Warum der GDL-Streik uns Stuttgart-21-Gegner angeht und unsere Solidarität nötig macht

Rede von Tom Adler, Demoteam, auf der 578. Montagsdemo am 6.9.2021

Meine Damen und Herren, liebe Freund*innen,

es war schon mehrmals Thema hier auf unsrer Kundgebung, es ist täglich Thema in den Medien und es muss auch hier wieder unser Thema sein: Der Streik der Eisenbahner der GDL für einen reallohnsichernden Tarifvertrag.

Bei der 576. Montagsdemo hat hier Norbert Quitter, stv. Vorsitzender der GDL gesprochen. Und wir konnten uns hier auf dem Schlossplatz davon überzeugen: der Vorstand der GDL schätzt uns und er teilt unsere Kritik an der Politik des Bahnvorstands. Diese Auseinandersetzung spitzt sich zu, die Hass-Kampagne von Bahn, Politik und Teilen der Medien gegen die GDL, ihren Vorsitzenden und den Streik war zu erwarten. Es fehlt nur noch die Veröffentlichung der privaten Telefonnummer von Claus Weselsky in der Bildzeitung, wie beim Streik 2014/15.

Die Kampagne gegen Weselsky und die streikenden Eisenbahner erinnert mich und bestimmt auch viele von euch auch an Kampagnen gegen unsere Bewegung in den Jahren 2009 bis 2011: auch da wurden alle Register der Manipulation gezogen, um uns klein zu halten, um mit Lügen und Stimmungsmache über das Projekt – Marke Mappus und Tanja Gönner – die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Verdeckte Ermittler und Provokateure wurden eingeschleust, hunderte von uns mit Prozessen überzogen und kriminalisiert, „Gottes Segen“ von SPD-Schmiedel und ein Pfarrer, der mit dem Namen „Miss-Bräuchle“ bekannt wurde, durften auch nicht fehlen.

Deshalb kann uns das nicht kalt lassen: Denn die GDL ist nicht nur kämpferisch ihrer Mitgliedschaft bei den Eisenbahnern verpflichtet, sie ist auch die einzige Kraft im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, die dagegen opponiert, dass der Vorstand weiter Milliarden in ein klimaschädliches Fass ohne Boden namens Stuttgart 21 schaufeln darf. Und sie wird auch im Aufsichtsrat dafür bekämpft bis aufs Messer.

Würden Bahnvorstand und Regierung durchkommen und der GDL in diesem Konflikt eine Niederlage beibringen, dann wäre ein wichtiger Bündnispartner unserer Bewegung schwer beschädigt – und das schadet auch uns! Da können wir nicht einfach so tun als wären wir unbeteiligte Zuschauer!

Die Forderungen der GDL nach echter Reallohnsicherung, nach Verlängerung der Betriebsrentenregelung und einer Coronaprämie – und zwar für alle: sie sind mehr als berechtigt, sie entsprechen in ihrer Höhe dem, was im öffentlichen Dienst vereinbart worden ist und sie sind insofern alles, nur nicht überzogen!

Und wenn wir genauer hinschauen, wie der Bahnvorstand sich zu diesen sehr berechtigten Forderungen der GDL verhält:

  • Der sucht keine Lösung des Tarifkonflikts, sondern legt es auf Provokation weiterer Streiks an, die die GDL überhaupt nicht aus „Machtgeilheit“ will, wie die Denunzianten unterstellen,
  • sondern die sie auch deshalb führen muss, um die Eisenbahner nicht zu demoralisieren, denn die haben die Nase sowas von gestrichen voll von ihren überteuerten obersten Chefs um Pofalla und Lutz!
  • Das sogenannte „ gute Angebot“, veröffentlicht am Abend Stunden vor Beginn des Streiks, als die Streikorganisation von Hamburg bis München gelaufen war – das war keine Suche nach Einigung, sondern nach Vermarktung in den Medien.
  • kein konkretes Angebot einer Coronaprämie,
  • nach wie vor: Reallohnabbau 2021!
  • und dann oben drauf noch das: kein Tarifvertrag für alle GDL-Mitglieder bei der Deutschen Bahn, sondern nur für Lokführer und Zugbegleiter.

Diese politisch motivierten Provokationen haben nichts anderes im Sinn, als einer kämpferischen kleinen Gewerkschaft eine Niederlage beizubringen: sie sind ein Vorspiel für das, was für Arbeiter, Angestellte, Beamte, Rentner*innen nach der Bundestagswahl anrollen wird. Die Kosten der Coronakrise und die Kosten klimaschützender Politik sollen nicht die Reichen und Großkonzerne tragen – das Muster ist bestens bekannt: Gewinne werden privatisiert, während Verluste sozialisiert werden!

Wir sind nicht nur Klimaschützer und Schienenverkehrsfreunde – wir würden auch betroffen sein von dieser absehbaren verschärften Umverteilung von unten nach oben. Kurz gesagt: wir verstehen nicht nur Bahnhof, und schon gar nicht nur: Stuttgart Hauptbahnhof!

Und was wir verstehen und deshalb solidarisch mit den Eisenbahnern sind, das müsste Reiner Hoffmann, Vorsitzender des DGB, zehnmal verstanden haben und sich mit den streikenden Kollegen und ihrer Gewerkschaft solidarisieren, statt ihnen öffentlich in den Rücken zu fallen und sich von ihrem Streik zu distanzieren! Anders als der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky ist der „Kollege“ Hoffmann noch nie durch besondere Kämpferischkeit aufgefallen; er fühlt sich offenbar eher daheim bei den Konzernvorstands-Verstehern in der Politik. Wie auch sein Vorstandskollege der EVG, der anderen Eisenbahnergewerkschaft.

Es scheint solchen Leuten nicht einmal mehr aufzufallen, dass sie die größte Resonanz in den Medien nicht etwa dann haben, wenn sie für berechtigte Forderungen – z.B. eine Bürgerversicherung – eintreten, sondern immer dann, wenn sie kämpfenden Kolleg*innen in den Rücken fallen! Das ist völlig indiskutabel, man muss ja an der GDL nicht alles gut finden, aber kämpfenden Kolleg*innen fällt man nicht in den Rücken! Nie!

Deshalb die Bitte an Sie, liebe Mitstreiter*innen: verteilen sie die Streikzeitung – nicht hier auf dem Platz, sondern an Passanten und am Bahnhof an Bahnfahrer. Deshalb auch die Bitte an alle Mitglieder einer DGB-Gewerkschaft unter uns: schreiben sie Protest-Mails an den Herrn Hofmann!

Wir Stuttgart-21-Gegner hätten in den langen Jahren unseres Kampfes für einen besseren Bahnverkehr und gegen die Verschwendung von Milliarden für schädliche Großprojekte wie S21 auch gern mal erlebt, dass sich Leute wie der DGB-Vorsitzende Hoffmann oder der Vorstand der EVG hinter uns gestellt und uns unterstützt hätten! Sie waren ein Totalausfall, nein schlimmer: Unterstützer des „Weiter-So“ von Bahn und Politik – und wir wissen doch, wohin das führt: in großen Schritten zu den Kipp-Punkten des Weltklimas!

Aus all diesen Gründen, liebe Freund*innen und Freunde, sollten wir solidarisch an der Seite der streikenden Eisenbahner stehen, ihre Gewerkschaft GDL fordert wie wir „Gute Bahn statt Börsenwahn“, Schluss mit Auslandsgeschäften, Schienenausbau in der Fläche statt Bahn- und Klimazerstörung mit Milliardeneinsatz wie bei Stuttgart 21 !

Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit, solidarisch, wach und Oben Bleiben!

Rede von Tom Adler als pdf-Datei

 

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