Rede von Dr.-Ing.Hans-Jörg Jäkel, Ingenieure22, auf der 423. Montagsdemo am 9.7.2018
Eigentlich scheuen die Projektbetreiber die Öffentlichkeit ja wie der Teufel das Weihwasser. Über Planungschaos, Kostensteigerungen und Terminverzögerungen berichtet man ja auch nicht gern. Aber ab und an sind sie dann doch gefordert, dem Gemeinderat oder den Bezirksbeiräten einige Informationen zum Bauablauf zu geben. Dabei werden fast immer neue Probleme offenbart. Ich möchte heute nur auf die dem Bezirksbeirat Nord vorgestellte Unterbrechung der Wolframstraße schon 2020 und auf die bei der Infoveranstaltung des Kernerviertels fast nur nebenbei erwähnte Unterbrechung der Stadtbahn bis mindestens 2022 eingehen.
Mit den baulichen Problemen der nach der 25. Planänderung nur noch einspurigen Schleifen an der Wolframstraße über den neuen S-Bahn-Tunnel habe ich mich schon in einer Rede im vergangenen Jahr beschäftigt. An der Mahnwache steht dazu ein großes Plakat. Aber jetzt wurde von der Bahn erklärt, dass die Unterbrechung der Wolframstraße schon Ende 2020 geplant ist – angeblich soll die S-Bahn möglichst zeitig auf der neuen Strecke verkehren, um dort ETCS zu erproben.
Aber der Bezirksbeirat Nord sieht das ganz anders. Er hat auf Antrag der SPD die Stadtverwaltung einstimmig aufgefordert, die Planungen für die Wolframstraße grundlegend zu verbessern und die Unterbrechung deutlich zu verkürzen. In der Diskussion hieß es, dass „die Bahn alles tut, damit sich auch noch die letzten Befürworter vom Projekt abwenden“. Da wir den Bezirksbeirat Mitte darüber informiert haben, hat sich auch dieser dem Antrag angeschlossen. Eine Antwort der Verwaltung steht nach unseren Informationen noch aus.
Die Wortwahl in der Antragsbegründung ist durchaus bemerkenswert, denn dort heißt es, dass „die Anwohner die Untätigkeit der Stadtverwaltung ausbaden dürfen, da die LKW vor ihren Fenstern vorbeidonnern oder im Stau vor sich hin dieseln. Dazu sagte eine Bürgerin: Wir sollen wegen Feinstaub unsere Autos stehen lassen und die Bahn dreckt uns ein“.
Da die voraussichtliche Fertigstellung des Projektes ja erst am Anfang des Jahres auf 2025 verschoben wurde und das für den Rückbau der oberirdischen Gleisanlagen noch erforderliche Planfeststellungsverfahren nicht mal am Horizont zu erkennen ist, wird die Unterbrechung der Wolframstraße auch nach Einschätzung der Bezirksbeiräte mindestens bis 2027, also 7 Jahre andauern. Die Probleme der Unterbrechung sind auch in den Planfeststellungsunterlagen deutlich dargestellt und selbst nach der 25. Planänderung heißt es dort, dass „eine Schließung der Wolframstraße nicht möglich ist“ und dass deshalb für den S-Bahn-Tunnel „der Lückenschluss gegen Ende der Gesamtbauzeit“ durchgeführt wird.
„Gegen Ende der Gesamtbauzeit“ – das ist bestimmt nicht 2020. Mal sehen, ob nach dem Antrag der Bezirksbeiräte die Stadtverwaltung beim EBA vorstellig wird und auf die Einhaltung der Planfeststellung drängt oder ob es die Bezirksbeiräte machen müssen. Es kann natürlich auch so sein, dass wir es selbst machen müssen – als besondere Art der „Bürgerbeteiligung“.
Bei der Infoveranstaltung des Bezirksbeirats Mitte für das Kernerviertel wurde von SSB und Tiefbauamt der Umbau der Haltestelle Staatsgalerie vorgestellt. Dass die Haltestelle doch nicht 2019 sondern erst Mitte 2020 fertig wird, das wird ja schon ohne Empörung aufgenommen. Was dann allerdings erst auf Nachfrage beantwortet und in der Präsentation überhaupt nicht erwähnt wurde, das ist die Unterbrechung der Stadtbahn zwischen Hauptbahnhof und Staatsgalerie. Bisher sollte dort nach 26 Monaten – also Anfang 2020 – die Verbindung wieder in Betrieb gehen. Das hätte ja gut zu der Fertigstellung der neuen Haltestelle gepasst. Aber jetzt soll diese Unterbrechung bis mindestens Ende 2022 dauern. Ein Skandal ist auch, dass darüber nicht mal mehr eine offizielle Information erfolgt, sondern nur auf Nachfrage in einer Bürgerinformation geantwortet wird. Da hat sogar mal die Stuttgarter Zeitung am 8. Juni kritisch berichtet.
Auf den Internet-Seiten „unsere-stadtbahn.de“, die von unserer Mitstreiterin Rike Kohlhepp bereitgestellt werden, kann man genau nachlesen, wie sich die Stadtbahnunterbrechungen von einstmals geplanten 9+26 auf aktuell 18+60 Monate erhöht haben. Aber vom Gemeinderat, SSB-Vorstand und auch vom SSB-Aufsichtsrat mit seinem Vorsitzenden OB Kuhn hört man dazu nichts. Sie ducken sich weg.
Auch zur Stadtbahnunterbrechung findet man Erstaunliches beim Blick in die mehrfach geänderten Unterlagen zur Planfeststellung. Der folgende Passus im Erläuterungsbericht, Teil III wurde offenbar bisher nicht mal aktualisiert: „Grundsätzlich gehen die Planungen davon aus, dass während der gesamten Bauzeit der Stadtbahnverkehr auf allen betroffenen Linien aufrechterhalten wird. Lediglich in der letzten der vier Bauphasen ist eine Betriebspause von rd. 2 Wochen für die Linien 9 und 14 auf dem Gleis 4 vom Hauptbahnhof zur bestehenden Stadtbahnhaltestelle vorgesehen. Die Planungen wurden in enger Abstimmung mit dem Tiefbauamt der Landeshauptstadt Stuttgart und der Stuttgarter Straßenbahnen AG ausgearbeitet. Der Bauablauf soll so abgestimmt werden, dass die 14-tägige Betriebspause in einer Ferienzeit liegt.“
Von nur 2 Wochen Betriebspause in nur einer Richtung und in der Ferienzeit sind jetzt 6½ Jahre oder 78 Monate oder auch 326 Wochen geworden. Das ist eine mehr als den Faktor 150, also eine einhundertfünfzigfach verlängerte Unterbrechung der Stadtbahn.
Auch da werden wir beim EBA nachfragen, wie aktuell denn die Planunterlagen sind und wie eine gegenüber der Ursprungsplanung derart abweichende Ausführung überhaupt genehmigt werden kann. Es geht ja nicht um irgendein Detail, sondern um die oft so vollmundig erwähnten genehmigten „Auswirkungen auf Dritte“, also auf uns Stadtbahnfahrer. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein Vertreter der SSB in einer öffentlichen Veranstaltung die 2 Wochen Unterbrechung in den Planunterlagen als einen „politischen Termin zur Genehmigung des Projekts“ bezeichnete. Von Frau Kaiser, der Bürger(beschwichtigungs)beauftragten der Stadt Stuttgart wurden solche Themen immer wieder ‚gesund gebetet‘. Aber nach etlichen Jahren übernimmt sie ja jetzt auch eine ganz andere Aufgabe.
Aber wir bleiben dran. Wir wollen kein Stuttgart 21, sondern einen Umstieg, und deshalb gilt weiterhin: „Ihr kriegt uns nicht los, aber wir Euch schon“.