Haftantritt eines K21-Aktivisten

Mit großer Unterstützung von S21-Gegnern ist am 18. Februar der langjährige Aktivist Karl Braig zu seinem Haftantritt in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg begleitet worden. Karl Braig sieht diese Form der Strafverbüßung als einen Beitrag, um auf die juristischen Begleiterscheinungen – u .a. die Kriminalisierung von S21-Gegnern – und den Umgang mit dem Recht im Zusammenhang mit dem Großprojekt S21 aufmerksam zu machen.
Karl hatte am 26. Juli 2010 zusammen mit anderen S21-Gegnerinnen und -Gegnern den zum Abriss freigegebenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs besetzt. Dieser war als Teil des Hauptbahnhofs bis dato ein Baudenkmal gewesen und leergestanden. Karl hatte ein Jahr zuvor an einer Genfeldbefreiungsaktion teilgenommen, so dass bei dem Prozess am Oberlandesgericht auch dieser Fall behandelt wurde. (Bekanntlich trugen solche Widerstandsaktionen dazu bei, dass die Firma BASF sich aus dem Anbau von genmanipulierten Kartoffeln in Europa zurückzieht.) Das Amtsgericht, das Landgericht und das Oberlandesgericht hatten ihn zu 55 Tagessätzen je 15 Euro wegen „Hausfriedensbruchs“ verurteilt. Karl legte nach dem letzten Urteil Verfassungsbeschwerde ein, die noch nicht beschieden ist. Er entschied sich, die Strafe von 825 Euro nicht zu zahlen und in Haft zu gehen.
Etwa 30 Sympathisanten trafen sich am Montag um 10 Uhr, um zusammen mit Karl per Bahn und Bus nach Rottenburg zu fahren. Mit Bannern zogen sie zum Rottenburger Marktplatz, wo  eine eineinhalbstündige Mahnwache stattfand. In einem Infozelt gab es Material zu K21 sowie Kaffee und Brezeln. Mehrere große Banner mit den Aufschriften „Wir lassen uns nicht kriminalisieren“ und „Schluss mit absurden Strafen für S21-Gegener/-innen“ säumten den Platz vor dem Marktbrunnen. Die  Aktion Rote Liste wies mit Banner und Flyern auf die Flut von Bußgeld-, Straf- und Ermitttlungsverfahren gegen K21-Aktivisten hin: 4.500 Verfahren gegen S21-Gegner/-innen. In einer Performance wurde Justizia dargestellt, deren Waagschalen in Stuttgart – was das Thema S21 angeht – aus dem Gleichgewicht geraten sind. Ein deutliches Ungleichgewicht zeigte: Illegales GWM, illegale Baumfällungen, Schwarzarbeit, Kostenlüge, Rückbau u. a. wiegen deutlich leichter als politische Prozesse wegen des Schützens von Bäumen, Button tragen, Plakate aufhängen, Sitzblockaden u .a.
In einer Ansprache auf dem Marktplatz stellte Karl nochmals seine Beweggründe für seine konsequente Haltung und die Entscheidung für einen Haftantritt dar: „Solche Großprojekte, die von den Lobbyisten der Wirtschafts- und Finanzwelt gegen jede Vernunft den Menschen aufgezwungen werden, dürfen wir nicht akzeptieren. Diese Großprojekte sind unnötig und in diesem Fall verursachen sie Zerstörung von Kulturgut und Lebensräumen. In Stuttgart soll einer der leistungsstärksten Bahnhöfe in Deutschland in einen weitaus weniger leistungsfähigen Tunnelbahnhof umgewandelt werden und unter Inkaufnahme der Risiken für das Mineralwasser mit über zehn Milliarden Euro finanziert werden. Mit vielen MitstreiterInnen protestiere ich seit Jahren in vielen Aktionen dagegen. Dazu stehe ich auch heute noch unverändert.“  Er dankte für die großartige Unterstützung vor Ort und innerhalb der Bewegung.
Gegen 13 Uhr wurde die Mahnwache auf dem Rotenburger Marktplatz beendet und die 30 Begleiter zogen mit Bannern und Oben-bleiben-Rufen die Gasse und das Stäffele hoch zur Justizvollzugsanstalt mit der schönen Adresse „Schloss 1“.
Da der Haftantritt bis um 15 Uhr vollzogen sein musste, hatte man noch Zeit für persönliche Worte, Abschiedsgeschenke in Form von K21-bezogenen Schriftstücken, Bildern und Gedichten, letzten und allerletzten Worten, die dann Karl vorbehalten waren, bevor er seine Anmeldung beim Portier vornahm. Bald darauf schloss sich das Rolltor zur Vollzugsanstalt hinter Karl – für die kommenden 15 Tage.
Hier ging ein K21-Aktivist ins Gefängnis, auf den in ganz besonderem Maße das Gedicht von Günther Eich zutrifft, in dem es heißt „Schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind! Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt“.
In dieser Woche, wo Bahnchef Grube als nächste Keule die Sprechklausel aktiviert und in Stuttgart bei jedem einzelnen Entscheidungsträger antichambriert, ist  bemerkenswert und immer wieder zu betonen,  dass der Widerstand gegen S21 nicht nachlässt. Die große Teilnehmerzahl bei der gestrigen Montagsdemo hat das bewiesen, die Großdemo am Samstag wird es beweisen und der Haftantritt eines unermüdlichen Kämpfers für Gerechtigkeit und eine lebenswerte Welt und gegen Lüge und Umweltzerstörung beweist es.
Karl wird 15 Tage absitzen, die restlichen 40 Tagessätze hofft er durch Spenden erlassen zu bekommen. Der Rechtshilfefonds Kritisches Stuttgart unter Rechtsanwalt M. Mauz nimmt Geld für Karl Braig entgegen. Konto Nr. 7018242800, BLZ 430 609 67 bei der GLS-Bank, Stichwort „Karl“.
Wie jeder Häftling, so freut sich auch Karl über Post. Postkarten (es gibt auch aktionsbezogene Karten an der Mahnwache) oder andere Post gehen an „Karl Braig, JVA, 72108 Rottenburg, Schloss 1

Hier ist der Link zu Karls Hafttagebuch: www.blognau.wordpress.com 

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7 Antworten zu Haftantritt eines K21-Aktivisten

  1. Prof. Dr. Hans Dieter Blanek sagt:

    Grüß Gott, Herr Braig,
    Ihr Mut macht auch andere mutig, anderswo. Danke.
    Gruß aus dem Feudal- (pardon!) Freistaat Sachsen.
    Hans Dieter Blanek

    „Gehorsam macht krank!“. Jesper Juul (youtube)

  2. Bernd21 sagt:

    15 Euro von mir überwiesen für einen Tag weniger Knast für Karl. Das bin ich ihm schuldig. Und wenn 50 andere das auch so sehen, dann ist er Ende der Woche bereits wieder frei.

    • Peter Illert sagt:

      Ich glaube, um Hilfe zum „Freikaufen“ geht es konkret in diesem Fall nicht. Für mich drückt Karls demonstrativer Gefängnisaufenthalt aus, dass mensch seine Ueberzeugung und „zivile“ Verantwortung nicht abgeben kann – und prüfen muss, welche persönlichen Konsequenzen dafür in Kauf zu nehmen sind.

  3. Eric Cantona sagt:

    Sehr gute Aktion, hat meinen absoluten Respekt! Wünsche Karl alles Gute, halte durch! Freiheit für alle politischen Gefangenen! http://www.solikreis-stuttgart.tk/

  4. martin mueller sagt:

    Die Justiz begeht im Namen der DB AG und der Bundesregierung , nicht im Namen des Volkes , Freiheitsberaubung und verstößt gegen die Menschenrechte.Desweiteren macht sich die Bundesregierung wie auch die Justiz strafbar ,wegen Beihilfe der Untreue im Amt und Steuergeldunterschlagung sowie Steuergeldveruntreuung und wegen des Rückbaues des Schinennetzes bei S21.

    • Fritz Mielert sagt:

      Einer der wichtigsten Grundsätze von Zivilem Ungehorsam ist es, Gesetze bewusst zu übertreten und für die Folgen des Gesetzesübertritts voll und ganz einzustehen. Karl hätte die Strafe nicht absitzen müssen. Er hätte die Tagessätze auch zahlen können. Mit Menschenrechten, Freiheitsberaubung o.ä. hat die Verurteilung nichts zu tun.
      Wirft man einen Blick auf die Feldbefreiungsaktionen gegen Gentechnik: Hier haben Menschen für sich selber abgewogen, dass die Gefahren durch Gentechnik so immens sind, dass sie unterbunden werden müssen. Sie haben mittels (mehr oder weniger symbolischer) Sachbeschädigung fremden Eigentums (der Pflanzen von LandwirtInnen, Firmen oder Instituten) dagegen protestiert. Eine Verurteilung der AktivistInnen finde ich genau so richtig wie ihre Tat.

  5. Befürworter sagt:

    Wo kann man sich anstellen, um dem Mann in den Arsch zu kriechen..?

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