Kommentar zu Stuttgart 21
der Allg. Zeitung Mainz: Ratlos
Der Vorgang ist beispiellos: Angeblich will der Aufsichtsrat der Bahn am Dienstag beschließen, ein eigenes Gremium zur Überwachung des umstrittenen Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 zu installieren.
Ein solcher Schritt würde die übliche Aufgabenteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (im alleinigen Besitz des Bundes) ad absurdum führen: Schließlich ist der Vorstand in vollem Umfang für Wirtschaftlichkeit und Baufortschritt eines solchen Projekts verantwortlich. Wenn es wirklich zu diesem Schritt kommt, dann gibt es dafür nur zwei Deutungen: Es zeigt entweder, wie ratlos Bahn und Bund diesem Fass ohne Boden gegenüberstehen.
Oder der Bund sucht einen Umweg, um Bahnchef Rüdiger Grube zu vermitteln, er möge doch bitte von sich aus seinen Platz räumen. Möglicherweise ist es auch eine Kombination aus beidem - verbunden mit der Selbstentlastung des Aufsichtsrats, dass das Projekt für ihn selbst nie zu durchdringen war. Einem Aufsichtsrat, der bewusst nicht mit Politikern, sondern mit (ehemaligen) Wirtschaftskapitänen besetzt worden ist.
Auch ein neues Gremium wird nichts an dem Skandalon ändern, dass in Stuttgart Jahrzehnte lang ein Mammutprojekt vorangetrieben worden ist, das in seinem Größenwahn einen beispiellosen Bürgerprotest ausgelöst hat, und das schlicht unwirtschaftlich ist.
Wie Bund, Land und Stadt Stuttgart dieses Milliardendilemma auflösen wollen, mag ein Politkrimi sein. Bedeutender aber ist, dass Stuttgart 21 die Bahn über Jahre oder Jahrzehnte hinweg bei überfälligen Investitionen ausbremsen wird. Und das Schlimmste: Der Vorzeige-Industriestandort Deutschland wird sich nach Stuttgart 21 und nach dem Berliner Flughafen-Desaster die Planung großer Infrastrukturprojekte auf lange Sicht nicht mehr zutrauen.
Quelle: Presseportal - Hervorhebungen durch BAA