Rede von Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D., auf der 489. Montagsdemo am 11.11.2019
Liebe Freundinnen und Freunde,
heute ist der 11. November, Faschingsauftakt und Martinstag. Gerne hätte ich eine Büttenrede gehalten, doch leider ist unser Thema zu ernst. Und den Mantel möchte ich schon gar nicht mit dem Scheuer Andi teilen. Deshalb will ich mich in die Tradition der Hofnarren stellen, die ungestraft das sagen durften, was andere den Kopf gekostet hätte. Schlimm genug, dass Bürgerbewegungen und Verbände ihre Stimme gegen eine irrsinnige Politik erheben müssen, die unter dem Deckmantel der frühen Beteiligung der Bevölkerung bei Großprojekten daher kommt. In Wirklichkeit werden die Klagerechte von Betroffenen, die enteignet werden sollen, und von Umwelt- und Verkehrsverbänden beseitigt.
Wovon rede ich? Unser allseits bekannter und geschätzter Bundesverkehrsminister Scheuer hat einen Entwurf auf den Weg gebracht, den das Bundeskabinett unter Kanzlerin Merkel vergangene Woche in aller Eile durchgewunken hat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und den Medien. Wenigstens die Tagesschau hat dazu einen Bericht von Hermann Abmayr gesendet. Aber sonst schweigt der Blätterwald. Der Anschlag auf Demokratie und Rechtsstaat und gegen die Gewaltenteilung heißt Genehmigungsbeschleunigungsgesetz.
Beschleunigung klingt schon mal gut, nachdem sich jahrzehntelang in der Politik unserer Bundesregierung nichts beschleunigt hat – außer wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten ging. Konkret beschleunigt werden soll der Neu- und Ausbau bestimmter Verkehrsinfrastrukturprojekte.
Wie ihr wisst, wurden bisher solche Großprojekte durch Planfeststellungsbeschlüsse geregelt. Betroffene, also vor allem Grundstückseigentümer, sowie Umwelt-und Verkehrsverbände konnten dagegen klagen. So sieht es nicht nur das Grundgesetz vor, sondern auch das europäische Recht. Demnach muss immer eine Überprüfung durch unabhängige Gerichte möglich sein. Diese wird trotzdem durch das neue Gesetz ausgeschlossen. Dazu will ich anmerken, dass die Behörden eine gerichtliche Überprüfung nicht scheuen müssen, wenn sie sich an Recht und Gesetz halten. Leider ist dies nicht immer der Fall, wie wir zum Beispiel aus den Prozessen um die Luftreinhaltung wissen. weiterlesen