Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Zurückgelassene, Zurückgebliebene, Wahl-Amputierte, an Leib und Seele Beschädigte in den Rathäusern, liebe Dauerdemonstranten aus den grünen Halbhöhenlagen, aus Heslach, Haslach, Hedelfingen.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, behauptete Angela letzte Woche bei der Graduierten-Abschlussfeier an der Harvard Universität. Standing Ovations für die deutsche Noch-Kanzlerin, die bewiesen hat, dass man Flüchtlinge abtreiben lassen kann, verhungern oder ersaufen oder ertrinken, ohne dass es die Harvard-Graduierten groß juckt. Wie sollte es auch? Hier juckt es ja auch die Wenigsten.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt das Gedicht von Hermann Hesse, auf das sich die Kanzlerin bezog. Vor mehr als 100 Jahren veröffentlichte Hesse in der Neuen Zürcher Zeitung den Aufsatz
„O Freunde, nicht diese Töne!“, in dem der Mann aus Calw an die europäischen Intellektuellen appellierte, nicht in nationalistische Polemik zu verfallen.
Hermann Hesse erhielt Morddrohungen, Hassbriefe; alte Freunde sagten sich von ihm los. „Gesinnungslump“ wurde er genannt, wie Rosa Luxemburg, Heinemann und Willy Brandt. Der Mann, den die deutsche Kanzlerin letzte Woche zitiert hatte, war ein entschiedener Kriegsgegner, ein Internationalist und Aussteiger. Aus seinem Gedicht „Stufen“:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, / An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, / Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise / Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, / Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Eine Unlust weht durch die Nacht, um die Baracken der Macht, streift Nahles, Kant und Hegel, streift Merkel und Hermann Hesse, weht die Kippa vom Koppe und bauscht die Kopftücher unnötig auf. weiterlesen →