Rede von Martin Poguntke, TheologInnen gegen S21, auf der Kundgebung zum Evangelischen Kirchentag am 6.6.2015
Aus Stuttgart 21 klug werden:
Oben bleiben!
Liebe Protestantinnen und Protestanten – aller Konfessionen! Liebe Agnostiker! Liebe – wenn ich hier den Theologen Schleiermacher zitieren darf – liebe „Gebildete unter den Verächtern der Religion“!
Sie alle grüße ich im Namen der Initiative „Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21“ mit einem herzlichen „Grüß Gott“.
S21 ist eine Katastrophe für die Umwelt
Wir stehen hier, weil uns eines verbindet: die Empörung über ein Bauprojekt, für das es geradezu verharmlosend ist, es nur „Murks“ zu nennen. Denn es ist gefährlicher, zerstörerischer Murks, was hier gebaut werden soll.
Stuttgart hat bislang den zweitpünktlichsten Großbahnhof Deutschlands. Die Behauptung, S21 bringe mehr Leistung, ist längst widerlegt. Aber mit dieser Lüge will man diesen hoch funktionstüchtigen Kopfbahnhof mit 17 Gleisen und großem Potenzial für Erweiterungen zerschlagen und stattdessen einen Vororthaltepunkt mit nur 8 Gleisen daraus machen – ohne jede Erweiterungsmöglichkeit. Und das nur, um auf der frei werdenden Fläche Geschäfte mit teuren City-Grundstücken machen zu können.
Stuttgart ist eine Wirtschafts- und Verkehrsmetropole – und zugleich Feinstaub- und Stau-Hauptstadt Deutschlands. Stuttgart kann sich einen solchen Leistungsrückbau von Verkehrsinfrastruktur einfach nicht leisten – wir ersticken doch in Autos. Das ist ein Umweltskandal erster Güte.
Katastrophe für die Sicherheit
Aber nicht nur die Leistung des geplanten Kellerbahnhofs ist viel zu schlecht, sondern er ist auch noch dazu hoch gefährlich. Die Bahnsteige sind nur durch Treppen, Rolltreppen und Aufzüge zu erreichen. Für Menschen mit Behinderungen würde es hier besonders schwierig.
Und wenn es einmal brennen sollte – das muss man sich mal vorstellen – für diesen Fall hat die Bahn gefordert, sollten verpflichtend diejenigen Fahrgäste, die noch gut zu Fuß sind, diejenigen, die gehbehindert sind, aus der Gefahrenzone tragen(!). Das ist Brandschutz nach Art der Bahn.
Dabei hat die Bahn auch noch mit viel zu wenigen Fahrgästen gerechnet, die im Katastrophenfall gerettet werden müssen. Und die Bahn sagt dazu – ganz ähnlich, wie man das beim Berliner Flughafen gemacht hat: Lasst uns erstmal den Bahnhof bauen, und wenn sich dann herausstellt, dass die Fahrgastzahl zu hoch ist für eine wirksame Evakuierung, dann können wir ja einfach weniger Züge fahren lassen. Ja, geht’s noch? Erst Milliarden – unsere(!) Milliarden – für einen Bahnhof verbauen und dann schauen, wieviele Züge reinpassen?!
Da kommt es einem schon fast unbedeutend vor, dass der geplante Bahnhof eine weltweit einmalige Gleisneigung von 15 Promille hat – obwohl nach EU-Recht nur maximal 2,5 Promille erlaubt sind, weil das viel zu leicht zu Unfällen mit wegrollenden Zügen führt.
Und dass mit diesem Bauwerk das zweitgrößte Mineralwasservorkommen Europas, das hier unter uns fließt, möglicherweise zum Versiegen gebracht und die Häuser an den Hängen zum Rutschen gebracht werden, sei nur am Rande erwähnt.
S21 ist überall
Sie sehen schon an diesen wenigen Beispielen: ein katastrophales, gefährliches, zerstörerisches Projekt, dieser Kellerbahnhof. Aber vielleicht fragen Sie sich, was das Sie angeht, wenn Sie aus Hamburg oder Köln oder Berlin gekommen sind? Eine ganze Menge!
• z.B. würde S21 den bundesweiten ICE-Taktverkehr massiv einschränken, weil der Tiefbahnhof zu wenig Reserven hat. weiterlesen