Rede von Martin Poguntke, Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21, auf der 536. Montagsdemo am 2.11.2020
Liebe Freundinnen und Freunde,
in Berlin herrscht eitel Freude, dass nun scheinbar alles doch noch zu einem guten Ende gekommen ist: Der BER ist doch noch fertig geworden, und es landen und starten dort sogar richtige Flugzeuge. Die Presse ist voll von Signalen der Erleichterung, die Fachleute entwerfen Prognosen, nach denen es – ja, doch, sicher etwas schwer werden wird in den ersten Jahren – doch längerfristig zu einem wirtschaftlichen Betrieb dieses Flughafens kommen werde. Voraussetzung: Die Fluggastzahlen müssen, wie seit Jahren prognostiziert, weiterhin kräftig steigen. Und als betont hoffnungsvoll wird bemerkt, dass ja Berlin auch nach Corona das bleiben werde, was es die ganzen letzten Jahre gewesen sei: ein verlässlicher Wachstumsstandort.
So bitter auch die Medien die Kostensteigerung von – sage und schreibe 0,8 auf 8 Milliarden – also das Zehnfache – anmerken und den Zuschussbedarf von weiteren Milliarden für die nächsten Jahre, so sehr wird doch immer wieder betont, welche zentrale Bedeutung dieser Flughafen für die Luftfahrtbranche habe. Hofberichterstattung allenthalben, deren kritische Anmerkungen lediglich als keckes journalistisches Augenzwinkern daherkommen, statt als grundsätzliche Infragestellung dieses Skandalbaus.
Ich mache mir manchmal das Vergnügen, mir vorzustellen, wie Herr Milankovic und seine Kollegen eines fernen Tages die Eröffnung des Tiefbahnhofs kommentieren werden: Man wird sich – um sich journalistisch sorgfältig nennen zu dürfen – mit ein paar schicken kritischen Anmerkungen schmücken, die vielen Probleme der Vergangenheit ansprechen, wird auch der Protestbewegung zugute halten, dass sie an der einen oder anderen Stelle durchaus hilfreich gewesen sei. Aber dann wird man in Jubelchöre ausbrechen, dass ja jetzt doch wahr geworden sei, was die Gegner nie geglaubt hätten: Die Züge fahren, die Welt ist nicht untergegangen, die Fahrgäste geben erleichterte Kommentare, dass sie froh seien, dass Stuttgart nun endlich wieder einen vollgültigen Bahnhof habe. weiterlesen