Berichtigungen

Von Eberhard Boeck

Der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Dr. Wolfgang Schuster (CDU), hat 130.000 Euro aus dem Stadtsäckl genommen, um in einem Brief an alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger eine eigentümliche Entscheidungshilfe zur Volksabstimmung am 27.11. zu senden.

Irreführend schon der Titel: „Am Sonntag entscheiden Sie über die Zukunft unserer Stadt“. Erstens ist Zukunft immer ab morgen, und zweitens hat Stuttgart „Zukunft“ mit oder ohne Tiefbahnhof. Das Wohl und Wehe dieser Region wird n i c h t gefährdet, sollte das Projekt Stuttgart 21 scheitern.

Denen, die für JA ZUM AUSSTIEG stimmen, wird unterstellt, sie wollten, „dass die alten maroden Gleisanlagen und der sanierungsbedürftige Hauptbahnhof bleiben“. Abgesehen davon, dass dieser durch die Deutsche Bahn seit 16 Jahren vernachlässigt wurde, ist er der zweitpünktlichste Bahnhof der Republik (Stiftung Warentest). Wenn Sie für ein JA ZUM AUSSTIEG stimmen, erhöhen Sie den Druck auf Politik und DB, diesen Kopfbahnhof und das Gleisvorfeld endlich zu ertüchtigen

Wenn Sie für ein JA ZUM AUSSTIEG stimmen, so werden Sie von Herrn Schuster gewarnt, „dass wir als Bürger Schadenersatz in schwindelerregender Höhe, mehr als 1, 5 Milliarden Euro an die DB zahlen müssen.“ Anders gerechnete Ausstiegskosten: 275 Millionen (Ingenieure für K 21) bis 350 Mio ( Verkehrsministeriums). Der Stadt Stuttgart müsste die DB sogar 739 Mio zurückzahlen (betrifft Grundstücksverkauf des Gleisvorfeldes).

Schließlich warnt Herr Schuster: „Unklar ist auch, wie während der über zehn Jahre dauernden Sanierungsarbeit ein geregelter Bahnbetrieb möglich sein soll“. Dass das gar nicht so unklar ist, zeigen die gegenwärtigen Arbeiten im Gleisvorfeld (für S 21) bei laufendem Bahnbetrieb. Wesentlicher: Herr Schuster vergisst hier den Hinweis, dass bei der Verwirklichung von Stuttgart 21 in der Stadtmitte über mehr als zehn Jahre die größte Baustelle Europas Platz greifen würde, die den Bahnverkehr beeinträchtigt zum Nachteil der Bahnkunden und  übrigen Stadtbewohner.

Herr Schuster ist Befürworter von Stuttgart 21, und sein Schreiben –  keine Entscheidungshilfe, sondern ein Dokument der Einschüchterung und Prahlerei gegenüber jenen Bürgerinnen und Bürgern, die Zweifel haben an dem Nutzen dieses Projekts. Unsere Gesellschaften leben auf Pump, in Europa, in Deutschland, in Stuttgart – voraussichtliche 6,5 Milliarden für ein Projekt, bei dem Kosten und Nutzen in keiner vernünftigen Relation stehen.

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13 Antworten zu Berichtigungen

  1. daMax sagt:

    Der Schuster ist als OB eine Schande für diese Stadt! Pfui.

  2. lala sagt:

    Und wie begründet Schuster die 130k€?

    Wenn er schon seine private Meinung kundtun muss, dann 1. auf seinem eigenen privaten Papier und 2. von seinem EIGENEN Geld.

  3. Wolfgang sagt:

    Als Bayer ist es mir nicht möglich, mit wenigen Ausnahmen Stuttgarter nett zu finden, des Dialektes und der Geschichte wegen, aber die antidemokratische CXU verbindet uns. Ich weiS auch wie sich CSUnrecht anfühlt. Durch Zufall habe ich eine Webcam „entdeckt“ die Bilder von der Zerstörung eines großen Gebäude zeigte, es war euer Bahnhofsflügel. Seitdem verfolge ich das Geschehen und das abgekartete Spiel mit gewissem Ausgang.
    Ihr habt mit viel Herzblut gekämpft und allen Menschen in Deutschland etwas Demokratie zurück gebracht, vielen Dank dafür.
    Ich hoffe die Abstimmung endet in eurem Sinn, aber ich bin skeptisch es geht um viele Milliarden für wenige mit großem Einfluß.
    Sollte der Bahnhof vergraben werden nemmt es bitte mit Humor.

  4. Pingback: Stuttgarters OB Schuster gerät mehr und mehr in die Kritik | An alle BürgerInnen der Stadt Stuttgart – u.A.w.G. Um Antwort wird gebeten!

  5. Manu sagt:

    Ich denke mit „Humor“ meinte er, wir sollen uns dann nicht vor Gram verkriechen. Egal was passiert, wir haben jetzt schon eine Menge erreicht. Aber wir machen weiter!

  6. Wolfgang sagt:

    Nochmals off topic. Habe von den Papageien in eurem Park gelesen. Das ist so unglaublich, erstaunlich und wunderbar, dass so bunte Geschöpfe den Winter hier zu Lande überleben und bleiben wollen. Schade, daß so wenige Leute wissen was alles für den „ICE >> time is cash express“ vielleicht zerstört wird.

  7. Petra A sagt:

    Super die Kolumne von Joe Bauer dazu:

    Kolumne: Papa, Papa
    Von Herrn Dr. Wolfgang Schuster weiß man, dass es ihm nicht gelingt, sich von seiner psychologischen Kampftruppe im Rathaus einen halbwegs originellen Text für den Fassanstich auf dem Volksfest schreiben zu lassen oder wenigstens seine Leerzeilen mit gutem Vortrag zu füllen. Als Redner ist er ein Ausfall. Wohl deshalb hat er sich jetzt als Briefschreiber versucht.

    Normalerweise werfe ich Werbepost in die grüne Tonne, diesmal allerdings wurde ich neugierig. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass sich der Herr Oberbürgermeister mit der Formulierung „Sehr geehrter Herr“ an mich wendet. Schon eine Zeile später aber, als wäre das ganze Jahr Trachtenkirmes, verhöhnt er mich mit diesem Versprechen: „. . . am Sonntag entscheiden Sie über die Zukunft unserer Stadt. Jetzt sind Sie gefragt, wie es mit Stuttgart 21 weitergehen soll . . . Sie stellen die Weichen . . . „ Die Wahrheit ist, dass ich so wenig gefragt werde und Weichen stelle wie alle anderen Bürger, die Herr Schuster mit seinem Propagandaschrieb behelligt.

    Wie nicht überall im Land bekannt, findet an diesem Sonntag die sogenannte Volksabstimmung statt, und jeder, der bis drei zählen kann, wird schnell herausfinden, dass die Volksabstimmung eine Farce ist. Unter einer Farce versteht mein Koch im Wortsinn eine Füllung: etwas Hineingestopftes, das wie unsere Landesregierung weder Fisch noch Fleisch ist.

    Es gibt bei dieser Volksabstimmung ein Quorum. Um für eine vernünftige Zukunft der Stadt, also gegen Stuttgart 21 entscheiden zu können, müsste ein Drittel der Wahlberechtigten (und nicht etwa der Wähler) für den Ausstieg aus dem milliardenteuren Immobilienprojekt im Bahnhofsviertel stimmen. Wer sich auf dieser Ebene eine echte Chance ausrechnet, wird auf die Wahlgepflogenheiten der DDR zurückgreifen müssen (Frau Merkel weiß Näheres).

    Die S-21-Gegner haben nach irdischen Maßstäben so gut wie keine Möglichkeit, das Quorum zu erreichen. Es müsste, wie unser frommer Grünen-Ministerpräsident Kretschmann gesagt hat, „ein Wunder“ helfen. So scharf aber sind die Grünen gar nicht auf ein Wunder. Im Konfliktfall werden sie lieber Stuttgart 21 durchpeitschen als das Risiko eingehen, ihren (ersten) Ministerpräsidenten und ihre Jobs an der Macht zu verlieren. Die Grünen sind ja nicht nur von ihrer folkloristisch gestrickten Galionsfigur Kretschmann abhängig, sondern auch von der Gallensteinfigur Schmiedel, ihrem roten Koalitions- und Gottesbruder.

    Das bedeutet: Nachdem die Politik den Bürgerprotest gegen S 21 lange Zeit nicht ernstgenommen und verspottet hat, entwürdigt und entmündigt sie den Bürger am 27. November erneut, indem man ihm vorgaukelt, er könne fair über eine Sache abstimmen. Ich sage es nicht zum ersten Mal: Im Konflikt um S 21 hat man versucht, dem Vorwurf der Scheindemokratie mit Scheinwerfer-Demokratie zu begegnen: Transparenz mit Fernsehshows vorzuspielen. Jeder weiß heute, dass diese politisch verpackten TV-Soaps mit dem Stimmungsmacher Geißler etwa so viel Gehalt hatten wie der einst als „Schmierseifen-Olympiade“ berühmt gewordene TV-Wettstreit „Spiel ohne Grenzen“.

    Dieses Format stammt aus den sechziger Jahren und ist damit nicht nur ähnlich alt wie Sprache & Design in Schusters Propaganda für den Fortschritt, sondern auch so seriös wie das Werbegewäsch der siebziger Jahre. In Schusters Doppelblatt an den „Bürger“ hat man auf der Rückseite düstere Fotos von „Heute“ und am Computer fabrizierte Wunschbilder aus der „Zukunft“ abgedruckt. Vom Blubberblasen-Bahnhof keine Spur. Über einer weiten Parklandschaft mit Häusern und dem Rosensteinmuseum liest man folgende Schlagzeile: „Papa, Papa, stimmt es wirklich, dass hier früher Züge gefahren sind?“

    Diesen Spruch kennen wir so ähnlich aus der Colgate-Werbung der Siebziger: „Mami, Mami, er hat überhaupt nicht gebohrt.“ Mit dieser Zahnpasta-Reklame will der OB (der sehr wohl bohren lassen wird) den Bürger blenden und liefert, wohl für Zurückgebliebene, Papas Antwort: „Damals gab es auch starke Proteste. Doch hätte die Bahn nicht gebaut, dann hätten wir jetzt keine Wohnungen im Rosenstein. Und die schönen Grünanlagen mit Spielplätzen und Radwegen gäbe es auch nicht.“

    Dieser Klein-Dummi-Ton – der OB-Brief wurde mit einem sechsstelligen Betrag aus Steuergeldern finanziert – beleidigt jede Intelligenz, und der Stil verrät, welche politische Qualität dahinter steckt.

    Papa, Mama, stimmt es wirklich, dass man sich 2011 nach Christus diese Schmierenkomödie gefallen lassen musste?

    Hier im Originaltext: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.joe-bauer-in-der-stadt-kolumne:-papa-papa.c0b195cc-1798-4e75-ba1c-66c478569518.html

  8. S21-Nein-Danke sagt:

    Joe Bauer ist Klasse, furztrockener, hintersinniger Humor 🙂

  9. Ich habe die Annahme verweigert und diesen Brief an unser aller OB zurückgeschickt mit einem Hinweis, dass das mal wieder eine Steuerverschwendung ohne gleichen ist. Pfui, Herr Dr. Schuster. Sollten Sie nicht der OB aller Stuttgarter sein und offen, ehrlich, umfassend, neutral informieren? Sie tun das nicht und sind Handlanger des Kapitals. Mag sein, dass der unterirdische Bahnhof modern ist, eine Verbesserung für die Bahnkunden ist er nicht und kann er nicht sein. Hier geht es doch nur um einen riesigen Immobiliendeal. Pfui, Herr Schuster! Abgewählt gehören Sie!

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