Rede von Steffen Siegel bei der 198. Montagsdemo

Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 198. Montagsdemo am 18.11.2013

Kein Pfusch auf den Fildern!

Ich grüße euch, liebe Freunde der fruchtbaren Filder!

Stuttgart 21: Da sagte doch neulich einer auf schwäbisch: „der Käs isch gessa.“ Ein anderer auf Englisch: „im best case“ klappt es bis ins Jahr 2021. Möge beiden der Käs im Hals stecken bleiben. Speziell auf den Fildern stinkt der Käs im Moment besonders stark zum Himmel.

Seit kurzem liegen dort die Planfeststellungsunterlagen zur Einsicht für den noch völlig ungeklärten Filderabschnitt 1.3 aus. Ein Wust aus Informationen, Nebensächlichkeiten, auch fehlerhaften Dingen. Wir – Initiativen, Fachverbände usw. – wollen euch dabei helfen, Einspruch gegen diesen unsinnigen Planungsabschnitt zu erheben. Jeder Bürger ist einspruchsberechtigt, zumindest jeder, der schon mal auf eine verspätete Bahn gewartet hat!

Am wirkungsvollsten, ihr schreibt eure Kritik, eure Ideen in eigenen Worten auf und schickt dies bis allerspätestens 19. Dezember an das Regierungspräsidium Stuttgart. Als Hilfe haben wir und andere Mustereinsprüche ausgelegt. Nehmt sie als Vorlage, ergänzt sie, gern auch handschriftlich. Wer sich dies nicht zutraut, der kann auf einer Sammelliste mit unterschreiben oder sie mitnehmen und in der Bekanntschaft unterschreiben lassen. Es laufen schon einige fleißige Helfer durch die Reihen.

Rückblick: Die Bahn beantragte am 1.10. 2002 erstmals die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für den Filderabschnitt 1.3. Das Eisenbahnbundesamt sagte damals: „die Planung ist in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig.“ Dies wiederholte sich in den folgenden 11 Jahren bis heute mehrmals.

Dazwischen, im Frühsommer 2010, gab es durch Minister Ramsauer eine ganz windige befristete Ausnahmegenehmigung für die zusätzliche Nutzung enger S-Bahn-Tunnels durch die Gäubahnzüge (das sind die, die aus Zürich, Singen, Herrenberg kommen und dann zum Flughafen auf der S-Bahntrasse im Mischverkehr fahren sollen). Trotzdem geschah drei weitere Jahre nichts.

Im Jahr 2012 wollten die Projektbetreiber ihre miserable „Antragstrasse“ der Bevölkerung in einem dubiosen Filderdialog schmackhaft machen. Aber gegen jede Erwartung fiel bei jeder Abstimmung diese Trasse mit Pauken und Trompeten durch. Die beteiligten Bürger kamen zu einem klaren Ergebnis, nämlich:

  1. Kein Mischverkehr (Gäubahnzüge auf S-Bahntrasse) durch Leinfelden-E chterdingen.
  2. Erhalt der Gäubahnführung über den ehemaligen Westbahnhof zum Stuttgart-Hauptbahnhof. Dies hatte im Dialog, gut ausgearbeitet, auch Verkehrsminister Winne Hermann gefordert.
  3. Ausbau des Bahnhofs Vaihingen zum Regionalhalt.
  4. S-Bahn-Ringschluss über die Filder bis Wendlingen.

Keines dieser Mehrheitsergebnisse wird in den vorliegenden Planunterlagen ernsthaft bewertet. Das nennt der Fachmann ein Abwägungsdefizit, und damit kann die Genehmigungsfähigkeit in Frage gestellt werden.

Übrigens wollte auch Heiner Geißler in der Schlichtung die Gäubahntrasse erhalten! Von den meisten gar nicht wahrgenommen, hat Geißler in seinem Schlichterspruch aber ansonsten unverfroren die Filderprobleme unterschlagen. Damals vor ziemlich genau drei Jahren sagte er, unsere Kopfbahnhofvariante sei nicht umsetzbar, weil es dafür keine ausreichende Planung gäbe, und er fährt wörtlich fort: „Für Stuttgart 21 dagegen gibt es eine Baugenehmigung.“ Das war und ist blanker Unsinn. Was die Filder angeht, erweist sich der Schlichterspruch als ein ganz schlichter Spruch.

Die Filder ist ein wesentlicher Teil von S21, und dafür gibt es selbst heute, drei Jahre nach dem Schlichterspruch, nicht den Hauch einer Baugenehmigung. Wir haben hier eine einmalige Chance. Durch diese Filderpläne kann das ganze Projekt S 21in Frage gestellt werden? Warum?

Mit S21 wird ein Engpass, ja ein bahnbetrieblicher Rückbau, für alle Zeiten zementiert und eben nicht nur im Tiefbahnhof in Stuttgart, sondern auch und gerade im Filderabschnitt 1.3. Warum dies?

  • Die Gäubahnzüge werden zum Umweg über den Flughafen gezwungen. Dabei müssen sie sich ab der Rohrer Kurve zwischen zwei dort fahrenden S-Bahnen quetschen. Im ungünstigsten Fall haben diese nur 10 Minuten Abstand. Die S-Bahnen müssen bis zum Flughafen drei Mal halten. Also brauchen sie genügend Vorsprung, sonst laufen die durchfahrenden Gäubahnzüge auf. Wehe, da tritt irgendwo eine Verspätung auf. Dann muss ein Zug warten und dem anderen den Vortritt lassen und die Verspätungen schaukeln sich auf. Mehrfach gibt es höhengleiche Fahrstraßenkreuzungen. Und dann lässt man die Züge auch noch in einen eingleisigen im Gegenverkehr betriebenen Bahnhof am Flughafen fahren. Wenn das kein Rückbau ist.
  • Nach dem Terminalbahnhof schleifen die Gäubahnzüge in die Schnellbahntrasse von Wendlingen ein, wo sie sich mit den heranbrausenden Zügen aus Ulm abstimmen müssen. Und dann geht´s hinab zum Stuttgarter Tiefbahnhof, wo vorher schon größte Enge herrscht. Das Chaos dort ist vorprogrammiert, wenn auch noch aus dem Takt geratene Filderzüge dazukommen .
  • Und noch etwas: In Zukunft zweigen die meisten Züge aus Tübingen kommend vor Wendlingen ab zum Flughafen. Das heißt, Wendlingen, Plochingen, Esslingen wird von Tübingen aus abgehängt.

Die vorgelegten Pläne stellen nicht nur einen bahnbetrieblichen Rückbau dar, für uns vor Ort viel schlimmer, sie bergen die Gefahr erheblicher Risiken für Stabilität und Qualität unseres S-Bahn-Betriebs. Von all dem steht fast nichts in den Unterlagen. Das ist also ein zentraler Grund, Einspruch zu erheben.

Stuttgart 21 wurde lange unter dem Vorbehalt geplant, dass der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro nicht gesprengt wird. Vor einem Jahr schnellten die Kosten auf unfassliche 6,8 Mrd. hoch. Die Filderpläne sprengen auch diesen Kostendeckel.

Für den Filderabschnitt 1.3 wurden Ende letzten Jahres im Lenkungskreis die Kosten mit 536 Mio. € festgezurrt. Vor drei Wochen nun stand in der Zeitung: „Die Fildertrasse kostet jetzt 716 Mio. Euro“, also fast 200 Mio. mehr als bisher zugestanden. Diese neuerlichen 200 Mio. muss man also zwingend den 6,8 Mrd. für das Gesamtprojekt zurechnen. Wir sind also jetzt bereits bei 7 Milliarden!!! Und es wird noch viel, viel mehr. Und das für ein schädliches Projekt. Das Geld einfach verbrennen wäre umweltfreundlicher. Aber im Ernst: ein Projekt, das nicht finanzierbar ist, ist nicht genehmigungsfähig.

Das Motto heute war: 1000 Gründe für den Filderpfusch. Das kann ich in der kurzen Zeit wirklich nicht leisten. Deshalb hier nur Einiges in Stichworten:

  1. Durch den zusätzlichen Verkehr (Mischverkehr) ist in Oberaichen, Leinfelden und Echterdingen mit mehr Lärm und Erschütterungen zu rechnen.
  2. Die Ramsäuische Ausnahmegenehmigung ist bis 2035 befristet, und dann?
  3. Der Fernbahnhof liegt knapp 27 m unter der Messe. Es besteht die Gefahr, dass dieser im Brandfall zu einer tödlichen Falle wird.
  4. Das Umsteigen zwischen S-Bahnen, Fern- und Regionalverkehr ist wegen des großen Abstands (200 m) der Bahnhöfe und ihrer großen Höhenunterschiede sehr schwierig.
  5. Im Stresstest der Schweizer Firma ‚sma‘ wird angenommen, dass im Terminalbahnhof beide Gleise von allen Zügen befahren werden dürfen. Dies widerspricht den Planungen, also ist das Ergebnis des Stresstests unbrauchbar.
  6. Es gibt kein brauchbares Notfallkonzept, z.B. entfällt bei Störfällen im S-Bahn-Tunnel die Umleitung Vaihingen-Hauptbahnhof über die heutige Gäubahnstrecke.
  7. Der Bau der Rohrer Kurve bedeutet Zerstörung von Waldfläche und für Rohr mehr Lärm.
  8. Durch die Neubaustrecke entlang der Autobahn ist auch Plieningen starkem Lärm ausgesetzt. Die Neubaustrecke und die Einschleifung der Gäubahn führen in Plieningen dazuhin zu einem sehr hohen Landverbrauch. Angesichts der besonders fruchtbaren Filderböden ist dies nicht zu akzeptieren.
  9. Der Flughafen rechnet mit 1,2 Mio. mehr Passagieren durch S21. Die Pläne fördern klimaschädlichen Flugverkehr und damit die Diskussion um eine 2. Startbahn usw usw.

 

Ich möchte mit einem Zitat von Manfred Rommel schließen. Er sagte Anfang der 90er Jahre, durchaus selbstkritisch – und dies unterscheidet ihn von den meisten Politikern: „In der Politik kommt es gar nicht so selten vor, dass sich jemand im Namen des Fortschritts vom Möglichen ab- und dem Unmöglichen zuwendet.“

Wie wahr! Kämpfen wir weiter, von mir aus auch im Namen des Fortschritts gegen die Zerstörung, gegen diese Kriegserklärung an die Vernunft, für das Mögliche und für die Vernunft.

Erheben wir massenhaft Einspruch! Oben bleiben!

Redetext als PDF-Datei

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2 Antworten zu Rede von Steffen Siegel bei der 198. Montagsdemo

  1. Michael sagt:

    Wieso werden hier persönliche Meinungen wie der behauptete Leistungsrückbau, welchen nicht einmal das MVI bestätigen konnte, eigentlich als erwiesene Fakten dargestellt?

    Damit macht man sich doch kaum glaubwürdiger.

  2. Pingback: IO-Newsletter 24.11.2013: Tunnelbaustellen: ich verliere den Überblick | InfoOffensive Baden-Württemberg

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