Rede von Dr. Winfried Wolf, Verkehrsexperte, Journalist und Herausgeber von ‚LunaPark21′, auf der 528. Montagsdemo am 7.9.2020
Die zivilgesellschaftliche Bewegung gegen Stuttgart 21, die in diesem Jahr so oft ein „Zehnjähriges“ begeht, hat einen unglaublich langen Atem. Und sie hat diesen unter anderem deshalb, weil wir von Tatsachen und Fakten ausgehen. Weil wir dieses Gerede von einer „Magistrale Paris – Bratislava“ als Geschwurbel erkannten und entmystifizierten. Weil wir das Gerede von „Demokratie“ im Zusammenhang mit der Volksabstimmung zu S21 als hohl erkannten und – hier zusammen mit Edzard Reuter – feststellen, dass diese „Volksabstimmung mit erfundenen und verlogenen Zahlen“ durchgeführt wurde.[1] Und weil wir die Losung vom „technischen Fortschritt“ und davon, dass Stuttgart „mit der Zeit gehen“ müsse, ablehnen und dabei im guten Sinne des Wortes konservativ sind: conservare ist Lateinisch. Das meint laut Duden: „bewahren, erhalten, retten“. Denkmalschutz und Kulturgut bewahren, Bestehendes-Bewährtes erhalten, das Klima, die Umwelt und die Bahn als öffentliches Gut retten. Stattdessen erleben wir, wie die Bahn neu politisiert wurde und wie aus Stuttgart 21 ein Politikum gemacht wird. Wie mit „alternative facts“ – mit fake news, mit Lügen, mit Manipulation – gearbeitet wird. Und wie sich dahinter höchst spezifische Interessen verbergen.
Lasst mich das an den Beispielen Deutsche Bahn und Stuttgart 21 verdeutlichen:
1994 wurde die Deutsche Bahn gegründet. Damals hieß es: Eine Staatsbahn Bundesbahn sei schlecht; diese sei zum Spielball der Politik geworden. Und: Eine derart hochverschuldete Bahn, wie es die Bundesbahn am 31. Dezember 1993 war, kann nicht überleben. Sie ist strukturell unwirtschaftlich. Also wurde die DB als Aktiengesellschaft gegründet, angeblich staatsfern. Also wurden alle Altschulden der Bundesbahn und der Reichsbahn und die Verpflichtungen, resultierend aus der Altersversorgung, übernommen. Im Januar 1994 wurde eine Deutsche Bahn Aktiengesellschaft gegründet, die exakt 0,00 DM Schulden hatte.
Wie sieht die Bilanz heute, 26 Jahre später, aus? Zunächst einmal ist die DB AG ist ein hochpolitisches Ding. Wenn Frau Merkel nach Peking düst, hat sie den jeweiligen Bahnchef im Kabinengepäck. Es geht ja um die Seidenstraße. Wenn Frau Merkel nach Riad jettet, hat sie ebenfalls den Bahnchef mit dabei. Es geht ja um die 300 Stundenkilometer schnelle Pilgerbahn Mekka-Medina – die DB macht bei diesem Projekt übrigens „nur“ die Logistik; die Züge kommen aus Spanien von Talgo. Das war der Deal, bei dem der damalige spanische König Juan Carlos Dutzende Millionen Euro Schmiergeld kassierte, weswegen er sich vor ein paar Wochen eben dorthin, nach Saudi Arabien abgesetzt hat.[2] weiterlesen






