Termin: Dienstag 26.02.2013 von 20 bis 21 Uhr, Freies Radio für Stuttgart
Gäste im Studio: Julia von Staden und Peter Grohmann
Die Waffen-SS ermordete 1944 im italienischen Dorf Sant’ Anna di Stazzema 560 Menschen – vor allem Frauen und Kinder.
Die Täter sind verurteilt – aber frei.
Die Überlebenden fordern Gerechtigkeit – vergeblich.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – zuständig Bernhard Häußler – hat das Verfahren im Oktober 2012 eingestellt. Damit bleiben die Täter auf freiem Fuß. Häußler habe, so heißt es in der Erklärung der AnStifter, die Ermittlungsakten geschlossen mit der Begründung, das Ziel des SS-Einsatzes könne die ‚Bekämpfung von Partisanen’ gewesen sein. Diese Begründung ist eine nachträgliche Verhöhnung der Opfer.
Das Bürgerprojekt Die AnStifter und die Initiative 10. Mai wollen sich nicht auf Kritik an der Entscheidung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, das Kriegsverbrechen in Sant’ Anna di Stazzema nicht weiter zu verfolgen, beschränken.
Wir sind empört und schämen uns über den Umgang der Justiz mit den Kriegsverbrechen in Sant’Anna di Stazzema!
Am 31.01.13 wurde von der Anwältin Gabriele Heinecke bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart ein Wideraufnahmeantrag eingereicht. Der extra aus Sant’ Anna di Stazzema nach Stuttgart angereiste und einer der Überlebenden des Massakers, Enrico Pieri, wurde zur Übergabe des Wideraufnahmeantrags der Zugang zum Gerichtsgebäude untersagt.
Wir unterhalten uns über die Vorgänge 1944 in Sant’ Anna di Stazzema, den Tag des Wideraufnahmeantrags am 31.01.13 und was dahinter steckt. Wir unterhalten uns aber auch über das Gedanken"gut", das auch heute immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung vorherrscht und wie es sein kann, dass heute immer noch Interessen daran besteht, die Themen Faschismus und Rechtsextremismus zu verschweigen und zu verdrängen.
Da wird doch klar , wess Geistes Kind unsere Justiz und Regierung ist. Keine Fragen mehr zu NSU-Vertuschung und Verheimlichung der Verantwortlichen Politiker und Justiz.
Kommt uns das nicht bekannt vor? OStA Häußler steht in einer langen Tradition und hat einen Ruf zu verteidigen!
Über die Ermittlungen zu den Verbrechen im KZ Kochendorf (bei HN), insbesondere gegen Lagerleiter Eugen Büttner, aufgenommen 1962, eingestellt 1970:
„Die beiden Akten zum KZ Kochendorf in Ludwigsburg zeichnen heute nicht nur in aller Schärfe den brutalen Charakter des Lagers nach, sie dokumentieren zugleich, wie nachlässig die Stuttgarter Staatsanwaltschaft mit den dokumentierten NS-Verbrechen umging. Dem Staatwanwalt hatte das umfangreiche Beweismaterial nicht genügt, um gegen den Hauptbeschludigten Büttner hinreichend Tatverdacht zu schöpfen. Er eröffnete gegen Büttener nicht einmal ein Gerichtsverfahren […) Der Fall Kochendorf bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Bis zum Jahr 2000 war es bei insgesamt fast 100000 Vorermittlungen nur in 6500 Fällen zu Verurteilungen gekommen.“ (Quelle: Riexinger, Klaus: Vernichtung durch Arbeit – Rüstung im Bergwerk, Tübingen 2003, S. 260)
Ich habe mir die Begründung für die Nicht-Anklageerhebung durchgelesen. Es stimmt, es stockt einem der Atem, wenn man die Überlegungen der Staatsanwaltschaft liest. Diese Überlegungen beziehen die Gedankengänge einer möglicherweise gutaufgestellten Verteidigung der SS-Schergen mit ein. Natürlich würden wir es schlimm finden, wenn der Prozess stattfände und dann genau mit diesen Begründungen eine Verurteilung nach deutschem Recht (das den Mord aus individuellem Entschluss und nicht nur die Beteiligung nachweisen muss) scheiterte. Es ist die Sorgfalts-Pflicht einer Staatsanwaltschaft, eine solche Niederlage auszuschließen und dabei auch noch sich derart schlimme Verdrehungen anhören zu müssen. Eben dies hat die Staatsanwaltschaft antizipiert. Gleichzeitig besteht ein Verbot, einen Prozess zu veranstalten, um die Angeklagten ohne Chancen auf eine Verurteilung zu schikanieren. Die Opferanwältin muss also wirklich kräftige Argumente auffahren können, um eine Anklage zu erzwingen. Es kann durchaus auch richtig sein, das Gedenken an die Opfer der Nazidiktatur neu zu gestalten. Dabei sind die verbrecherischen Taten von SS-Schergen u.U. weniger wichtig, als die Ursachenforschung, wie es zu einem Totalverlust von Verwortungsgefühl, Mitdenken, Zivilcourage und Opferbereitschaft kommen konnte. Da spielten Nationalstaatsdenken, Arbeitslosigkeit und eine patriarchalische Gesellschaft eine große Rolle.