Rede von Matthias von Herrmann bei der 239. Montagsdemo

Für unsere Stadtbahn!Rede von Matthias von Herrmann, Parkschützer, am 22.9.2014

Aufgaben des neuen Stuttgarter Gemeinderats

Erinnern Sie sich, dass wir vor erst vier Monaten den Stuttgarter Gemeinderat neu gewählt haben? Stuttgart 21 kam in diesem Wahlkampf ja fast nicht vor, obwohl S21 ganz erheblich das Stadtbild bestimmt und obwohl S21 ganz erheblich die Finanzen und auch die Verkehrssituation von Stuttgart belastet.

Der neu zusammengesetzte Gemeinderat tritt nächste Woche am 2. Oktober seine Arbeit an. Bei der ersten konstituierenden Sitzung im Juli wurden alle Gemeinderäte auf das Wohl der Stadt verpflichtet. Aufgabe der Gemeinderäte ist es, Stuttgarter Interessen zu vertreten – auch gegenüber der Bahn. Denn zum Wohl der Stadt ist sicher nicht, alles blind zu glauben, was uns und unseren Gemeinderäten von der Bahn vorgesetzt wird. Zum Wohl der Stadt ist auch nicht, die Pläne der Bahn nie und nimmer zu hinterfragen, auch wenn in der breiten Öffentlichkeit erhebliche Zweifel diskutiert werden.

Wenn Sie sich in der Bäckerei über zu kleine Brötchen beschweren wollen, dann gehen Sie zum Chef. Also werfen wir mal einen Blick auf den Chef, nämlich den Vorsitzenden des Stuttgarter Gemeinderats, auf Oberbürgermeister Fritz Kuhn: In seiner Antrittsrede im Januar 2013 sagte Kuhn, er wolle der Bahn auf die Finger schauen, so könne die Bahn nicht mit dem Gemeinderat umgehen. Fritz Kuhn sagte in seiner Antrittsrede auch, dass die Stadt auf die Expertise, die bei den Bürgern vorhanden sei, nicht verzichten könne. Diese Expertise, also das Fachwissen, müsse in die politischen Entscheidungen einfließen, das mache die parlamentarische Demokratie stärker.

Schöne Worte.

Vor einem Jahr, also im Herbst 2013, reichte die Bahn die 14. Planänderung zu S21 ein. Vordergründig geht es um die geänderte Bauweise des Nesenbachdükers. Ganz nebenbei steht in dieser 14. Planänderung auch, dass die Stadtbahnstrecke Charlottenplatz-Staatsgalerie für mindestens neun Monate gesperrt werden solle – zum Wohl der Stadt? Bislang steht in den amtlichen Unterlagen, dass ohne Beeinträchtigung der Stadtbahn gebaut wird!
Und weiter heißt es in der 14. Planänderung: Die Stadtbahnstrecke Hauptbahnhof-Staatsgalerie solle mindestens 26 Monate lang gesperrt werden, das sind über 2 Jahre! Fast drei Jahre Streckensperrung auf zwei zentralen Streckenabschnitten im Stuttgarter Stadtbahnnetz, das betrifft die U1, U2, U4, U9, U11 und die U14 – zum Wohl der Stadt?

Ein hohes Gut in Stuttgart ist unbestreitbar der bislang pünktliche und bequeme Stadtbahnverkehr. Das Schienennetz wird weiter ausgebaut, so können mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Aber das, was in der 14. Planänderung nebenbei als Kollateralschaden für zwei zentrale Tunnelabschnitte der Stadtbahn genannt wird, hat überhaupt nichts mit dem Wohl der Stadt zu tun. Im Gegenteil: Die Streckensperrungen und Umleitungen werden zu heillosem Stadtbahn-Chaos führen – Stau, Verspätung und jede Menge Stress und Ärger für täglich tausende Pendler.

Mit welchem Recht will die Deutsche Bahn eigentlich die Tunnel unserer Stadtbahn kaputt machen? Da ist es doch gerade die Aufgabe der Gemeinderäte, dies der Bahn zu verbieten, Veto zu rufen, eine Einwendung gegen die 14. Planänderung einzureichen – zum Wohl der Stadt!

Nun, die Stadt hat eine Einwendung gegen diese 14. Planänderung eingereicht. Aber darin kein Wort zur Stadtbahn-Unterbrechung, kein Wort dazu, dass hier funktionierende und von unseren Geldern finanzierte Infrastruktur zerstört werden soll. Kein Wort dazu, dass das Umsteige- und Umleitungschaos den Menschen, die mit der Stadtbahn fahren, nicht zuzumuten ist.

Die Gemeinderäte stellen bei der SSB die Hälfte des Aufsichtsrats. Außerdem ist OB Kuhn Aufsichtsratsvorsitzender. Zusammen mit Kuhn haben die Gemeinderäte also eine Mehrheit im Aufsichtsrat der SSB. Diese Mehrheit muss sich doch ganz entschieden gegen die 14. Planänderung wehren – zum Wohl der stadteigenen SSB, zum Wohl der 300.000 SSB-Fahrgäste. Diese Gemeinderäte müssen vom SSB-Vorstand fordern, Einspruch gegen die Pläne der Bahn einzulegen.

S21 hin oder her: Der Gemeinderat muss zum Wohle der Stadt darauf bestehen, dass die Bahn die SSB-Tunnel in Ruhe lässt, statt der Bevölkerung mitten in der Stadt ein jahrelanges Stadtbahn-Chaos zuzumuten – hier geht es ganz konkret um das Wohl der Stadt und ihrer Bürger.

Ich erinnere OB Kuhn an seine Worte zum Thema Expertise bzw. Fachwissen aus der Bevölkerung und daran, dass er auf das Fachwissen nicht verzichten könne, dass es in die politischen Entscheidungen einfließen müsse. Das Thema Stadtbahn-Chaos ist seit dem Start unserer Stadtbahn-Kampagne immer wieder in den Zeitungen gewesen, die Fraktionen der Grünen und von SÖS/Linke haben dazu Anträge im Gemeinderat gestellt. Über 1.000 Bürger haben einen offenen Brief an Bürgermeister Föll unterschrieben, die SSB reagiert verschnupft auf unsere Flyer-Verteil-Aktionen. Also ist das Thema im Gemeinderat, dem Hauptorgan unserer Stadt angekommen und das dank dem Fachwissen der Ingenieure22. Es ist höchste Zeit, dass die Gemeinderäte handeln: Verlangen Sie vom SSB-Vorstand, dass dieser Einspruch gegen die 14. Planänderung einlegt. Untersagen Sie der Deutschen Bahn, diese zentralen Stadtbahnverbindungen zu unterbrechen!

Alleine zum Thema Verkehr hat der neue Gemeinderat viel zu tun, denn die Verkehrssituation in Stuttgart ist eine Katastrophe:

  • Ein langes leidvolles Lied können besonders die Fußgänger und Radfahrer rund um den Bahnhof und entlang der Stadtautobahnen singen.
  • Aber auch die S-Bahn-Fahrgäste, deren Leid nun schon seit 2010 andauert, ohne dass sich der Gemeinderat bislang bei der Bahn für Verbesserungen eingesetzt hat.
  • Oder die Bewohner des Kernerviertels, denen nach und nach alle Zugänge in Richtung Hauptbahnhof genommen werden – vom unzumutbaren Bauverkehrslärm ganz zu schweigen.
  • Oder die Menschen in Bad Cannstatt, wo eine Brücke nach der anderen gekappt wird.

Und überall taucht das Reizwort Stuttgart 21 auf, weil die Bahn sich mit ihren Bauversuchen immer mehr in der Stadt ausbreitet – ohne jegliche Rücksicht auf das Wohl der Stadt. Und leider bislang auch ohne jegliche Kontrolle oder Einschränkung durch unsere gewählten und bezahlten Vertreter.

Liebe Gemeinderäte, der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen macht gerade vor, wie er als Hauptorgan der Stadt seine Gesamtverantwortung wahrnimmt: Er ließ untersuchen, welche Auswirkungen die S21-Filderpläne auf die S-Bahn haben. Ergebnis der Studie: Durch die Antragstrasse der Bahn droht der S-Bahn ein noch viel größeres Chaos als wir es heute schon haben – und das gilt es zum Wohl der Bürger zu verhindern!

Der Stuttgarter Gemeinderat sollte sich ein Beispiel nehmen an den Kollegen aus Leinfelden-Echterdingen und die Interessen der Stadt gegenüber der Bahn aktiv vertreten – zum Wohl der Stadt und ihrer Bürger.

Redetext als PDF-Datei

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