S21-Baggerprozess: Urteil gesprochen

Im Baggerprozess am Stuttgarter Landgericht gegen zwei Robin Wood AktivistInnen wurde am 21. Juni das Urteil gefällt. Die Angeklagte Cécile Lecomte sprach selber von einem "Urteil ohne Überraschung im Namen der Bahn" und gab auf ihrer Website einen Bericht zum 7. und letzten Prozesstag, den wir im Folgenden übernehmen:
Am heutigen Tag wurde im so genannten Baggerprozess gegen zwei Robin Wood AktivistInnen vor dem Stuttgarter Landgericht das Urteil verkündet: 30 Tagessätze à 10 bez. 16 Euro. Den zwei KletteraktivistInnen war wegen ihrer Beteiligung an einer Baggerbesetzung gegen den Abriss vom Stuttgarter Hauptbahnhof am 30. August 2010 Hausfriedensbruch vorgeworfen worden. Die Firma Wolff und Müller hatte Strafantrag gegen die AktivistInnen gestellt.
Die Verteidigung hatte im Laufe der sechs Verhandlungstage immer wieder auf ein Verfahrenshindernis hingewiesen und ein Urteil durch Freispruch nach § 260 III StPO beantragt. Sie vertrat die Auffassung, nicht die Firma Wolff und Müller habe das Hausrecht gehabt, sondern die Deutsche Bahn. Also habe die falsche Firma den Strafantrag gestellt. Nachdem die Pflichtverteidiger beider Angeklagten in ihren Plädoyers ausführlich auf diese Frage eingegangen waren, war die Verhandlung vertagt worden.
In seiner mündlichen Urteilsbegründung räumte der Vorsitzende Richter Helweth zwar ein, dass nicht bewiesen werden konnte, dass das Hausrecht an die Firma Wolff und Müller übertragen worden war. Relevant sei aber der Wille der Bahn. Die Bahn sei damit einverstanden gewesen, dass die AktivistInnen angeklagt werden. Der Firma Wolff und Müller, die in ihrer Arbeit beeinträchtigt worden sei, habe es zugestanden, Strafantrag zu stellen. Dass dies laut Fachliteratur anders geregelt ist, war dem Gericht egal. Laut Kommentar-Literatur ist das Hausrecht Teilbereich der persönlichen Handlungsfreiheit, so dass eine Vertretung im Willen ausgeschlossen ist." Das war eine schwache Urteilsbegründung", kommentierte Rechtsanwalt Martin Heiming.
Zur Verkündung des Urteils waren die Angeklagten nicht erschienen. Die Aktivistin Cécile Lecomte kommentiert dazu: "Tricksen für eine Verurteilung im Namen der Bahn, nenne ich das. Das muss ich mir wirklich nicht anhören. Ich bereite mich lieber auf die nächsten Aktionen vor. Denn ich denke nach wie vor, dass unsere Aktion richtig und legitim war."
Das letzte Wort ist im „Baggerprozess“ noch nicht gesprochen. Die Angeklagten legen Revision gegen das Urteil ein.
Am gleichen Abend machte sich die in Lüneburg lebende gebürtige Französin auf dem Weg in die Normandie - für weitere Aktionen gegen irrsinnige Infrastrukturprojekte. Sie schreibt: "Stuttgart 21 wurde über die Köpfe der Menschen hinweg geplant, beim AKW- und Hochspannungsleitungsbau in der Normandie geht es nicht anders zu. Mit dem Unterschied, dass die Bevölkerung es dort mit der militärischen Polizei zu tun hat, wenn sie sich aufmüpfig zeigt. Es gibt dort viele Schwarze Donnerstage. Der Widerstand lässt sich aber weder durch Polizeigewalt noch Strafprozesse einschüchtern.“

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