Rede von Kathrin Hartmann, Journalistin und Autorin, auf der 555. Montagsdemo[1] am 15.3.2021
Hallo, ich bin Kathrin Hartmann,
es gibt ja im Moment nicht so wahnsinnig viel zu feiern, deswegen muss man jeden Anlass nehmen und ich würde sagen, die 555. Montagdemo gegen Stuttgart 21 wäre so ein Anlass – also erstmal: herzlichen Glückwunsch!
Ich will heute über ein weniger feierliches Thema sprechen und zwar über den fortschreitenden Flächenfraß in Deutschland – hat ja auch ein bisschen mit Stuttgart 21 zu tun.
Ich habe erst kürzlich am eigenen Leib erfahren, was das bedeutet. Es war schönes Wetter, was macht man bei Corona, man schnappt sich den Hund, setzt sich in die S-Bahn und fährt raus ins Grüne. Ins Grüne, hab' ich jedenfalls gedacht, weil die Wanderung, die wir da machen wollten, auf dem Papier total toll klang: entlang eines mäandrierenden Flüsschens, an Wäldern und Feldern vorbei und durch verwunschene einsame Auwälder.
Und so sind wir losgefahren, stiegen aus in einer kleinen Stadt nordwestlich von München und sind losgelaufen. Erstmal durch den Ort, dann durch ein nicht enden wollendes Neubaugebiet, dann durch ein Gewerbegebiet, entlang einer großen Ausfallstraße, dann über eine Autobrücke über die dröhnende Autobahn drüber, dann durch eine Unterführung unter der Bundesstraße durch, vorbei an der Müllverbrennungsanlage und einem Klärwerk. Dahinter Autobahnkreuz und nochmal ein Gewerbegebiet und schließlich waren wir erst nach eineinhalb Stunden da, wo wir hin wollten, nämlich in der Natur. Und dort haben wir ungefähr eine halbe Stunde gebraucht, um sie zu genießen, und dann ging es am nächsten Ort genauso weiter.
Da ist also Bayern. Und Bayern ist nicht die Idylle aus Seen, Bergen und romantischen Dörfern, wie es die Regierung unseres Freistaats so gerne hervorhebt, sondern eben auch eine zersiedelte, verschandelte und zubetonierte Landschaft. Zugehauen mit Umgehungsstraßen, Gewerbegebieten, Autobahnkreuzen und so weiter.
In Bayern verbrauchen wir jeden Tag eine Fläche von 10,8 Hektar (ha), das ist mehr als sonst wo in Deutschland. Die Hälfte für Wohnraum und jeweils ein Viertel für Verkehr sowie Gewerbe- und Industrieflächen. Pro Jahr verliert Bayern dadurch dauerhaft eine Fläche so groß wie der Ammersee.
Baden-Württemberg steht leider nicht viel besser da, hier werden zwar „nur“ 5 ha pro Tag verbraucht, allerdings ist Baden-Württemberg auch nur halb so groß wie Bayern, also kommen wir ungefähr auf das Gleiche raus. In Baden-Württemberg waren es 2019 1755 ha – und das ist ungefähr zehnmal so viel wie die Insel Helgoland. weiterlesen