Rede von Dr. Bernhard Knierim, Biophysiker, Politikwissenschaftler, Autor und Mitbegründer von ‚Bahn für Alle', auf der 550. Montagsdemo[1] am 8.2.2021
Liebe Freundinnen und Freunde einer besseren Bahn!
Wir vom Bündnis Bahn für Alle haben 2005 bis 2008 in einer groß angelegten Kampagne gegen den Börsengang der Deutschen Bahn AG gekämpft – letztlich erfolgreich: Bis heute ist die DB zum Glück zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Aber auch wenn das Schlimmste damals abgewendet werden konnte, ist die seitdem herrschende Richtungslosigkeit in der Bahnpolitik höchst problematisch: Die heutige DB als Aktiengesellschaft im Bundesbesitz ist ein ungünstiger Zwitter aus Privatunternehmen und Staatsunternehmen. Sie ist formell auf Gewinn hin orientiert, und bei vielen wichtigen Entscheidungen verweigert die Bundesregierung die politische Verantwortung und verweist stattdessen auf die „Eigenwirtschaftlichkeit“ des Konzerns. Gleichzeitig nimmt die Regierung aber punktuell erheblichen Einfluss – beispielsweise, wenn es um die Besetzung des Vorstands oder den Weiterbau des Wahnsinnsprojekts Stuttgart 21 geht. Ich muss hier für die Montagsdemo sicher nicht nochmal erklären, wie der damalige Kanzleramtsminister und heutige DB-Vorstand Ronald Pofalla im Auftrag von Angela Merkel dafür gesorgt hat, dass der Aufsichtsrat dem Weiterbau wider alle Vernunft zugestimmt hat.
Aber der Bau sinnloser Großprojekte ist nicht das einzige Problem: Diese DB AG versteht sich immer noch als internationaler Logistikkonzern, für den der Bahnverkehr im Inland nur eines von vielen Geschäftsfeldern ist, und sie ist inzwischen selbst in mehrere hundert Unternehmen aufgegliedert, die vielfach nicht gut zusammenarbeiten. Ihr eigentliches Ziel, nämlich einen zuverlässigen, bezahlbaren und komfortablen Bahnverkehr für das ganze Land zu gewährleisten, gerät dabei leider immer wieder aus dem Fokus. Außerdem befindet sich das Unternehmen in einer massiven strukturellen und finanziellen Krise, die durch die Corona-Pandemie zwar verschärft, aber nicht alleine durch diese ausgelöst worden ist.
Daher gibt es völlig zu Recht den Ruf nach einer grundsätzlichen Reform der Bahn. Auch wir von Bahn für Alle fordern eine zweite Bahnreform. Doch die entscheidende Frage ist natürlich: Was kommt stattdessen? Und hier kommt nun der alte, viele Jahre lang nicht offen ausgetragene Konflikt um die grundsätzliche Ausrichtung der Bahn wieder ins Spiel. weiterlesen