Prof. Rothengatter, der auch an der Machbarkeitsstudie zu Stuttgart 21 beteiligt war, schreibt bei XING Klartext zu Großprojekten: „Jedes Großbauprojekt beginnt mit einer großen Lüge“.
Rothengatter fragt sich, warum Deutschland in der "mangelnden Sorgfalt" bei Großprojekten "führend" ist, warum ausgerechnet hierzulande "Großprojekte so spektakulär aus Zeit- und Kostenrahmen fallen" und nennt dabei mehrfach Stuttgart 21 als Beispiel. Die Analyse ällt deutlich aus: "Massive Zahlenmanipulationen sind die Regel", "um ein Großprojekt erfolgreich und den politischen und gesetzlichen Prozess zu bringen". Rothengatter schreibt ausdrücklich von Zahlenmanipulationen auch im gesetzlichen Prozess. Dazu soll hier angemerkt werden: Das ist Betrug, entsprechende Baugenehmigungen sind nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zurückzunehmen (§ 48 "unrichtige und unvollständige Angaben").
Und diese Faktenmanipulation ist genau der Vorwurf der Kritiker des Projekts Stuttgart 21, wie sie auch zuletzt in ihrem "Fragenkatalog" dokumentiert haben. Rothengatter macht "offensichtliches Politikversagen" von den Kontrollgremien, die "keine Fachkompetenz" haben, verantwortlich. Der Stuttgarter Gemeinderat bewies das vor einer Woche, als die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 im entsprechenden Ausschuss besprochen werden sollte. Nur ging der Gemeinderat noch weiter, er wollte ausdrücklich nicht aus seiner Unwissenheit befreit werden, indem eine Diskussion der Kritikpunkte nicht stattfinden durfte. Ja es wurde sogar ein "Maulkorb" verhängt, dass die Experten keine Fragen von Gemeinderäten beantworten durften (siehe z.B. Rede Engelhardt auf der Montagsdemo vom 31.10.2016). Unwissenheit und Inkompetenz wird so zum Prinzip erhoben.
Man fühlt sich direkt in die Ausschussitzung der vergangenen Woche oder in die Anhörungen in den Planfeststellungsverfahren oder im Bundestag versetzt, wenn Rothengatter davon schreibt, dass das Projektmanagement zu "Höchstleistungen für die Selbstverteidigung" aufläuft, "statt seine volle Energie für die Problemlösung einzusetzen". Klartext hören wir auch zu den Kostensteigerungen, bei denen die "öffentliche Management-Inkompetenz" von den beteiligten Unternehmen ausgenutzt würde, um "kräftige Nachtragszahlungen für Zusatzleistungen" zu erhalten.
Rothengatter, der auch Mitglied der Reformkommission "Bau von Großprojekten" des Bundesverkehrsministeriums war, macht eine ganze Reihe von konstruktiven Vorschlägen, denen man nur zustimmen kann. Er selbst knüpft daran offenbar nur eine vage Hoffnung, angesichts zu erwartender "Personalwechsel" im Ministerium.