Vorbemerkungen
In den letzten sechs Jahren hat sich das politische Bewusstsein nicht weniger Stuttgarter Bürger/-innen geschärft. Vieles, was man nun durch die S21-Brille sieht, hätte man früher als isolierte Vorkommnisse wahr genommen, die nichts miteinander zu tun haben. Heute wissen wir, dass es ein bundesweites, ja, internationales „System 21“ (Prinzip S21) gibt, zu dem Phänomene wie „vor vollendete Tatsachen stellen“, „Intransparenz“, „Volksverdummung“, „Kostenverschleierung“, „Vertuschung“, "Investorenwohl vor Allgemeinwohl" und vieles mehr gehört.
Auch in der Justiz kann man dieses „System 21“ beobachten. Selbst wenn ein Prozess nichts mit Stuttgart 21 zu tun hat, es also keinen Zusammenhang mit einer K21-Demo oder der S21- Baustelle gibt, so hat die gerichtliche Aufarbeitung z. B. bei Hausfriedensbruch doch viele Parallelen zu einem Prozess um eine S21-Platzbesetzung. In der Prozessführung beim Vorwurf „Hausfriedensbruch“, im Verhalten von Staatsanwaltschaft und Polizeizeugen können interessante Parallelen erkannt werden. So geht es im folgenden Bericht zwar nicht um S21, doch sind alle prozessrelevanten Details übertragbar.
Rückblick: Prozess am Amtsgericht Cannstatt
Vor zwei Jahren waren vier Angeklagte wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs vom Amtsgericht Bad Cannstatt zu je 15 Tagessätzen verurteilt worden. (Die Verfasserin dieses Berichts kommentierte damals: „Selten hat mich ein Prozess – d. h. seine Führung und sein Ausgang – so erschüttert und ratlos gemacht.“) Zwei der Angeklagten hatten die Strafe angenommen, Georg B. und Th. S. jedoch hatten Berufung eingelegt. Und das war sinnvoll gewesen, denn das Amtsgericht hatte mehr als schlampig gearbeitet. Ja, es hatte sich die Sache einfach gemacht: Zwei Zeugen waren vernommen worden, auf Filmbeweismateriel wurde verzichtet (bei Videos aus technischen Gründen). Beweisanträge wurden mit „nicht der Wahrheitsfindung dienlich“ abgewiesen, und zwar so massiv, dass man an die Tür des Gerichtssaales ein Schild hätte anbringen können mit „Hier werden keine Beweisanträge angenommen“. Überhaupt war das Verfahren mit drei Stunden viel zu eng terminiert. Offensichtlich bestand kein wirkliches Interesse an einer Aufarbeitung des Geschehens. Wie gut, dass zwei der dann Verurteilten die Zuversicht hatten, dass eine höhere Instanz genauer hinblicken würde. Sie sollten Recht behalten. Ihre Berufung war erfolgreich, denn es kam im Juni 2016 am Landgericht Stuttgart zu einem Freispruch. Da die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil – welches am 15. Juli 2016 schriftlich vorlag - eingelegt hatte, musste die Entscheidung darüber abgewartet werden. Nachdem die Staatsanwaltschaft nun ihre Revisionsbestrebungen zurückgezogen hat, ist das Urteil – der Freispruch - rechtskräftig und ein Bericht über „den Fall“ kann erscheinen. weiterlesen










