Rede von Dr. Bernhard Knierim, „Bahn für Alle“, auf der 580. Montagsdemo am 20.9.2021
Liebe Freundinnen und Freunde einer besseren Bahn!
Heute in sechs Tagen ist es so weit: Wir wählen einen neuen Bundestag. Was dabei herauskommt, wissen wir noch nicht. Es zeichnet sich aber schon ab, dass es nicht ganz einfach sein wird, aus dem Ergebnis eine funktionierende Regierungskoalition zu zimmern. Ich will heute aber vor allem darauf schauen, wie es mit der Bahn und überhaupt der Verkehrspolitik weitergeht. Der Verkehr ist eine riesige Baustelle, spielt aber im Wahlkampf leider nur eine untergeordnete Rolle.
Dass eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene absolut überfällig ist, soweit sind sich zumindest alle demokratischen Parteien einig. Wir brauchen im Sinne des Klimaschutzes, aber auch im Sinne einer selbstbestimmten Mobilität für alle Menschen – unabhängig von Alter oder körperlichen Einschränkungen – eine echte Mobilitätswende: das heißt weniger Autoverkehr, weniger Lkw-Verkehr, weniger Flugverkehr und dafür mehr öffentlicher Verkehr, mehr Fahrrad- und mehr Fußverkehr. Und die Bahn muss das Rückgrat einer solchen zukünftigen Mobilität sein!
16 Jahre Merkel und drei CSU-Verkehrsminister haben leider nichts in diese Richtung bewegt – übrigens genauso wenig wie 10 Jahre grün geführte Landesregierungen in Baden-Württemberg. Denn das Auto bleibt eine heilige Kuh – zumal hier in der Auto-Hauptstadt Stuttgart. Und auch dem Flugverkehr will man auf keinen Fall weh tun, obwohl er bekanntlich die mit Abstand klimaschädlichste Art des Reisens ist.
Aber sind nicht viele Milliarden in das Schienennetz investiert worden? Ja, aber nicht immer in sinnvoller Weise! Trotz der Investitionen ist das Bahnnetz über die Zeit älter und störungsanfälliger geworden. Es ist viel zu wenig in die bestehenden Strecken investiert worden – weshalb die Infrastruktur an vielen Orten genauso verrottet aussieht wie hier um den Stuttgarter Hauptbahnhof. Stattdessen sind viele Milliarden Euro in Hochgeschwindigkeitsstrecken mit teilweise sehr fragwürdigem Nutzen geflossen. Hätte man statt der Neubaustrecke Halle/Leipzig – Nürnberg die bestehende Strecke weiter östlich – die sogenannte Sachsen-Franken-Magistrale – ausgebaut, wäre man heute auf diesem direkteren Weg fast genauso schnell zwischen Berlin und München unterwegs. Der Ausbau hätte aber nur einen Bruchteil der 10 Milliarden Euro gekostet, die in die Neubaustrecke quer durch den Thüringer Wald geflossen sind. Gleichzeitig hätte man die vielen übrigen Milliarden in den Ausbau der Flächenbahn investieren können. Die gleiche Rechnung kann man für die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm aufmachen: Auch hier wäre ein Ausbau der Bestandsstrecke sehr viel effizienter gewesen und hätte zu unwesentlich längeren Fahrzeiten geführt. Von der Fahrzeitersparnis im Minuten-Maßstab durch die Stuttgart-21-Tunnels will ich hier gar nicht anfangen! weiterlesen