ruckwied ist eng verbandelt mit Agrarkonzernen. Und konsequenterweise Mitglied der CDU. Er und sein Lobby-Netzwerk verstehen geschickt, die Nöte und den berechtigten Zorn der kleinen und mittleren Bauern für Parteipolitik und für eine weitere Rechts-Verschiebung der Diskussion auszunutzen. Jahrelang haben sie aber mit wechselnden Regierungen dabei mitgeholfen, die Subventionspolitik konsequent für die industrialisierten Großbetriebe zum Nachteil der bäuerlichen, ökologischen Landwirtschaft auszurichten!

Landwirtschaft braucht Subvention – aber nicht länger so! Billig-Agrarexporte für den Weltmarkt und eine nachhaltige, umweltfreundliche Landwirtschaft mit einem fairen Einkommen für heimische Betriebe – das passt nicht zusammen.

Das passt so wenig zusammen wie ein 8-gleisiger Tunnelbahnhof und die Verkehrswende. Und wir sagen: Wir verstehen nicht nur Bahnhof! Wir haben verstanden, dass die ganze, bewusst falsch ausgerichtete Bahnpolitik vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, wenn Verkehrswende gelingen soll.

Dasselbe gilt für die Landwirtschaft: auch die bisherige Landwirtschaftspolitik muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden!

Zerstörerische Politik vom Kopf auf die Füße zu stellen:  in diesem Sinn haben wir gemeinsame Ziele mit den vielen Landwirten, denen das Wasser bis zum Hals steht. Und wir – Demokrat*innen, Ökologen, Klimaschützer*innen, Gewerkschafter, Sozialisten – haben allen Grund, insbesondere die Bauern zu unterstützen, die sagen: Landwirtschaft ist bunt, nicht braun! Die sich gegen Vereinnahmungsversuche durch Rechtsradikale, durch AfD und CDU wehren! Skrupellos wie Rechte sind, schämen die sich ja nicht einmal, sich als Bauernretter aufzuspielen, während sie in den Bundestagsausschüssen den Subventionskürzungen zugestimmt hatten, und wie die AFD Agrarsubventionen sogar ganz streichen wollen!

Und bei aller Sorge über den gesellschaftlichen Rechtsruck sollten wir nicht vergessen: Bauern aus dem Wendland sind mit ihren Traktoren zu unseren Demos gegen die Baumfällungen im Schlossgarten gekommen! Bauern waren immer vorne mit dabei im Kampf gegen Atomkraftwerke und die Daimler-Teststrecke in Boxberg. Sie haben die Rheinbrücken blockiert, als die Stahlarbeiter in Rheinhausen im Streik waren.

Die Schutzgemeinschaft Filder und die Filderbauern haben Treckerblockaden gegen die Enteignung bester Ackerböden für die Messeerweiterung gemacht. Sie haben bis heute eine weitere Startbahn des Flughafens verhindert. Und wir haben mit ihnen ein gemeinsames Ziel: noch mehr Ackerlandzerstörung durch den Pfaffensteigtunnel zu verhindern!

Bahnstreik

Anders als die Bauern werden streikende Lokführer ja gern als grenzwertige Geiselnehmer von unbeteiligten Reisenden diskreditiert. Claus Weselsky, der GDL-Vorsitzende, wird gezeichnet als der ewige Streithammel auf Ego-Trip. Liebe Freundinnen und Freunde, ich bin ja selber mit Überzeugung Gewerkschafter, Mitglied der IG Metall. Und ich habe es selber erlebt: die GDL und Claus Weselsky genießen hohe Anerkennung an der Gewerkschaftsbasis, und zwar weil sie genau das tun, was Millionen von Mitgliedern in DGB-Gewerkschaften sehnlichst von ihren Gewerkschaftsvorsitzenden erwarten: dass sie es sich nicht auf dem Schoß der jeweiligen Bundesregierung bequem machen, sondern standhaft und hart für ihre Mitglieder einstehen – gegen alle medialen Anfeindungen!

Claus Weselsky und die GDL haben sich immer auch gegen die zerstörerische Bahnpolitik sämtlicher Regierungen positioniert. Die Forderungen, für die seine GDL jetzt streikt, sind weder „maßlos“ noch „unerfüllbar“. Es sind Forderungen, die unserem Interesse an einer funktionierenden Bahn zu Gute kommen! Sie würden diesen Arbeitgeber Deutsche Bahn wieder attraktiver machen, mit verlässlichen kürzere Schichtzeiten und mit einem Lohn, der der Verantwortung gerecht wird – heute sind die Kolleg*innen der Bahn ja nur noch die Blitzableiter, die im Zug, am Gleis, auf den Bahnhöfen ausbaden müssen, was ihnen ein tatsächlich maßloses Top-Management der DB AG eingebrockt hat! Ich sage nur: Boni!

Deutsche Bahn und Politik brauchen also noch mehr Druck, und die Lokführer werden Druck durch weitere Streiks erzeugen. Und seien Sie sicher: dann wird wieder, zuallererst im Springer-Konzern, das große Propaganda-Gebläse von „Maßlosigkeit“ bis „Ego-Trip“ angeworfen werden!

Und da ist auch unsere Solidarität mit den Lokführern gefragt, denn wir und die GDL wissen und sagen eins nämlich schon lang, und zwar gemeinsam: Wer etwas für die Schiene und die Verkehrswende tun will, der muss einerseits gegen Stuttgart 21 antreten und gleichzeitig streikende Eisenbahner unterstützen. Heute auf der Titelseite der Stuttgarter Nachrichten hat Claus Weselsky das wieder getan: Er hat sich mit uns durch scharfe Kritik an Stuttgart 21 solidarisiert! Und wir, liebe Kolleg*innen der GDL, wir schicken euch von unsrer Kundgebung ein Zeichen der Solidarität – macht doch dafür mal bitte ordentlich Lärm!

(Lauter Beifall)

Bezeichnend übrigens für die Stuttgarter Zeitung, dass Weselskys ausführliche Stuttgart-21-Kritik in der StZ nur online lesbar ist und im Print auf wenige Zeilen geschrumpft wurde!

[Die ungekürzte Version des Weselsky-Interviews wird auf der kommenden Montagsdemo gedruckt vorliegen]

Komiker unter sich

Nach all der ganzen komplexen Kost gibt es zum Schluss auch noch Komisches: Das neue Jahr von Stuttgart 21 hat nämlich mit kabarettreifem Wettbewerb um die Frage begonnen: Wird Stuttgart 21 oder das Riesenrad vorm Neuen Schloss zum künftigen Wahrzeichen von Stuttgart?

Die Wettbewerber der Redaktion der Stuttgarter Zeitung/Nachrichten brachten das Riesenrad ins Spiel – wenigstens für das Winterhalbjahr. Verkehrsminister Hermann, ansonsten bekannt als zuverlässiger Projektförderer, bezweifelte, dass Stuttgart 21 das Zeug zum Wahrzeichen hätte, weil anders als die Hamburger Elbphilharmonie eben unterirdisch.

Stuttgarts OB Frank Nopper stieg dann im Wettbewerb um die Poleposition der Lächerlichkeiten in den Ring, um dem Verkehrsminister vehement zu widersprechen. Wir Stuttgart-21-Gegner bringen gerne eine weitere aber gar nicht komische Variante ins Spiel: ein Wahrzeichen ist das Projekt doch schon längst – für politische Ignoranz, für Missachtung von Fakten, Physik und Demokratie und Sabotage an der Verkehrswende. Das wird es auch bleiben, Herr Nopper, ob fertig gebaut oder nicht!

Wir jedenfalls machen keinen albernen Wettbewerb um Wahrzeichen, sondern streiten weiter für Umnutzung und Umdenken, und bleiben dabei zuversichtlich!

Kommen Sie gut nach Haus, bis kommenden Montag auf dem Schlossplatz! Oben bleiben!

Moderation von Tom Adler

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