Rede von Volker Lösch, Theaterregisseur, auf der 700. Montagsdemo am 18.3.2024
Liebe Mitstreiter*innen,
was für eine Blamage! Schon wieder, zum gefühlt tausendsten Mal ist das der erste Gedanke, als Stuttgart 21 vor zwei Wochen abermals überregionale Schlagzeilen gemacht hat. Selbst die latent unkritische Stuttgarter Zeitung schrieb von einem „Desaster“, meint damit allerdings nur eine bevorstehende Teileröffnung, und nicht das gesamte Projekt. Das Bauvorhaben ist inzwischen so verfahren, so verkorkst und so lächerlich, dass man wieder mal glaubt: das wars jetzt in seinem unbeschreiblichen Dilettantismus, in seiner ganzen Erbärmlichkeit. Was wir aber schon öfters dachten – und dann wurde es irgendwie immer noch dümmer, noch absurder und noch beschissener als jemals zuvor. S21 ist ein Dauerfiasko zum Fremdschämen.
Wenn man die dystopische Steigerungslogik der letzten 15 Jahre zu Grunde legt und davon ausgeht, dass weitergepfuscht wird, dann könnte es im Jahr 2050 so aussehen: das Bau- und Immobilienprojekt, welches in „Stuttgart 51“ umbenannt wurde, ist, was die Luxuswohnungen mit Mietpreisen ab 50 Euro/qm betrifft, im Mittleren und Unteren Schlossgarten fertiggestellt worden, der zu 100 Prozent abgeholzt wurde. In Stuttgarts Zentrum steht kein einziger Baum mehr. Der Kopfbahnhof ist in Teilen noch in Betrieb, da der Tiefbahnhof immer noch nicht funktioniert, was auf inzwischen 2300 Montagsdemos regelmäßig vorausgesagt wurde. Aber auch der Kopfbahnhof ist durch die forcierte Sparpolitik der Bahn zugunsten ihrer Shareholder quasi funktionsunfähig. Dennoch bauen Bahn und Land, welches inzwischen von einem AfD-Ministerpräsidenten geführt wird, am Tiefbahnhof weiter. Die Eröffnung wurde über einhundert Mal verschoben, die Kosten haben inzwischen die 50-Milliarden-Euro-Marke gesprengt.
Die Bauträger*innen haben die Stadt durch den andauernden Ergänzungspfusch auch umwelttechnisch so ruiniert, dass der durch jahrzehntelange Betonierorgien erfolgte CO2-Ausstoß durch die Frischluftschneise nicht mehr kompensiert werden kann. Die Dauerbaustelle hat den inzwischen höchsten CO2-Ausstoß aller Baustellen weltweit, der Tiefbahnhof existiert bis jetzt allerdings nur mit einem Gleis und einer Haltstelle, die für die U-Bahn genutzt wird. weiterlesen →