Rede von Dieter Reicherter, Vorsitzender Strafrichter am Landgericht Stuttgart a. D., auf der 408. Montagsdemo am 12.3.2018
Liebe Freundinnen und Freunde,
heute soll es speziell um die Wechselwirkungen von Politik und Justiz in unserem Ländle im Zusammenhang mit Stuttgart 21 gehen. Das ist nicht nur eine Sache von direkten Weisungen oder Einflussnahmen der Politik. Leider haben wir es oft mit dem vorauseilenden Gehorsam zu tun. Menschen schielen nach oben und tun das, von dem sie meinen, es werde von ihnen erwartet.
Da will ich zunächst mit der Staatsanwaltschaft anfangen. Denn Richterinnen und Richter sind unabhängig und keinen Weisungen unterworfen, sagt das Grundgesetz. Allerdings gilt auch: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Wenn die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhebt, kann kein Richter entscheiden. Im Gerichtsverfassungsgesetz steht: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ Vorgesetzte, wenn man bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bleiben möchte, sind der Leiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Stuttgart und letztlich unser Justizminister, der gleichzeitig auch Tourismusminister ist. Sie alle müssten den Anspruch, die Staatsanwaltschaft sei die objektivste Behörde der Welt, durch ihre Weisungen umsetzen. Soweit die Theorie.
Dazu lohnt sich ein Blick in die Praxis. Beispielsweise hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Wer sich nun vorstellt, auch bei Stuttgart 21 könne es solche Fälle mit geringer Schuld geben, hat sich getäuscht, wenn es um Menschen aus unserer Bewegung geht. Zwar wurde im sogenannten Wasserwerferprozess beim Landgericht Stuttgart das Verfahren gegen zwei Abschnittsleiter der Polizei wegen angeblich geringer Schuld gegen Bezahlung von Geldbeträgen eingestellt. Aber umgekehrt gilt das offenbar nicht. weiterlesen













