Das Scheitern der Wohnungspolitik aufhalten!

Rede von Johanna Tiarks, Fraktionsgemeinschaft „Die FrAKTION“, auf der 703. Montagsdemo am 15.4.2024

Liebe Freund:innen,

heute war mal wieder ein schlechter Tag für bezahlbare Mieten in Stuttgart. Vorhin war im Rathaus der Unterausschuss Wohnungsbau. Einziges Thema auf der Tagesordnung die Gemeinderatsdrucksache 13/2024: Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Stuttgarter Wohnungswirtschaft für gutes und bezahlbares Wohnen – also Bündnis Wohnen 2.0.

Ihr erinnert euch sicher noch alle an das Bündnis für Wohnen 1.0. Das Bündnis, in dem die Wohnungswirtschaft sitzt, Grundstücke vergünstigt bekommt und dafür eigentlich bezahlbaren Wohnraum bereitstellen sollte. Machte sie halt nur nicht. Außer die SWSG, da kann man sie dann ausnahmsweise mal loben, weil sie sich an ihre Versprechungen gehalten hat.

Jetzt soll es also eine Neuauflage geben. Eigentlich haben die Wohnungsunternehmen Geld gescheffelt. Mit den steigenden Zinsen und Baupreisen sind die Gewinne halt gerade nicht mehr so groß. Und was passiert dann? Sie erpressen die Stadt um Geld, sonst wollen sie überhaupt nicht mehr bauen. Und klar, der Bau von Sozialmietwohnungen rentiert sich dann ja gleich gar nicht mehr – da müssen es also mehr teure und weniger bezahlbare Wohnungen werden!

Das hat System. Die EnBW am Stöckachareal baut seit einem Jahr lieber gar nicht, bevor sie nicht ordentliche Gewinne einfährt. Dabei scheffelt sie gerade regelrecht das Geld von ihren Stromkund:innen und macht Gewinne wie noch nie!

Dieser neue Vorschlag für ein Bündnis Wohnen 2.0 geht auch noch hinter das zurück, was die Verwaltung vor anderthalb Jahren selbst einmal vorgeschlagen hat. Z.B. sollte der Planungsgewinn von 30% auf 25% reduziert werden. Da gab es dann einen großen Aufschrei der armen, armen Wohnungswirtschaft. Und der Vorschlag war so schnell vom Tisch, so schnell konnte man gar nicht gucken! Jetzt hat Körner anderthalb Jahre mit denen verhandelt. Und er sagt – mehr würde nicht gehen.

Dabei ist das Ganze eine Bankrotterklärung. Das Ziel ist jetzt, dass wir in den nächsten Jahren nicht mehr Sozialwohnungen haben. Nein, es sollen nur nicht weniger werden!

Das als Ziel auszurufen, grenzt an Fahrlässigkeit den Menschen gegenüber. Denn Menschen mit wenig Geld leiden besonders unter den hohen Mieten, durch Inflation und teure Nebenkosten. Leider steigt das Gehalt ja nicht im gleichen Maße mit. Und die Hälfte der Stuttgarter Mithaushalte hat eigentlich einen Anspruch auf eine Sozialmietwohnung. Wir haben 14.500 Sozialmietwohnungen, 4.500 Haushalte in der Vormerkdatei, von denen 3.000 Haushalte Not- und Dringlichkeitsfälle sind. Und die Zahlen steigen seit Jahren! Das werden also in Zukunft auch nicht weniger werden, sondern mehr!

Und was machen die Grünen, die SPD und Puls? Fordern 30% Sozialmietwohnungen plus 10 Prozent mitpreisgedämpften Mietwohnungsbau. Damit werden wir nicht weit kommen. Damit bauen die Unternehmen weiterhin zum Großteil Wohnraum für Menschen mit hohem Einkommen. Aber leider können sich Verkäufer:innen, Reinigungsfachkräfte und Erzieher:innen keine 20 Euro pro Quadratmeter leisten. Die können dann in Stuttgart nicht mehr leben und werden verdrängt.

Es kann sich aber auch nicht wirklich was ändern, wenn die Stadt 2023 gerade mal 8 Millionen für den Sozialmietwohnungsbau ausgegeben hat. Das kann ja nicht ausreichen. Und die Stadt sagt selber, dass alleine mit Neubau der Anteil an gefördertem Wohnraum nicht erhalten werden kann. Kein Wunder, wenn beim Neubau der Anteil an Sozialmietwohnungen bei 30% ist. Wenn man sich da überlegt, wie viel Geld mal so einfach für den Abriss und Neubau der Schleyerhalle ausgeben wird, ist das schon fast lächerlich. Ich erinnere: 400 Millionen für den Abriss und Neubau der Schleyerhalle.

Dabei könnte die Stadt doch einfach selber bauen. Sie würde sogar eine höhere Förderung vom Land für den Bau von Sozialmietwohnungen bekommen als es z.B. die SWSG bekommt, und die Wohnungen würden nie wieder aus der Bindung herausfallen und somit für immer als bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben. Dann wäre es auch einfacher, den Anteil an Sozialmietwohnungen zu erhöhen. Das wäre doch mal was: statt Abriss und Neubau der Schleyerhalle – 400 Millionen für bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart!

Es kommt aber noch schlimmer: Sachkundige Einwohner:innen sollen jetzt immer im Unterausschuss Wohnen mit dabei sein. Aber natürlich nicht die Mieterinitiativen oder der Mieterbund. Nein, natürlich die Wohnungsunternehmen! Und damit gibt man grundsätzlich der falschen Gruppe noch mehr politischen Einfluss als sie eigentlich haben sollte. Das wird für sie dann die super einfache Lobbyarbeit – von den Mehrheiten aus Grüne, CDU und SPD im Gemeinderat auf dem Silbertablett serviert.

Und heute haben wir dann dieses Schmierentheater im Unterausschuss Wohnen auch schon live erleben dürfen. Weil die Grünen und Puls die Wohnungsunternehmen schon für diese Sitzung extra eingeladen haben, um mit ihnen die Vorlage für die wohnungspolitischen Ziele der Stadt zu diskutieren. Da fragt man sich schon, für wen wir eigentlich Wohnungen bauen? Für die Profite der Wohnungsunternehmen oder für die Stuttgarter Mieter:innen? Die Mieter:innen, die es doch am meisten betrifft, werden bei dem ganzen nicht beteiligt, nur die Unternehmen – es gibt nicht mal mehr der Anschein von Bürgerbeteiligung oder grüner Politik des „Gehörtwerdens“. Wie tief wollt ihr eigentlich noch sinken liebe Grüne, Sozialdemokraten und Stadtisten?

Eigentlich ist klar, wo die Reise hingehen muss. Wir müssen uns nur mal den Leerstand von Wohnraum in Stuttgart anschauen. Die Tatsache, dass unsere Anfrage zum jahrelangen Leerstand in der Wilhelm-Raabe-Straße von der Verwaltungsspitze erst nach 517 Tagen beantwortet wurde, sagt eigentlich alles. Die Wilhelm-Raabe-Straße 4 – ein Paradebeispiel für die bereitwillige Inkaufnahme von jahrelangem Leerstand. Die Stadt Stuttgart muss endlich anfangen, sich hinter die Mietenden zu stellen und nicht hinter die Interessen von Spekulanten, renditeorientierten Investor:innen und Kapitalgesellschaften.

Nicht nur Wohnraum steht leer, sondern auch Büroraum. Dieser kann in Wohnraum verwandelt werden. Mittlerweile stehen 5,4 Prozent der Büroflächen in Stuttgart leer, das sind 432.000 Quadratmeter. Das könnten mehr als 5.000 Wohnungen sein. Die Initiative vom Schoettle-Areal hat genau dazu Ideen, wie das gehen könnte.

Die Linke steht für nachhaltiges Bauen im Bestand, Nachverdichtung und Aufstockung, Sanierung und behutsamen Neubau von mietpreisgebunden Wohnungen auf bereits versiegelten Flächen. Wir brauchen Erhaltungssatzungen, mehr Milieuschutzsatzungen und wir müssen endlich den Leerstand wirksam bekämpfen.

Auf was hoffen stattdessen die Grünen und die SPD? Auf die alles rettende Rosensteinbebauung, während sie gleichzeitig dafür sorgen, dass nichts besser wird für Menschen mit kleinem Geldbeutel. Das Gleisvorfeld bleibt ja jetzt erst mal bestehen, Abbau ab 2025 ist passé. Selbst wenn der totale Unsinn Stuttgart 21 nicht gestoppt würde, wird dort bis Ende der 30er Jahre niemand wohnen.

Niemand weiß heute, wie sich der Bedarf bis dahin entwickelt. Wir wissen aber, dass heute Wohnraum mit erschwinglicher Miete fehlt – und dass sich das nicht verbessert, wenn nicht jetzt das Ruder herumgerissen wird für bezahlbare Wohnungen, statt für die Renditen der Bauindustrie.

Davon völlig abgesehen: das Gleisvorfeld darf überhaupt nicht bebaut werden – wenn wir nicht den hunderttausenden Innenstädtern in Zukunft unerträglichen Hitzestress zumuten wollen! Was für ein kurzsichtiger Quatsch: Frischluft und Kühlung sehenden Auges abzuschneiden – da kommt bei mir die Krankenschwester durch. Wie stellen die sich das zukünftig in Stuttgart vor? Es wird schlichtweg zu einer Übersterblichkeit von Menschen ab 60 Jahren aufgrund der hohen Temperaturen kommen.

Wie wollen die Grünen und die SPD das denn bitte schön rechtfertigen? Och, uns war Wohnraum für Reiche einfach wichtiger? Und das in einer Zukunft, in der wir aufgrund des demografischen Wandels immer mehr ältere Menschen haben werden.

Schweizer Seniorinnen haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewonnen, weil ihre Regierung zu wenig gegen den Klimawandel macht! Die Seniorinnen sind davon direkt betroffen, weil die globale Erwärmung sie direkt in die Gefahr bringt, bei Hitzewellen zu sterben. Mal schauen, wann die ersten Klagen aus Stuttgart kommen.

Aber selbst wenn jetzt 50% Sozialmietwohnraum im Rosenstein entstehen sollte, sind es dann eben auch 50% freifinanzierter Wohnraum, der entsprechend teuer sein wird. Und in Zahlen ist das alles auch irgendwie zweifelhaft. So sollen insgesamt 5.600 Wohnungen im Stadtviertel Rosenstein entstehen. Die Hälfte sind dann 2.800 Sozialmietwohnungen. Das reicht noch nicht mal für die Not- und Dringlichkeitsfälle aus!

Und das ist jetzt der heilige Gral für die Grünen und die SPD, um immer noch Stuttgart 21 zu rechtfertigen? Da könnte man eigentlich schon ein wenig mehr erwarten. Die Rosensteinbebauung führt zu einem Totalschaden für den Bahnknoten, zu einem Totalschaden für das Stadtklima und zu einem Totalschaden für die Mieter:innen.

Und dann reden die Mehrheiten im Gemeinderat immer und immer wieder davon, dass, wenn wir endlich bauen, das zu sogenannten Sickereffekten führen würde. Heißt, reichere Menschen ziehen in teurere Wohnungen und machen damit bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit einem geringen Einkommen frei.

Funktioniert aber halt nicht! Denn erstens sind die Erwartungen günstiger Mieten fürs Rosensteinviertel auf Sand gebaut. Es gibt keine verbindlichen Beschlüsse, sondern nur unverbindliche Absichtserklärungen. Gleichzeitig erklärt der Finanzbürgermeister, dass ihm schleierhaft sei, woher er die Milliarden für die Erschließung nehmen soll. Und dann kommt womöglich nach dem Urteil noch die Beteiligung der Stadt an den Mehrkosten von Stuttgart 21. Alles keine Zeichen, die Hoffnung machen können für bezahlbares Wohnen im Wolkenkuckucksheim Rosenstein.

Und jetzt schon steigen die Mieten im Umfeld in der Erwartung noch höherer Mieten bei einer Bebauung des Rosensteinviertels. Und damit teureren Mieten für ganz Stuttgart.

Wir in unserem Linksbündnis die FrAKTION stehen für mehr kommunalen Wohnungsbau – denn der Markt wird es eben nicht richten! Das ist das effektivste Mittel, um die hohen Mieten wieder zu senken! Leerstehender Wohnraum muss geahndet und wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Leerstehende Büroräume müssen umgenutzt werden zu bezahlbarem Wohnraum. Wie z.B. die Neckarstraße der ENBW oder das IBM-Eiermannareal.

Liebe Freund:innen, wenn ihr auch in den nächsten Jahren statt Wolkenkuckucksheimen im Rosensteinviertel lieber eine starke Stimme im Gemeinderat haben wollt für bezahlbaren Wohnraum und für einen funktionierenden Kopfbahnhof – dann setzt alle eure Kreuzchen weise am 9. Juni!

Und damit wünsche ich Euch allen noch einen wunderschönen Abend und – oben bleiben!

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