Rede von Sarah Händel, Mehr Demokratie e.V., auf der 546. Montagsdemo[1] am 11.1.2021
Ich glaube, wir können alle noch nicht so richtig fassen, was da gerade in den USA passiert ist: ein Sturm aufs Capitol, das Herz der amerikanischen Demokratie, maßgeblich ermuntert und auch währenddessen gutgeheißen durch den amtierenden Präsidenten Donald Trump. Die Wahrnehmung darüber, was es bedeutet, die Demokratie zu schützen, könnte weiter auseinander nicht gehen. Postulieren die radikalisierten Trumpsupporter doch in den sozialen Medien, dass es ihre Pflicht sei, einen Umsturz anzuzetteln, um die amerikanische Demokratie zu schützen und sie so den Klauen einer linksliberalen Elite zu entziehen, die sie zugrunde richtet.
Wer darüber mehr lesen will, dem sei der hochinteressante Artikel aus der Zeit empfohlen: „Der Konservative als Revolutionär“ (https://www.zeit.de/kultur/2021-01/ausschreitungen-us-kapitol-revolution-michael-anton-the-flight-93-election).
Die Spaltung der Gesellschaft, wie sie hier offenbar wird, nimmt unvorstellbare Ausmaße an, und die Hoffnung ist klein, dass der neue Präsident Biden die Gesellschaft wieder miteinander versöhnen kann. Sicher kann er vieles von dem Öl, das Trump durch seine Politik ins Feuer gegossen hat, wieder zurücknehmen und Maßnahmen beschließen, die zum Beispiel an der hochproblematischen sozialen Ungleichheit ansetzen; doch auch er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Herausforderung angehen, bei der es den größten Nachholbedarf gibt: bei den Strukturen der Demokratie selbst.
Nicht nur in den USA, auch in vielen anderen westlichen Demokratien liegt einiges im Argen. Und angesichts ihrer Performance erscheint vielen ein Modell China nicht mehr so attraktiv wie lange Zeit zuvor. Seit dem Sieg der kapitalistischen Demokratien über die kommunistischen Diktaturen schien es so, als würde sich alle Welt auf ein klares Ziel hin entwickeln wollen. Es wurde sogar das Ende der Geschichte ausgerufen (Francis Fukuyama), so überzeugend erschien das Modell der kapitalistischen Demokratie. Doch angesichts der rasanten Fahrt in Richtung Endlichkeit der Ressourcen, hinein in einen massiv bedrohlichen Klimawandel und eine steigende Ungleichheit bei der Vermögensverteilung, die die Hoffnung auf ein gutes Leben bei vielen schwinden lässt, scheinen viele Demokratien keine allzu positiven Beispiele mehr zu sein. weiterlesen